VwGH Ra 2016/02/0242

VwGHRa 2016/02/024215.12.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des A in W, vertreten durch Mag. Harald Premm, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottenring 16/2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19. Februar 2015, Zl. VGW-042/013/29127/2014, betreffend Übertretungen des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §19 Abs3;
VStG §24;
VwGVG 2014 §38;
VwGVG 2014 §45 Abs2;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016020242.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 25. Juni 2014 hat der Magistrat der Stadt Wien den Revisionswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufenen der S. GmbH mehrerer Übertretungen nach dem Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) für schuldig erachtet und zu Geldstrafen samt Ersatzfreiheitsstrafen verurteilt.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde hat das Verwaltungsgericht Wien (VwG) nach einer in Abwesenheit des Revisionswerbers durchgeführten mündlichen Verhandlung insoweit Folge gegeben, als das Straferkenntnis in den Punkten 4. und 6. behoben und das Verfahren diesbezüglich gemäß Art. 45 Abs. 1 Z 3 VStG eingestellt wurde (Spruchpunkt I.). Im Übrigen hat das VwG der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt (Spruchpunkt II). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt V.).

3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Der Revisionswerber bringt zur Frage der Zulässigkeit der Revision vor, das VwG habe in Bestätigung der Entscheidung der belangten Behörde den Revisionswerber als Geschäftsführer der S. GmbH bestraft und dabei verkannt, dass die S. GmbH zum Zeitpunkt der angeblichen Verstöße gegen das BauKG nicht Bauherrin des betreffenden Bauvorhabens gewesen sei. In völliger Verkennung, dass die Verpflichtungen gemäß §§ 3, 6 und 7 BauKG ausschließlich den Bauherren treffen würden, habe sich das VwG in Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzt, wonach eine Haftung nach § 9 VStG nur dann greifen könne, wenn die juristische Person, deren Organ der Verantwortliche ist, ein Fehlverhalten gesetzt habe. Nicht der Verantwortliche nach § 9 VStG an sich sei Ziel der §§ 3, 6 und 7 BauKG, sondern die juristische Person als Bauherrin.

7 Weiters bringt der Revisionswerber im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung vor, die Rechtsansicht des VwG, wonach auch dann die Verhandlung durchgeführt und ein Erkenntnis gefällt werden könne, wenn der Beschuldigte erstmalig krankheitsbedingt der Verhandlung fernbleiben haben müssen, stehe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

§ 19 Abs. 3 AVG zähle ausdrücklich den Fall der Krankheit als Entschuldigungsgrund auf. Der Revisionswerber habe eine Arbeitsunfähigkeitsbestätigung vorgelegt; die Triftigkeit seines Nichterscheinens sei daher überprüfbar gewesen. Der vom VwG zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 2010, 2009/02/0292 sei ein Sachverhalt zugrunde gelegen, der mit gegenständlichem nicht verglichen werden könne. Operationen seien (außer in Notfällen) bis zu einem gewissen Grad planbar; akute Erkrankungen würden jedoch plötzlich auftreten.

8 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

9 Gemäß § 2 Abs. 1 BauKG ist Bauherr im Sinne dieses Bundesgesetzes eine natürliche oder juristische Person oder sonstige Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit, in deren Auftrag ein Bauwerk ausgeführt wird.

10 Das VwG geht in der Begründung seines Erkenntnisses davon aus, dass die gegenständliche Baustelle aufgrund einer von der S. GmbH erwirkten Baubewilligung im März 2013 begonnen und die ausführende U. AG von der S. GmbH beauftragt wurde. Das VwG stützt diese Feststellungen maßgeblich auf die Aussagen der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen Ing. D. (Arbeitsinspektor) und Ing. W (ehemaliger Geschäftsführer der U. AG). Wenn der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen vermeint, er hätte nicht als Geschäftsführer der S. GmbH bestraft werden dürften, weil diese zum Zeitpunkt der angeblichen Verstöße gegen das BauKG nicht Bauherrin des betreffenden Bauvorhabens gewesen sei, wendet er sich gegen die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung des VwG. Der Verwaltungsgerichtshof ist - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 13. September 2016, Ra 2015/01/0187, und vom 21. September 2015, Ra 2015/02/0170, jeweils mwN). Dass dem VwG im vorliegenden Fall ein derartig krasser Fehler der Beweiswürdigung unterlaufen wäre, ist aber nicht zu erkennen.

11 Auch dem Vorbringen des Revisionswerbers, das VwG habe im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes angenommen, dass eine mündliche Verhandlung auch dann durchgeführt und ein Erkenntnis gefällt werden könne, wenn der Beschuldigte erstmalig krankheitsbedingt der Verhandlung fernbleiben habe müssen, kann nicht gefolgt werden.

12 Gemäß § 45 Abs. 2 VwGVG hindert dann, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Nach dem gemäß § 38 VwGVG iVm § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten, und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das Vorliegen eines der in § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, kann nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden (vgl. insbesondere den hg. Beschluss vom 18. Juni 2015, Ra 2015/20/0110, mwN).

13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Partei im Falle einer ordnungsgemäßen Ladung zwingende Gründe für das Nichterscheinen darzutun. Das bedeutet, dass nicht allein die Tatsache des Vorliegens einer Erkrankung behauptet und dargetan werden muss, sondern auch die Hinderung aus diesem Grunde, bei der Verhandlung zu erscheinen. Die Triftigkeit des Nichterscheinens zu einer Verhandlung muss überprüfbar sein (vgl. erneut den zuvor zitierten hg. Beschluss vom 18. Juni 2015, mwN).

14 Im vorliegenden Fall entschuldigte der anwesende Parteienvertreter den Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2015 "wegen Krankheit" und legte hierzu eine am 18. Februar 2015 von einer Allgemeinmedizinerin ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsmeldung vor. In dieser wird der Beginn der Arbeitsunfähigkeit mit 18. Februar 2015 datiert und der Revisionswerber bei der behandelnden Ärztin für den 20. Februar 2015 wiederbestellt. Als Grund der Arbeitsunfähigkeit wird lediglich "Krankheit" genannt; darüber hinausgehende Angaben sind in der Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht enthalten.

15 Da aus der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsmeldung die Art der Verhinderung in keiner Weise ersichtlich ist und vom Parteienvertreter hierzu vor dem VwG auch keine näheren Ausführungen getätigt wurden, kann es nicht als rechtswidrig erachtet werden, dass das VwG vom Nichtvorliegen eines triftigen Grundes für das Nichterscheinen des Revisionswerbers zur mündlichen Verhandlung ausgegangen ist. Aus der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsmeldung ist die Triftigkeit der Abwesenheit - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - jedenfalls nicht ableitbar. Das VwG durfte daher die Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers durchführen (vgl. insbesondere den hg. Beschluss vom 26. Februar 2014, 2012/02/0079, mwN).

16 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Dezember 2016

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