VwGH Ra 2016/03/0002

VwGHRa 2016/03/000227.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der revisionswerbenden Partei L H in A, vertreten durch Prof. Dipl.Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 16. Oktober 2015, Zl LVwG-AV-419/001-2015, betreffend Erlassung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Tulln), den Beschluss gefasst:

Normen

WaffG 1996 §12 Abs1;
WaffG 1996 §12 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2014 erließ die Bezirkshauptmannschaft Tulln gegen den Revisionswerber ein Waffenverbot nach § 12 Abs 1 Waffengesetz 1996 (WaffG). Begründend führte sie aus, der Revisionswerber habe am 23. Oktober 2014 gegenüber einer Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft telefonisch folgende Drohung ausgesprochen: "Ich bin zum Islam konvertiert und habe aufgrund meiner Krebserkrankung nur mehr 2 Jahre zu leben. Ich nehme keine Chemotherapie in Anspruch. Ich werde vielmehr in der Zeit, in der ich noch zu leben habe, mit einem Turban am Kopf als lebende Bombe kommen. Die Behörde gehört in die Luft gejagt." Zuvor habe der Revisionswerber am 1. September 2014 gegenüber einem anderen Sachbearbeiter der Behörde bereits ähnliche Andeutungen gemacht. Im Hinblick auf die Schwere der wiederholt getätigten Äußerungen könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Revisionswerber Waffen missbräuchlich verwenden und Rechtsgüter im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG gefährden könnte.

2. Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG), die mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewiesen wurde. Gleichzeitig erklärte das LVwG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig.

Es stellte fest, dass der Revisionswerber im September 2014 in einem abfallrechtlichen Verfahren vor einem Sachbearbeiter der Bezirkshauptmannschaft Tulln geäußert habe, in seinem Wagen befände sich eine Bombe. Er habe außerdem auf den Fall Breivik in Norwegen Bezug genommen (Anmerkung: Anders Behring Breivik beging im Juli 2011 mehrere Attentate in Norwegen, unter anderem durch Zünden einer Autobombe im Regierungsviertel von Oslo). Am 23. Oktober 2014 habe der Revisionswerber nach Erhalt eines Bescheides, mit dem ihm die Abfallsammlerberechtigung entzogen worden sei, bei der Abfallrechtsbehörde angerufen und damit gedroht, die Behörde in die Luft zu sprengen; der Sachbearbeiterin habe er den Tod gewünscht. Diese Drohungen seien von der Behörde ernst genommen und es sei den betroffenen Sachbearbeitern Personenschutz gegeben worden.

Rechtlich folgerte das LVwG, das Verhalten des Revisionswerbes, der mehrmals in Kontakt mit der Behörde gestanden sei und dabei erklärt habe, dass die Behörde in die Luft gejagt gehöre, sei als höchst bedenklich einzustufen. Schon allein der Umstand, dass er seine Drohungen damit unterstrichen habe, sie in Verbindung mit dem Syrienkrieg zu setzen und auf den Islam zu verweisen, zeige, dass er "diese Drohungen durchaus gewollt gegen die Mitarbeiter der Behörde richtete". Hinzu komme, dass er erklärt habe, (wegen seiner schweren Erkrankung) nichts mehr zu verlieren zu haben. In ihrer Gesamtheit rechtfertigten die Umstände die Annahme, dass der Revisionswerber durch missbräuchliche Verwendung von Waffen die Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

3. Gegen diese Entscheidung wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Ihre Zulässigkeit wird damit begründet, dass das LVwG nach Ansicht des Revisionswerbers von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei. Nach dieser sei zwar bei der Beurteilung des Erfordernisses eines Waffenverbots ein strenger Maßstab anzulegen, dies bedeute aber nicht, dass jedes möglicherweise unangepasste Verhalten bzw jede scharfe Unmutsäußerung den denklogischen Schluss auf eine missbräuchliche Verwendung von Waffen rechtfertige. Regelmäßig lasse der Verwaltungsgerichtshof den Schluss aus Aggressionshandlungen, Tätlichkeiten und Körperverletzungen auf die nach § 12 Abs 1 WaffG zu befürchtende zukünftige Verhaltensweise zu. Dabei müsse es sich aber um mehr als um (milieubedingte) Unmutsäußerungen oder um - wenn auch krass - unhöfliches Verhalten handeln. Von dieser ständigen Rechtsprechung sei das LVwG abgegangen und es habe Beweisergebnisse missachtet, aus denen hervorgegangen sei, dass es sich im vorliegenden Fall keinesfalls um eine auch nur ansatzweise ernstzunehmende Drohung gehandelt habe.

4. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

4.1. Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.

4.2. Gemäß § 12 Abs 1 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl etwa VwGH vom 18. September 2013, 2013/03/0072, mwN) dient die Verhängung eines Waffenverbotes der Verhütung einer missbräuchlichen Verwendung von Waffen. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger ("missbräuchlicher") Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch wiederholt erkannt, dass etwa die Bedrohung eines Menschen mit dem Erschießen jedenfalls eine "konkrete Tatsache" im Sinne des § 12 Abs 1 WaffG darstellt, die ein für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbots relevantes Bild eines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotentials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag (vgl auch dazu VwGH vom 18. September 2013, 2013/03/0072, mwN). Nichts anderes gilt, wie fallbezogen hinzuzufügen ist, wenn die Bedrohung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen in anderer Weise als durch Erschießen (etwa im Falle einer Bombendrohung) erfolgt.

4.3. Im vorliegenden Fall hat das LVwG aus den festgestellten massiven Drohungen des Revisionswerbers gegenüber Mitarbeitern der Bezirkshauptmannschaft Tulln auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 Abs 1 WaffG geschlossen. Dass diese Drohungen auch ernst zu nehmen waren, hat das LVwG unter Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalls hinreichend begründet; relevante Verletzungen von Verfahrensvorschriften, die im Rahmen des Revisionsverfahrens geltend gemacht werden könnten, liegt nicht vor.

5. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 27. Jänner 2016

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