VwGH Ra 2015/09/0097

VwGHRa 2015/09/00976.9.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Höhl, über die außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 21. Juli 2015, Zl. VGW- 171/083/1328/2015-7, betreffend disziplinarrechtlichen Freispruch nach der Wiener Dienstordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission der Stadt Wien; mitbeteiligte Partei: Ing. A B in W, vertreten durch die Dr. Obermayer Rechtsanwalt GmbH in 1030 Wien, Disslergasse 1/Top 2; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGVG 2014 §24;

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien und ist in der Magistratsabteilung X (in der Folge: MA) als Fachbeamter des technischen Dienstes tätig.

2 Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission der Stadt Wien vom 18. Dezember 2014 wurde der Mitbeteiligte von den Vorwürfen, er habe es als Fachbeamter des technischen Dienstes der MA unterlassen,

I.) gegenüber den Parteien ein höfliches und hilfsbereites Verhalten an den Tag zu legen und im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, indem er am 26. November 2013 Herrn K, Vertreter der X AG, in einem näher bezeichneten Bauverfahren zur Bewilligung eines Parkplatzes

1. nachdem ihm dieser die im Verfahren geforderte Begründung nach § 71 der Bauordnung für Wien vorgelegt und er ihm mitgeteilt habe, dass er die Begründung so nicht weiter geben könne, auf dessen Nachfrage, was an der Begründung falsch sei bzw. was fehle, geantwortet habe, dass er das schon selber wissen müsse, dass es schon immer ein Problem der X AG gewesen sei, ordentliche Begründungen zu verfassen und dem Einwand von Herrn K, dass die Begründung der Wahrheit entspreche, entgegnet habe "die Wahrheit führt aber oft nicht zum Ziel",

2. als ihm dieser die im Verfahren geforderte Verkehrsuntersuchung mit dem Hinweis vorgelegt habe, es fänden sich darin die in der Begründung nach § 71 der Bauordnung für Wien fehlenden Argumente, vorgeworfen habe, trotz dreimaliger Belehrung offensichtlich nicht Willens zu sein, ihn zu verstehen, wobei er die Verkehrsuntersuchung überhaupt nicht gelesen habe und

3. auf dessen Frage, wie die X AG nun weiter vorgehen soll, geantwortet habe, dass er die vorgelegten Beilagen bei der Einlaufstelle einzureichen habe, dass er die gesamte Einreichung aber sicherlich ablehnen werde, sowie

II.) die ihm übertragenen Geschäfte unter Beachtung der bestehenden Rechtsvorschriften mit Sorgfalt, Fleiß und Unparteilichkeit zu besorgen und im Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte, sowie gegen das Verbot verstoßen, sich und seinen Angehörigen Geschenke oder sonstige Vorteile, die mit der dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, zuwenden oder zusichern zu lassen, indem er am 28. November 2013 von Herrn K bei einem Termin im Zuge des genannten Bauverfahrens insofern einen Vorteil gefordert habe, als er diesen darauf angesprochen habe, bereits vor 10 Jahren X-Küchengeräte gekauft zu haben, dass seine Tochter etwas bräuchte, ob er diesbezüglich etwas für ihn tun könne und auf den Hinweis von Herrn K, sich zu erkundigen, ob es bei einem näher genannten Geschäft auch für Gemeindebedienstete Rabatte gäbe, gesagt habe "aber ich bekomme ja nicht diese 30-40 Prozent so wie Sie",

wodurch er zu I.) § 18 Abs. 2 der Dienstordnung 1994 (DO 1994) und zu II.) § 18 Abs. 1 erster Satz, § 18 Abs. 2 zweiter Satz und § 18 Abs. 3 erster Satz DO 1994 verletzt habe, gemäß § 103 Abs. 2 iVm § 97 Abs. 1 Z 2 DO 1994 freigesprochen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde eine dagegen von der Disziplinaranwältin der Stadt Wien erhobene Beschwerde abgewiesen und das Erkenntnis der belangten Behörde bestätigt. Die Revision wurde nicht zugelassen.

4 In der Begründung seiner Entscheidung führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges und wörtlicher Wiedergabe u.a. der Aussagen des Mitbeteiligten und des Zeugen K in der Verhandlung vor der belangten Behörde sowie der beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde zusammengefasst aus, gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG sei im Administrativverfahren eine Verhandlung zwingend durchzuführen, wenn sie in der Beschwerde beantragt werde oder wenn sie das Verwaltungsgericht für erforderlich halte. In der vorliegenden Beschwerde sei keine mündliche Verhandlung beantragt worden, auch das Verwaltungsgericht halte eine solche aufgrund des feststehenden Sachverhaltes für nicht erforderlich. Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt sei von der Verwaltungsbehörde durch Einvernahme des bei den Gesprächen alleine anwesenden Zeugen K und der zwei Vorgesetzen des Mitbeteiligten vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden und weise immer noch die gebotene Aktualität und Vollständigkeit aus. Neue Tatsachen oder Beweismittel seien in der Beschwerde nicht vorgebracht worden. Die Verwaltungsbehörde habe die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt; das Verwaltungsgericht teile deren tragende Erwägungen. In der Beschwerde sei kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet worden. Die Beschwerde wende sich im Wesentlichen gegen die Würdigung der Aussage des Zeugen K durch die belangte Behörde. Es liege weder ein neuer Sachverhalt vor noch sei eine Rechtsfrage in einer mündlichen Verhandlung zu klären. Ein unsubstanziiertes Bestreiten des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes könne außer Betracht bleiben. Es habe daher von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden können.

5 Gemäß § 103 DO 1994 sei im Disziplinarverfahren der Unmittelbarkeitsgrundsatz festgelegt. Das Vorbringen der Revisionswerberin, wonach der Mitbeteiligte bei seiner Vernehmung vor der Magistratsabteilung 2 andere Aussagen als vor der belangten Behörde gemacht habe, gehe insofern ins Leere. Der Beschwerde sei der Erfolg zu versagen, weil die Beweiswürdigung der belangten Behörde in unsubstanziierter Weise bestritten werde. Die Revisionswerberin bringe keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vor; auf das Wesentliche zusammengefasst enthalte die Beschwerde das Vorbringen, dass die Aussage des Zeugen K glaubwürdiger sei als die des Mitbeteiligten. Die belangte Behörde habe in ihrem Erkenntnis jedoch die Aussagen in der mündlichen Verhandlung gegenübergestellt und eine Würdigung vorgenommen. Sie habe die Aussage des Zeugen K dahin gewürdigt, dass dieser sich beim Gespräch am 26. November 2013 zwar offenbar über den Mitbeteiligten geärgert habe, jedoch die zitierte Aussage des Mitbeteiligten keine im Rahmen eines Disziplinarverfahrens zu ahndende Dienstpflichtverletzung darstelle. Weiters gehe die belangte Behörde davon aus, dass es aufgrund der Aussagen der beiden Vorgesetzten des Mitbeteiligten nicht dessen Aufgabe gewesen sei, ein Verkehrsgutachten selbst zu beurteilen. Aus diesem Grund könne auch die entsprechende Tatanlastung in diesem Punkt keine Dienstpflichtverletzung darstellen.

Die belangte Behörde berücksichtige auch, dass die beiden Vorgesetzten ausgesagt hätten, der Mitbeteiligte habe eine herbe Ausdrucksweise und versuche, sehr sachlich, aber überdurchschnittlich laut zu sprechen, was viele als unhöflich und wenig hilfsbereit empfänden. Dazu führe die belangte Behörde aus, dass es durchaus vorstellbar sei, dass diese Verhaltensweisen des Mitbeteiligten dem Zeugen K bei beiden Gesprächen besonders unangenehm aufgefallen und von diesem als unangemessen und unhöflich empfunden worden seien. Weiter stelle die belangte Behörde fest, dass es angesichts des Beweisverfahrens nicht feststehe, dass der Mitbeteiligte einen Vorteil aktiv gefordert habe. Auch der Zeuge K habe dies nicht ausgesagt, er habe bei seiner Einvernahme vor der belangten Behörde sein Gedächtnisprotokoll zu Hilfe nehmen müssen. Bei Durchsicht dieses Gedächtnisprotokolls sei festzustellen, dass dieses auch Gedanken des Zeugen K enthalte. Nicht zu Unrecht habe daher die belangte Behörde die Aussage des Zeugen K entsprechend gewürdigt. Weiters beziehe sie in ihrer Beweiswürdigung ein, dass die Staatsanwaltschaft Wien die Aussage des Zeugen K nicht als Anlass für weitere Ermittlungen gesehen habe.

6 Die von der belangten Behörde durchgeführten Beweiserhebungen seien umfassend, auch die Revisionswerberin bringe in ihrer Beschwerde keine weiteren Beweismittel vor. Der Sachverhalt sei somit auf Grund der durchgeführten Zeugeneinvernahmen durch die belangte Behörde und durch die Befragung des Mitbeteiligten in der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß ermittelt worden; auch die Beweiswürdigung sei schlüssig. Da die Begründung der Beweiswürdigung mängelfrei erfolgt sei, sei die Beschwerde abzuweisen gewesen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Disziplinaranwältin der Stadt Wien.

8 Das Verwaltungsgericht Wien legte die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.

9 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung. Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich erachtet, obwohl in der Beschwerde substanziierte Bedenken gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde vorgebracht worden seien. Das Verwaltungsgericht habe sein pflichtgemäßes Ermessen nicht richtig geübt. Zudem habe es § 103 Abs. 1 DO 1994 unrichtig ausgelegt, da es diese Bestimmung als Begründung dafür herangezogen habe, die vom Mitbeteiligten außerhalb der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde gemachten Aussagen für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit bzw. die Beweiswürdigung (gemeint wohl:) nicht heranzuziehen.

13 Die Revision ist zulässig und begründet.

14 Das Verwaltungsgericht stützt sein Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf § 24 Abs. 1 VwGVG. Ein Fall des § 90 Z. 2 DO 1994, wonach das Verwaltungsgericht zusätzlich zu den in § 24 VwGVG genannten Fällen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn die Beschwerde sich nur gegen die Strafart, die Höhe der Geldbuße oder der Geldstrafe oder gegen die Auferlegung des Kostenersatzes richtet, lag dem Verwaltungsgericht nicht vor.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 24 VwGVG bereits festgehalten, dass sich die bisher zu § 67d AVG (in der bis 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) ergangene Rechtsprechung auf das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erster Instanz insoweit übertragen lässt, als sich die diesbezüglichen Vorschriften weder geändert haben noch aus systematischen Gründen sich eine geänderte Betrachtungsweise als geboten darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2014, Ra 2014/20/0017, 0018). Ausgehend davon wurde für die Auslegung des § 24 Abs. 1 VwGVG die zu § 67d Abs. 1 AVG ergangene Rechtsprechung für maßgeblich angesehen. Demnach hat das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. September 2014, Ro 2014/09/0049). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substanziiert bekämpft und/oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird (vgl. nochmals das erwähnte Erkenntnis vom 9. September 2014 und zur Verhandlungspflicht das hg. Erkenntnis vom 21. April 2015, Ra 2015/09/0009).

16 Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei in der Beschwerde bloß in unsubstanziierter Weise bestritten worden, trifft nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu. Die Beschwerde der Revisionswerberin wendet sich insofern nämlich insbesondere gegen die - die Beweiswürdigung tragende - Beurteilung der Aussagen bzw. des Aussageverhaltens des Zeugen K durch die belangte Behörde und versucht darzulegen, warum dessen Aussagen vor dem Hintergrund der divergierenden Angaben des Mitbeteiligten und der weiteren Zeugenaussagen zu folgen gewesen wäre. So wird etwa vorgebracht, soweit die belangte Behörde sich darauf stütze, dass der Zeuge K Objektivität vermissen lasse, weil das Gedächtnisprotokoll eine "sehr subjektive und überspitzte" Darstellung enthalte und der Zeuge vor der Beantwortung von Fragen in seinem Gedächtnisprotokoll nachlesen habe müssen, sei dem entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde damit die Stellung eines Zeugen bzw. die Anforderung an ein Gedächtnisprotokoll verkenne. Es gehe dabei ausschließlich um subjektiv gemachte Wahrnehmungen; an ein Gedächtnisprotokoll seien keine Anforderungen wie an ein amtliches, neutrales Schriftstück zu stellen. Darin zum Ausdruck gebrachte Emotionen bzw. Interpretationen bekräftigten nur das angelastete unhöfliche und korrupte Verhalten. Es sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde lebensnah, dass sich ein Zeuge nach über einem Jahr nicht mehr an einen genauen Wortlaut erinnern könne und deswegen im Gedächtnisprotokoll, das er unmittelbar danach angefertigt habe, nachlese. Der Umstand, dass sich der Zeuge K geärgert habe, schmälere nicht seine Glaubwürdigkeit, sondern lege nahe, dass es einen Grund dafür geben müsse; dies sei eben das unhöfliche und korrupte Verhalten. Der Ärger sei auch nicht mit der Ablehnung des Ansuchens begründbar, zumal der Zeuge K angegeben habe, dass die Bewilligung am Ende des Gesprächs vom Mitbeteiligten in Aussicht gestellt und in der Folge auch erteilt worden sei.

17 Zudem habe der Mitbeteiligte zunächst bestritten, den Zeugen K auf Rabatte angesprochen zu haben, in einer nachfolgenden Eingabe aber zugestanden, das Gespräch "aufgrund des guten Gesprächsklimas an jenem Tag" auf Rabatte gelenkt zu haben, dabei aber betont, dass er das Angebot des Zeugen K, sich zu erkundigen, ob es für Gemeindebedienstete Rabatte gäbe, nicht benötige, weil er dies über die Gewerkschaft leicht erfragen könne. In der Verhandlung vor der belangten Behörde habe der Mitbeteiligte sein Ansprechen der Rabatte dann damit begründet, dass er kurz zuvor ein E-Mail der Gewerkschaft, wonach man Gutscheine bestellen könne, bekommen habe. Diese Verantwortungen seien unterschiedlich, widersprüchlich und lebensfremd. Auch das Gesamtverhalten des Mitbeteiligten, zunächst über einen längeren Zeitraum ein extrem ablehnendes Verhalten und dann plötzlich ein extremes Entgegenkommen bei gleichzeitigem Ansprechen von Rabatten zu zeigen, lasse auf eine Absicht, aus der Zusage der Bewilligung persönliche Vorteile ziehen zu wollen, schließen. Auch sei aus dem Ablauf des Gesprächs, wie dies vom Zeugen K angegeben worden sei, eindeutig eine Rabattforderung des Mitbeteiligten abzuleiten.

18 Davon ausgehend ist nicht zu ersehen, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde in der Beschwerde bloß in unsubstanziierter Weise bestritten worden wäre. Dass in der Beschwerde keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht wurden, ist nicht von Belang, geht es im vorliegenden Fall doch um die beweiswürdigende Beurteilung widersprechender Behauptungen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aber bereits darauf hingewiesen, dass es gerade im Fall widersprechender prozessrelevanter Behauptungen zu den grundlegendsten Pflichten des Verwaltungsgerichtes gehört, dem auch in § 24 VwGVG verankerten Unmittelbarkeitsprinzip Rechnung zu tragen und sich als Gericht einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien zu verschaffen und insbesondere darauf seine Beweiswürdigung zu gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 2015, Ra 2015/08/0101).

19 Soweit das Verwaltungsgericht die von der Revisionswerberin in ihrer Beschwerde ins Treffen geführten Aussagedivergenzen des Mitbeteiligten unter Bezugnahme auf § 103 DO 1994 "als ins Leere gehend" beurteilt, wird nicht dargelegt, warum frühere Angaben des Mitbeteiligten im Sinne des § 103 Abs. 1 DO 1994 als in der mündlichen Verhandlung nicht vorgekommen zu behandeln gewesen wären. Nach Ausweis der vorgelegten Akten wurde in der Verhandlungsschrift über die Verhandlung vor der belangten Behörde am 10. Dezember 2014 festgehalten, dass "der gesamte Akteninhalt als verlesen" gelte. Darlegungen, warum dies auf aktenkundige Aussagen des Mitbeteiligten bei seiner Einvernahme vor der Magistratsdirektion der Stadt Wien am 19. Dezember 2013 nicht zutrifft, sind dem angefochtenen Erkenntnis nicht zu entnehmen.

20 Indem das Verwaltungsgericht Wien somit die gebotene Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterlassen hat, hat es Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung es zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 6. September 2016

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