VwGH Ra 2015/22/0115

VwGHRa 2015/22/011512.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofräte Dr. Robl und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Lechner, in der Revisionssache des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, in 1200 Wien, Dresdner Straße 93, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 25. Juni 2015, Zlen. VGW-151/064/2715/2015-12 und VGW-151/064/2716/2015-12, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Parteien: A M und M M in W, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Mag. Wilfried Embacher, Dr. Thomas Neugeschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §28 Abs2;
VwGVG 2014 §28 Abs3;
VwGVG 2014 §28 Abs4;
VwGVG 2014 §28 Abs5;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit Bescheiden des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Jänner 2015 wurden die Anträge der mitbeteiligten Parteien (beide sind armenische Staatsangehörige, der Erstmitbeteiligte ist der Sohn des Zweitmitbeteiligten) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" abgewiesen, "da gegen Sie eine Ausweisung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 11 Abs. 3 ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorgekommen ist." Als Rechtsgrundlage wurde § 44b Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) angeführt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien den dagegen erhobenen Beschwerden der mitbeteiligten Parteien gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG statt, behob die bekämpften Bescheide und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht ging davon aus, die belangte Behörde habe entgegen der Formulierung im Spruch ("abgewiesen") keine Abweisung, sondern eine Zurückweisung der Anträge der mitbeteiligten Parteien vorgenommen. Dies begründete es mit dem Zitieren des § 44b Abs. 1 Z 1 NAG als Rechtsgrundlage, mit dem im Spruch erfolgten Abstellen darauf, es sei aus dem begründeten Antragsvorbringen kein maßgeblich geänderter Sachverhalt hervorgekommen, sowie mit näher dargestellten Ausführungen in der Begründung der bekämpften Bescheide. Da - ausgehend davon - Gegenstand der Beschwerdeverfahren nur die verfahrensrechtliche Entscheidung (Zurückweisung) sei, würde eine erstmalige Sachentscheidung den Verfahrensgegenstand überschreiten. Angesichts dessen, dass sich die mitbeteiligten Parteien zum Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften Bescheide durchgehend seit neun Jahren (insgesamt seit fast zehn Jahren) und um drei Jahre länger als zum Zeitpunkt der Ausweisungen im Bundesgebiet aufgehalten hätten, sowie angesichts diverser Anhaltspunkte für eine erfolgte Integration liege eine im Hinblick auf Art. 8 EMRK maßgebliche Sachverhaltsänderung vor und es sei eine Neubeurteilung erforderlich. Die vorgenommenen Zurückweisungen seien daher rechtswidrig.

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

In der Begründung der Zulässigkeit der Revision verweist die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063. Darin habe der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass § 28 Abs. 4 VwGVG auch für den Fall der Ermessensübung durch die Verwaltungsbehörde eine Aufhebung des bekämpften Bescheides samt Zurückverweisung nur dann vorsehe, wenn die Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG nicht vorlägen. § 28 VwGVG normiere für die überwiegende Anzahl der Fälle die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, in der Sache selbst zu entscheiden. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes weiche daher von den gesetzlichen Vorgaben und von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

Entgegen der Annahme des Revisionswerbers hat das Verwaltungsgericht die Rechtssachen nicht (gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG) an die Behörde zurückverwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass, wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Dezember 2014, Ra 2014/07/0002, 0003, und vom 23. Juni 2015, Ra 2015/22/0040, sowie den hg. Beschluss vom 16. September 2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084, alle mwN). Ausgehend davon, dass das Verwaltungsgericht die bekämpften Bescheide als bloße Zurückweisungen der Anträge der mitbeteiligten Parteien angesehen hat (gegen diese Annahme wird im Rahmen der Begründung der Zulässigkeit der Revision nichts vorgebracht), hat es zu Recht nur über die Rechtmäßigkeit der Zurückweisungen abgesprochen und diesbezüglich eine (negative) Sachentscheidung in Form einer Behebung der bekämpften Bescheide getroffen (vgl. allgemein dazu das hg. Erkenntnis vom 29. April 2015, 2013/08/0136, und zu den Rechtsfolgen der Behebung § 28 Abs. 5 VwGVG). Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über die zugrunde liegenden Anträge hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten.

Mit der dargelegten Zulässigkeitsbegründung zeigt die Revision somit keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 12. Oktober 2015

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