VwGH Ra 2016/02/0133

VwGHRa 2016/02/013324.10.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck, die Hofräte Mag. Dr. Köller, Dr. Lehofer, Dr. N. Bachler sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des V in W, vertreten durch Heinzle - Nagel Rechtsanwälte in 6900 Bregenz, Gerberstraße 4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. März 2016, Zl. VGW-031/028/359/2015-14, betreffend Übertretung der StVO (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Wien), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §5 Abs1 idF 1994/518;
StVO 1960 §5 Abs10;
StVO 1960 §5 Abs11;
StVO 1960 §5 Abs12;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs4a;
StVO 1960 §5 Abs5;
StVO 1960 §5 Abs6;
StVO 1960 §5 Abs9;
StVO 1960 §5 Abs9a idF 2005/I/052;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Revisionswerber schuldig erachtet, er habe am 28. September 2014 ein Fahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt und dadurch § 99 Abs. 1b StVO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO übertreten.

2 Über den Revisionswerber wurde eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 33 Tage und 13 Stunden) verhängt und es wurde ihm der Ersatz von Barauslagen in der Höhe von EUR 792,-- aufgetragen.

3 In der Begründung führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe des Verfahrensganges, der Angaben des Revisionswerbers und von zwei Zeugen sowie den Ausführungen des dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogenen Sachverständigen für forensische Toxikologie - teils feststellend teils beweiswürdigend - wörtlich wie folgt aus:

"Im Verfahren blieb unbestritten, dass der (Revisionswerber) zu dem im Straferkenntnis angeführten Zeitpunkt ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Zu klären war die Frage, ob er sich zu diesem Zeitpunkt in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befand.

Ausgangspunkt des gegenständlichen Verfahrens war die zum oben angeführten Zeitpunkt durchgeführte Lenker- und Fahrzeugkontrolle, die von einem Sicherheitswachebeamten und einem Amtsarzt der Landespolizeidirektion Wien durchgeführt wurde. Die bei der Lenker- und Fahrzeugkontrolle gemachten Wahrnehmungen begründeten den Verdacht, dass der (Revisionswerber) durch den Konsum von Suchtgift beeinträchtigt war. Der Umstand, dass der (Revisionswerber) Suchtgift konsumiert hat, bestätigte sich durch die vorgenommene Blutanalyse, bei der aktives THC von 1,2 ng/ml und THC-Carbonsäure von 32,9 ng/ml festgestellt wurde. Festgestellt wurde allerdings auch, dass der aktive THC-Wert mit 1,2 ng/ml im niedrigeren Bereich gelegen hat. Der Polizeiamtsarzt ist bei seiner Beurteilung, dass der (Revisionswerber) zum Lenkzeitpunkt durch Suchtgift beeinträchtigt gewesen sei, davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer ca. zwei Stunden vor dem Lenkzeitpunkt eine Cannabis-Zigarette geraucht habe. Er sah sich in dieser Annahme durch den in der Folge festgestellten THC-Wert im Blut von 1,2 ng/ml bestätigt. Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogene toxikologische Sachverständige hat jedoch festgestellt, dass der Wert von 1,2 ng/ml unabhängig von einem sonstigen Drogenkonsum nicht bestätigt, dass der Beschwerdeführer ca. zweieinhalb Stunden vor Blutabnahme eine Cannabis-Zigarette geraucht habe. In diesem Fall würde die THC-Konzentration im Bereich von 5 bis 10 ng/ml liegen. Dieses Ergebnis stützt sohin das Vorbringen des (Revisionswerbers), dass er Suchtgift zuletzt ca. 26 Stunden vor dem Lenken des Kraftfahrzeuges konsumiert hat.

Der (Revisionswerber) machte im Verfahren unterschiedliche Angaben zu seinem Cannabis-Konsum. Der Polizeiamtsarzt hielt aufgrund der Angaben des (Revisionswerbers) bei der Untersuchung fest, dass ein regelmäßiger Konsum vorgelegen hat. Im Beschwerdeschriftsatz wird dargelegt, dass der (Revisionswerber) gelegentlich Cannabis konsumiere. In der mündlichen Verhandlung hat der (Revisionswerber) angegeben, vier- bis fünfmal pro Woche vor dem Schlafengehen einen Joint geraucht zu haben. Aufgrund des zuvor Gesagten ist davon auszugehen, dass der festgestellte THC-Wert nicht auf einen zwei Stunden vor dem Lenkzeitpunkt erfolgten Konsum von Cannabis zurückzuführen ist, sondern dieser einen Grundwert darstellt, der auf dem regelmäßigen Konsum von Cannabis beruht. Nunmehr war zu klären, ob dieser Grundwert den (Revisionswerber) in einer Art beeinträchtigt hat, die ihm das Lenken des Kraftfahrzeuges verbietet. Dabei kommt den aufgrund der klinischen Untersuchung vom Polizeiamtsarzt getroffenen Feststellungen maßgebliche Bedeutung zu. Die von ihm im Protokoll über die klinische Untersuchung festgehaltenen, oben wieder gegebenen Beeinträchtigungen des (Revisionswerbers) wie verminderter Muskeltonus, Hyperventilation bei der Atmung, feines Zittern bei geschlossenen Augen, wässrig glänzende Skleren, stark erweiterte Pupillengröße, keine Lichtreaktion der Pupillen, ein deutliches Zucken rechts und links bei maximaler Auslenkung, Unsicherheit beim Stehtest, Schwanken beim Balancieren, Verwendung der Arme zum Ausbalancieren, rasches Abstellen des Fußes, Hopsen, zögerliche Ausführung des Geh- und Drehtestes, Verwendung der Arme um das Gleichgewicht zu halten, Gleichgewichtsproblem beim Umdrehen, Abweichen von der Linie, Unsicherheit beim Finger-Finger-Test (zittrig) und beim Finger-Nase-Test (Nase nicht getroffen), Vor- und Zurückschwanken des Körpers beim Romberg-Test, Eindruck von Benommenheit und verminderte Kritikfähigkeit, verminderte Konzentration (zwei bis drei gleichzeitig gestellte Aufgaben nicht richtig gelöst werden), beherrschtes, lethargisches, apathisches, verlangsamtes und gleichgültiges Verhalten, stumpfe Stimmung, gestörtes Kurzzeitgedächtnis und undeutliche weil zu langsame Sprache, werden als erwiesen angenommen. Den vom (Revisionswerber) dagegen erhobenen Einwendungen wird nicht gefolgt, da der Polizeiamtsarzt bei seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt hat, wie er - wenngleich er an die konkrete Untersuchung des (Revisionswerbers) keine Erinnerung hatte - zu den Feststellungen im Rahmen derartiger Untersuchungen gelangt. Es ergab sich kein Anhaltpunkt für die Annahme, dass er nicht Zutreffendes in das Untersuchungsprotokoll aufgenommen hat. Im Hinblick auf die festgestellten Erscheinungen und Verhaltensweisen des (Revisionswerbers), ist die vom Polizeiamtsarzt gezogene Schlussfolgerung einer Beeinträchtigung logisch nachvollziehbar.

Nunmehr war in einem weiteren Schritt zu beurteilen, worauf diese Beeinträchtigungen zurückzurufen sind. Der Polizeiamtsarzt kam auch aufgrund des erstellten Blutbefundes zum Ergebnis, dass die Ursachen in der Übermüdung und im Konsum von Suchtgift gelegen sind. Der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogene Sachverständige hat eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit auch bei dem geringen THC-Wert von 1,2 ng/ml nicht ausgeschlossen, jedoch einschränkend angemerkt, dass neben Suchtgift ein weiterer Faktor hinzukommen muss. Insoweit kommen sowohl der Polizeiamtsarzt als auch der Sachverständige zu einem übereinstimmenden Ergebnis (Übermüdung und Suchtgift).

Das Verwaltungsgericht Wien schließt sich dieser Einschätzung an und stellt daher fest, dass der (Revisionswerber) am 28.9.2014 um 2.10 Uhr in W, L-gasse 12, ein Kraftfahrzeug gelenkt hat. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem durch Suchtgift und Übermüdung beeinträchtigten Zustand.

Dem steht die Feststellung des Sachverständigen, dass üblicherweise die straßenverkehrsrelevanten Wirkungen sechs Stunden nach dem Suchtgiftkonsum abklingen und bei regelmäßigen THC-Konsumenten durch einen bestimmten Gewöhnungseffekt ein weniger auffälliges Verhalten im Straßenverkehr beobachtet wurde als bei Gelegenheitskonsumenten, nicht entgegen, da er die beim (Revisionswerber) festgestellte Stumpfheit mit dem allenfalls schon 26 Stunden vor dem Lenken des Fahrzeuges zurückliegenden Konsum in Zusammenhang gebracht hat."

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der maßgebenden Bestimmungen der StVO aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Person, die ein Fahrzeug in Betrieb nehme, obwohl sie vorher Alkohol getrunken habe, den Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO auch dann zu verantworten habe, wenn ihre Fahruntüchtigkeit unabhängig von der Menge des genossenen Alkohols auf Grund irgendwelcher zusätzlicher Komponenten eingetreten sei. Die Strafbarkeit sei also auch dann gegeben, wenn die genossene Alkoholmenge für sich allein noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte, ja selbst bei Überwiegen anderer Ursachen. Im Revisionsfall stehe fest, dass die Fahruntüchtigkeit nicht ausschließlich auf die Übermüdung, sondern auf diese im Zusammenwirken mit einer Beeinträchtigung durch Suchtgift zurückzuführen sei. Der Revisionswerber habe daher das Fahrzeug nicht lenken dürfen.

5 Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht unter anderem aus, dass beim Revisionswerber drei zum Tatzeitpunkt rechtskräftige einschlägige Verwaltungsvorstrafen - nach der Aktenlage Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO - erschwerend wirken würden, während keine Milderungsgründe zum Tragen kämen. Die bis dato geringeren Strafen seien nicht geeignet gewesen, den Revisionswerber wirksam von der Begehung gleichartiger Verwaltungsübertretungen abzuhalten, weshalb die verhängte Geldstrafe nicht überhöht sei. Auch ungünstige Einkommens- oder Vermögensverhältnisse wären nicht geeignet, eine Herabsetzung der Strafe zu bewirken.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

7 Die mitbeteiligte Partei hat von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand genommen.

 

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Als zulässig erachtet der Revisionswerber die Revision unter anderem, weil bei Beeinträchtigungen durch Suchtgift Rechtsprechung zum Verhältnis der Beweisergebnisse der klinischen Untersuchung zum Ergebnis der Blutanalyse fehle.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zwar im Erkenntnis vom 25. Oktober 2013, Zl. 2013/02/0003, in einem Fall der Verweigerung der Verbringung zu einem Arzt zur Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Suchtgift mit der Frage befasst, unter welchen Umständen gemäß § 5 Abs. 9 StVO vermutet werden kann, dass sich eine Person in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet. Die im vorliegenden Verfahren entscheidende Frage, ob eine allenfalls die Fahrtüchtigkeit für sich allein nicht ausschließende Beeinträchtigung durch Suchtgift bei Hinzutreten weiterer Faktoren - konkret einer Übermüdung - einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gemäß § 5 Abs. 1 StVO begründet, hat der Verwaltungsgerichtshof - soweit überblickbar - bislang jedoch noch nicht beantwortet. Die Revision ist daher zulässig, aus nachfolgenden Gründen aber nicht berechtigt:

11 § 5 Abs. 1 StVO in der seit der 19. StVO-Novelle (BGBl. Nr. 518/1994) unverändert gebliebenen Fassung lautet:

"Wer sich in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand befindet, darf ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber gilt der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt."

12 Gemäß § 99 Abs. 1b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 800 EUR bis 3700 EUR, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.

13 Bei einer Beeinträchtigung durch Alkohol geht der Gesetzgeber demnach ab einem bestimmten Alkoholgehalt des Blutes oder der Atemluft jedenfalls von einer Fahruntüchtigkeit des Lenkers aus.

14 Der Alkoholgehalt kann zunächst gemäß § 5 Abs. 2 StVO anhand der Atemluft festgestellt werden. Hat diese Untersuchung keinen den gesetzlichen Grenzwert gemäß Abs. 1 erreichenden Alkoholgehalt ergeben oder war die Untersuchung aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich, besteht aber der Verdacht der Alkoholisierung, ist der Lenker nach § 5 Abs. 5 StVO zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol einer ärztlichen Untersuchung zuzuführen, die er zu dulden hat. Weiter ist die Blutabnahme zum Zweck der Bestimmung des Alkoholgehaltes vorgesehen, wenn die Bedienung des Alkomaten aus in der Person des Probanden gelegenen Gründen nicht möglich war (§ 5 Abs. 4a iVm Abs. 6 StVO).

15 Durch die angeführte 19. StVO-Novelle wurde im § 5 Abs. 1 StVO neben Alkohol erstmals ausdrücklich auch Suchtgift als eine die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Substanz genannt. In den Erläuterungen dazu heißt es (1580 Blg NR XVIII. GP):

"Mit der Neufassung soll klargestellt werden, daß eine Person auch bei Nichterreichen des gesetzlichen Grenzwertes vom Alkohol beeinträchtigt sein kann, wenn die entsprechenden Alkoholisierungssymptome vorliegen (sog. ‚Minderalkoholisierung').

Des weiteren soll klargestellt werden, daß auch bei einer Beeinträchtigung durch Suchtgift die Inbetriebnahme oder das Lenken eines Fahrzeuges verboten ist."

16 Während der Gesetzgeber bei einer Alkoholisierung ab einem bestimmten Alkoholgehalt des Blutes oder der Atemluft jedenfalls von einer Fahruntauglichkeit des Lenkers ausgeht, fehlt eine solche Grenze bei einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand. Regelungen für Lenker, von denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden, finden sich in § 5 Abs. 9 bis 12 StVO.

17 Maßgebend sind hier § 5 Abs. 9, der durch die Novelle BGBl. I Nr. 52/2005 neu eingefügte Abs. 9a sowie Abs. 10 StVO mit folgendem Wortlaut:

"(9) Die Bestimmungen des Abs. 5 gelten auch für Personen, von denen vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand befinden; wer zum Arzt gebracht wird, hat sich der Untersuchung zu unterziehen. Die in Abs. 5 genannten Ärzte sind verpflichtet, die Untersuchung durchzuführen.

(9a) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, den Speichel von in Abs. 2 und 2b genannten Personen auf das Vorliegen von Suchtgiftspuren zu überprüfen, sofern zwar keine Vermutung im Sinne des Abs. 9 vorliegt, aber vermutet werden kann, dass sie sich nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befinden oder zum Zeitpunkt des Lenkens befunden haben, in der sie ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermögen. Die Überprüfung des Speichels ist mit Speichelvortestgeräten oder -streifen, die das Vorliegen von Suchtgiftspuren im Speichel anzeigen, vorzunehmen. Ergibt die Überprüfung des Speichels das Vorliegen von Suchtgiftspuren oder wird die Überprüfung verweigert, so gilt dies als Vermutung der Beeinträchtigung durch Suchtgift. Diesfalls haben die genannten Organe gemäß Abs. 9 vorzugehen; andernfalls hat ein Vorgehen gemäß Abs. 9 zu unterbleiben.

(10) (Verfassungsbestimmung) An Personen, die gemäß Abs. 9 zu einem Arzt gebracht werden, ist nach Feststellung einer Beeinträchtigung, die auf eine Suchtgifteinnahme schließen lässt, eine Blutabnahme vorzunehmen. Die Betroffenen haben die Blutabnahme vornehmen zu lassen."

18 In den Erläuterungen zur genannten Novelle (859 Blg NR XXII. GP) heißt es zu § 5 Abs. 9a StVO:

"Organe der Straßenaufsicht können auf Grund ihrer Ausbildung und Erfahrung zwar oftmals erkennen, dass die Vermutung nahe liegt, dass sich ein Fahrzeuglenker nicht in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag; jedoch ist es, wenn eine durchgeführte Überprüfung oder Untersuchung der Atemluft keinen relevanten Hinweis auf eine Beeinträchtigung durch Alkohol ergibt, für das Straßenaufsichtsorgan oft schwierig, den Grund für die vermutete Beeinträchtigung zu erkennen. Dieser Grund kann zum einen von Suchtgiftkonsum herrühren, zum anderen aber in sonstiger Suchtmitteleinnahme, Konsum von Psychopharmaka oder sonstigen die Fahrweise beeinträchtigenden Medikamenten oder z.B. in bloßer Übermüdung gelegen sein. Eine Beeinträchtigung durch Suchtgift zieht andere verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen (Übertretung des Abs. 1) nach sich als eine sonstige Beeinträchtigung (Übertretung des § 58 Abs. 1); weiters sind an eine Beeinträchtigung durch Suchtgift strengere führerscheinrechtliche Folgen geknüpft. Um einer Gefährdung der Verkehrssicherheit durch Suchtgiftlenker wirksamer entgegenzutreten, soll ein Speichelvortest den Organen der Straßenaufsicht die Möglichkeit geben, die nicht spezifizierte Vermutung einer allfälligen Beeinträchtigung bereits bei der Kontrolle im Hinblick auf Suchtgift zu erhärten oder aber zu entkräften. Werden im Speichel Suchtgiftspuren vorgefunden, so ist daher der Proband gem. Abs. 9 dem Arzt vorzuführen; dieser hat auf Grund des Vortests im Zuge der Untersuchung die Möglichkeit, sich mit den für das durch den Vortest indizierte Suchtgift typischen Symptomen und Verhaltensweisen im Zuge der Befunderstellung genauestens auseinanderzusetzen. Ebenso scheint es gerechtfertigt, eine Verweigerung des Vortests als Vermutung einer Suchtgiftbeeinträchtigung gelten zu lassen, gibt es doch andernfalls keinen Grund für eine Verweigerung; auch in diesem Fall aber ist für die Feststellung einer Suchtgiftbeeinträchtigung die Untersuchung durch den Arzt entscheidend."

19 Ein Vortestgerät zur Feststellung von Suchtgiftspuren stand zum Tatzeitpunkt nicht in Verwendung.

20 Ergeben sich für die Organe der Straßenaufsicht sonst Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung durch Suchtgift, kann der Lenker zum Arzt gebracht werden (§ 5 Abs. 9 StVO), der eine klinische Untersuchung durchführt und im Falle der Feststellung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift gemäß § 5 Abs. 10 StVO eine Blutabnahme vorzunehmen hat.

21 Wesentliches Beweisergebnis für die Annahme einer Beeinträchtigung durch Suchtgift ist nach geltender Rechtslage das Ergebnis der klinischen Untersuchung durch den Arzt. Die Blutanalyse dient allenfalls der Bestätigung der ärztlichen Feststellung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift.

22 Wird auf Grund dieser Maßnahmen eine Beeinträchtigung durch Suchtgift, die zur Fahruntüchtigkeit führt, festgestellt, verstieß das Lenken oder Inbetriebnehmen des Fahrzeuges gegen § 5 Abs. 1 StVO.

23 Im vorliegenden Fall wendet sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision gegen die Annahme einer Beeinträchtigung durch Suchtgift mit dem Argument, die THC-Konzentration sei lediglich ein "Grundwert" und der Konsum stehe in keinem zeitlichen Zusammenhang mit dem Lenken. Dazu ist auf Folgendes zu verweisen:

24 Nach ständiger Rechtsprechung zu § 5 Abs. 1 StVO hat eine Person im Falle der Feststellung einer Alkoholisierung den Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO auch dann zu verantworten, wenn ihre Fahruntüchtigkeit unabhängig von der Menge des genossenen Alkohols auf Grund irgendwelcher zusätzlicher Komponenten eingetreten ist. Die Strafbarkeit ist also auch dann gegeben, wenn die getrunkene Alkoholmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte (vgl. das Erkenntnis vom 27. April 2012, Zl. 2009/02/0373, mwN).

25 Für eine unterschiedliche Behandlung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift und einer Beeinträchtigung durch Alkohol besteht kein Anlass. Gemäß § 5 Abs. 1 StVO kommt es nicht darauf an, ob eine die Fahruntüchtigkeit begründende Beeinträchtigung auf Alkohol- oder Suchtgiftkonsum zurückzuführen ist. Das Gesetz pönalisiert beide Zustände in derselben Weise, beide Tatbestände haben denselben Unrechtsgehalt und unterliegen derselben Strafdrohung.

26 Die zitierte Rechtsprechung ist daher auch im Falle einer Beeinträchtigung durch Suchtgift anzuwenden. Für die Annahme des Tatbildes des § 5 Abs. 1 StVO genügt es daher, dass die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern noch auf weitere Ursachen (wie etwa Ermüdung, Krankheit, Medikamenteneinnahme) zurückzuführen ist. Die Strafbarkeit ist also auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte.

27 Für den Revisionsfall bedeutet dies, dass das Verwaltungsgericht der zitierten Rechtsprechung folgend angesichts des festgestellten Suchtgiftgehaltes im Blut des Revisionswerbers in Verbindung mit einer Übermüdung zutreffend vom Lenken des Revisionswerbers in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand, das im Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO seine Entsprechung findet, ausgegangen ist.

28 Hinsichtlich der Strafbemessung wirft der Revisionswerber keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen auf, die vom Verwaltungsgericht - insbesondere im Hinblick auf drei einschlägige Vorstrafen - in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze beantwortet wurden (vgl. das Erkenntnis vom 18. Dezember 2015, Ra 2015/02/0172, mwN).

29 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 24. Oktober 2016

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