VwGH Ra 2016/12/0109

VwGHRa 2016/12/010925.1.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Zens und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die außerordentliche Revision des Bundesministers für Inneres gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Oktober 2016, W128 2122171- 1/3E, betreffend Aufhebung eines Bescheides i.A. Antrag auf Feststellung von Schwerarbeitsmonaten (mitbeteiligte Partei: G F, vertreten durch Mag. Franz Scharf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schulerstraße 20/7), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs3;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016120109.L00

 

Spruch:

 

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Am 29. Oktober 2015 beantragte er die Feststellung der Anzahl seiner Schwerarbeitsmonate.

2 In der Folge holte die Dienstbehörde Stellungnahmen (insbesondere von Vorgesetzten des Mitbeteiligten) zur Frage ein, ob und in welchen Monaten der Mitbeteiligte zumindest die Hälfte seiner monatlichen Dienstzeit tatsächlich als wachespezifischen Außendienst ausgeübt habe. Unter diesen Stellungnahmen findet sich auch jene des Vorgesetzten S vom 2. September 2015, welcher erklärte, keine präzisen Angaben machen zu können. Freilich müssten in diesem Zusammenhang relevante Außendienstzeiten, sofern sie im Zuge von Überstunden verrichtet worden seien, in den Monatsabrechnungen dokumentiert sein. Auch im Akt über die Erhöhung der Gefahrenzulage müsste auf die tatsächliche Außendienstpräsenz Bezug genommen worden sein. Schließlich wurden die Arbeitsplatzbeschreibungen des Mitbeteiligten beigeschafft.

3 Nach Gewährung von rechtlichem Gehör zu diesen Ermittlungsergebnissen, zu denen der Mitbeteiligte eine Stellungnahme erstattete, stellte der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 22. Dezember 2015 die Zahl der vom Mitbeteiligten absolvierten Schwerarbeitsmonate per 31. Oktober 2014 mit Null fest.

4 Begründend heißt es in diesem Bescheid (auszugsweise):

"Die in Ihrer für den Zeitraum vom 1.1.2002 bis 31.12.2002 geltenden Arbeitsplatzbeschreibung angeführten Tätigkeitsfelder beinhalten die für Schwerarbeit im Sinne der genannten Verordnungen vorausgesetzte tatsächliche wachespezifische Außendienstleistung im Ausmaß von mindestens der Hälfte Ihrer monatlichen Dienstzeit nicht. Aus diesem Grund konnte auch der Bestätigung von Herrn Mag. S hinsichtlich dieses Zeitraumes nicht gefolgt werden. Im Rahmen des Parteiengehörs wurde Ihnen die genannte Arbeitsplatzbeschreibung mit Schreiben vom 9.11.2015 zu 250.789/38-I/1/b/15 mit der Einladung zur Stellungnahme binnen 14 Tagen übersendet. Eine Stellungnahme wurde von Ihnen nicht (fristgerecht) erstattet.

Für die Zeit vom 01.01.2003 (ehem. Gruppe II/D, neueingerichtetes Bundeskriminalamt, Büro II/BK/3.3) bis 30.6.2010 sowie ab 1.7.2010 (Referat II/BK/3.2.2) sind unter Berücksichtigung der eingelangten Stellungnahmen der Abteilung 2 des Bundeskriminalamtes ebenfalls keine ausreichenden Umstände ersichtlich, die auf das Vorliegen von Schwerarbeit im Sinne der genannten Verordnungen schließen lassen. Dies geht auch aus den für diesen Zeitraum geltenden Arbeitsplatzbeschreibungen für 1.1.2003 bis 30.6.2010 (Planstellen-ID: 11034094) sowie ab 1.7.2010 bis heute (Planstellen-ID: 11034094) hervor, die der Dienstbehörde vorgelegt wurden. Diese sind hinsichtlich der Aufgaben und Tätigkeiten inhaltlich deckungsgleich. Zwar finden sich unter den dort aufgelisteten Tätigkeiten auch solche, die als wachespezifischer Außendienst zu werten sind, doch erreichen sie den vorausgesetzten Anteil von mindestens der Hälfte der monatlichen Dienstzeit nicht, sodass durch das Fehlen einer der Anspruchsvoraussetzungen Schwerarbeitszeiten im Sinne der Schwerarbeitsverordnung auch für den Zeitraum ab 1.1. 2003 nicht vorliegen."

5 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

6 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24. Oktober 2016 hob das Bundesverwaltungsgericht den bei ihm angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Begründend vertrat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, der Mitbeteiligte habe Tätigkeiten zu verrichten gehabt, welche als "wachespezifischer Außendienst" zu werten seien. Entscheidungserheblich sei, ob diese Tätigkeiten zumindest die Hälfte der jeweiligen monatlichen Dienstzeiten des Mitbeteiligten betragen habe. Unter Berufung auf das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006, 2005/12/0032, vertrat das Bundesverwaltungsgericht die Rechtsauffassung, wonach es im vorliegenden Zusammenhang gemäß § 1 Z 4 lit. a der Verordnung der Bundesregierung über besonders belastende Berufstätigkeiten, BGBl. II Nr. 105/2006, auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf einen nach Organisationsnormen (Arbeitsplatzbeschreibungen) gesollten Zustand ankomme.

8 Insofern sei das Ermittlungsverfahren der Dienstbehörde aber mangelhaft geblieben.

9 Sodann heißt es im angefochtenen Beschluss:

"3.2.4. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs. 3, 2. Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Fallbezogen liegen besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens bei der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes in diesem Sinne vor. Die belangte Behörde hat es gänzlich unterlassen in relevante Unterlagen, wie Zeitaufzeichnungen oder Dienstpläne Einschau zu halten und hat sich alleine auf die Einholung von (sich widersprechenden) Stellungnahmen und Arbeitsplatzbeschreibungen beschränkt."

10 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Hinblick darauf unzulässig, dass die vorliegendenfalls auftretenden Auslegungsfragen durch die vorzitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt seien.

11 Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision des Bundesministers für Inneres vor dem Verwaltungsgerichtshof, welche sich jedoch aus folgenden Gründen als unzulässig erweist:

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 In der Zulassungsbegründung wird in materieller Hinsicht gerügt, dass das zur Frage einer Arbeitsplatzbewertung ergangene vom Bundesverwaltungsgericht zitierte hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2006 für die Auslegung der für das hier gegenständliche Verfahren maßgeblichen Verordnungsbestimmung nicht einschlägig sei. In der Ausführung seiner Revision vertritt aber der Bundesminister für Inneres ohnedies - ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht - die Auffassung, dass auch für die Beurteilung des monatlichen Überwiegens der Tätigkeit im wachespezifischen Außendienst nicht der nach den Organisationsnormen gesollte, sondern der tatsächliche Zustand maßgeblich sei. Vor diesem Hintergrund zeigt die Revision aber keine grundsätzliche Rechtsfrage des materiellen Rechtes auf.

16 In verfahrensrechtlicher Hinsicht wirft die Revision die Frage auf, ob das Bundesverwaltungsgericht vorliegendenfalls zu Recht nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgegangen sei. Der Bundesminister für Inneres vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, er habe "nicht bloß ansatzweise", sondern vielmehr "eingehende" Ermittlungen geführt.

17 Dem ist Folgendes zu erwidern:

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bereits ausgelegt; das Bundesverwaltungsgericht hat die in diesem Zusammenhang ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes korrekt wiedergegeben.

19 Ob es aber diese Rechtsprechung angesichts der hier einzelfallbezogen vorgelegenen Verfahrenskonstellation in jeder Hinsicht korrekt angewendet hat, stellt keine grundsätzliche Rechtsfrage dar.

20 Da sich die Dienstbehörde ausschließlich auf eingeholte Stellungnahmen und Arbeitsplatzbeschreibungen stützte, ohne in diesem Zusammenhang niederschriftliche Einvernahmen von Beweispersonen (insbesondere auch des Mitbeteiligten selbst) durchzuführen oder auch nur dem Hinweis auf sonstige relevante Unterlagen in der Stellungnahme des Vorgesetzten S nachzugehen, erscheint die Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, die Dienstbehörde habe "nur ansatzweise" ermittelt, immerhin als vertretbar, zumal es sich bei der in Rede stehenden Frage um eine solche handelt, die verwaltungsinterne Vorgänge betrifft, bei der die Verwaltung besonders "nahe am Beweis" ist. Ob sie in jeder Hinsicht richtig ist, war nach dem Vorgesagten nicht zu prüfen.

21 Aus diesen Gründen war die Revision wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung geeignet und daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2017

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