Normen
AVG §13 Abs2;
AVG §13 Abs5;
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art144 Abs3;
GOG §89d Abs2 idF 2012/I/012;
VerfGG 1953 §14a Abs1 Z1;
VerfGG 1953 §14a Abs3;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §25a Abs5;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
AVG §13 Abs2;
AVG §13 Abs5;
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art144 Abs3;
GOG §89d Abs2 idF 2012/I/012;
VerfGG 1953 §14a Abs1 Z1;
VerfGG 1953 §14a Abs3;
VwGG §24 Abs1;
VwGG §25a Abs5;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §26 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
Die Revisionswerberin erhob gegen das eingangs genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 15. Juni 2015, E 175/2015-5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser Beschluss wurde am 24. Juli 2015 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs der Revisionswerberin übermittelt und "bereitgestellt" (vgl. den diesbezüglichen Vermerk auf S. 1 dieses Beschlusses).
Am 7. September 2015 erhob die Revisionswerberin unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof mittels Telefax eine außerordentliche Revision gegen das genannte Erkenntnis, die im Hinblick auf § 24 Abs. 1 und § 25a Abs. 5 VwGG mit hg. Verfügung vom 10. September 2015 zuständigkeitshalber dem Verwaltungsgericht übermittelt wurde.
Ferner übermittelte die Revisionswerberin die Revision am 7. September 2015 auch dem Verwaltungsgericht, und zwar per E-Mail um 20.04 Uhr und per Telefax um 20.27 Uhr.
Mit Schreiben vom 24. September 2015 legte das Verwaltungsgericht die Revision unter Anschluss der Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vor.
Mit hg. Verfügung vom 30. September 2015 wurde der Revisionswerberin unter Hinweis auf die Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes vom 9. Jänner 2015 betreffend die Festsetzung der Amtsstunden und der für den Parteienverkehr bestimmten Zeit (u.a.) vorgehalten, dass die dem Verwaltungsgericht am 7. September 2015 außerhalb der Amtsstunden übermittelte Revision verspätet erhoben worden sei, und ihr Gelegenheit geboten, sich zu dieser Annahme zu äußern. Diese Verfügung wurde der Revisionswerberin am 8. Oktober 2015 zugestellt.
Mit dem vorliegenden, an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Schriftsatz vom 22. Oktober 2015, der am selben Tag zur Post gegeben wurde, stellte die Revisionswerberin den Antrag, ihr zur Erhebung der außerordentlichen Revision gegen das genannte Erkenntnis die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, weil sie durch ein unabwendbares, unvorhergesehenes und entschuldbares Ereignis an der rechtzeitigen Erhebung der außerordentlichen Revision gehindert worden sei. Dazu brachte sie im Wesentlichen vor, dass sich der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 26 VwGG des Verwaltungsgerichtes als Einlaufstelle bediene und ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht vorgesehen sei. Weder auf der Homepage des Verwaltungsgerichtshofes noch im VwGG finde sich irgendein Hinweis darüber, dass für den Verwaltungsgerichtshof subsidiär nicht das VwGG, sondern eine Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes gelten könnte. Es sei für den Revisionsvertreter auf Grund dessen Kenntnisse aus jahrelanger Praxis, dass Revisionen bis 24.00 Uhr des letzten Tages des Fristlaufes rechtzeitig erhoben werden könnten, denkunmöglich und verfassungswidrig, dass sich auf Grund der Änderungen durch die Einführung von Verwaltungsgerichten und deren Heranziehung "als auswärtige Einlaufstellen" durch den Verwaltungsgerichtshof der Präsident jedes einzelnen Verwaltungsgerichtes, des Bundesverwaltungsgerichtes und des Bundesfinanzgerichtes eine eigene Frist in gleichartig gelagerten Angelegenheiten schaffen könnte. Dies wäre verfassungswidrig. Es sei denkunmöglich, dass das im Einzelfall nach dem VwGG anzuwendende, lediglich subsidiär geltende AVG die Möglichkeit schaffen könnte, eine vom VwGG bereits fix festgesetzte Frist bzw. ein fix festgesetztes Fristende durch Kundmachungen oder Verordnungen abzuändern bzw. zu "overrulen". Des Weiteren sei der Verwaltungsgerichtshof keine Behörde im Sinne des § 13 Abs. 5 AVG, und es sei daher diese Gesetzesbestimmung für Eingaben an ihn nicht beachtlich. § 13 Abs. 5 AVG sei verfassungswidrig, weil er Rechtsunsicherheit anstelle Rechtseinheit schaffe.
Insgesamt sei der Revisionsvertreter seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen, weil er die notwendigen Recherchen gemacht und die richtigen Gesetze angewendet habe. Er sei äußerst gewissenhaft im Umgang mit seiner Verantwortung im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen und Tagsatzungen, und ein derartiges Versehen - das Versäumen der Erhebung einer Revision - sei ihm noch nie passiert. Es liege daher kein Verschulden bzw. nur ein Verschulden minderen Grades vor, das eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindere.
Mit dem Wiedereinsetzungsantrag führte die Revisionswerberin (neuerlich) die Revision gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes aus.
Denselben Schriftsatz vom 22. Oktober 2015 richtete die Revisionswerberin auch an das Verwaltungsgericht, das diesen mit Schreiben vom 23. Oktober 2015 im Nachhang vorlegte.
II.
§ 46 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10/1985, idF BGBl. I Nr. 33/2013 lautet auszugsweise:
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand |
§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist und der Frist zur Stellung eines Vorlageantrages ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil das anzufechtende Erkenntnis, der anzufechtende Beschluss oder die anzufechtende Revisionsvorentscheidung fälschlich einen Rechtsbehelf eingeräumt und die Partei den Rechtsbehelf ergriffen hat oder keine Belehrung zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages, keine Frist zur Erhebung einer Revision oder zur Stellung eines Vorlageantrages oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsbehelf zulässig sei.
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen
1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die den Rechtsbehelf als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.
2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Erhebung der Revision bzw. der Stellung eines Antrages auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
..."
Gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) sechs Wochen. Sie beginnt gemäß § 26 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z. 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung.
Gemäß § 26 Abs. 4 leg. cit. beginnt die Revisionsfrist, wenn der Verfassungsgerichtshof - wie im vorliegenden Fall - eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes.
Da der genannte Beschluss des Verfassungsgerichtshofes am 24. Juli 2015 (Freitag) im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs der Revisionswerberin übermittelt und "bereitgestellt" wurde, gilt er als am 27. Juli 2015 (Montag) zugestellt (§ 14a Abs. 1 Z. 1 und Abs. 3 VfGG iVm § 89d Abs. 2 GOG idF BGBl. I Nr. 12/2012; vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/10/0105). Mit dieser Zustellung begann gemäß § 26 Abs. 4 VwGG die (sechswöchige) Revisionsfrist zu laufen (vgl. dazu auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 12. März 2014, E 30/2014), die somit am 7. September 2015 endete. Eine Revision gegen das Erkenntnis, die gemäß § 24 Abs. 1 iVm § 25a Abs. 5 VwGG beim Verwaltungsgericht - und nicht beim Verwaltungsgerichtshof - einzubringen war, konnte daher fristwahrend nur bis am 7. September 2015 erhoben werden.
Aus der oben genannten Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes vom 9. Jänner 2015 ergibt sich, dass die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit von Montag bis Freitag (werktags) - sofern es sich dabei nicht um den Karfreitag oder den 31. Dezember handelt - mit 07.30 Uhr bis 13.00 Uhr festgelegt sind und dass sämtliche per Telefax oder E-Mail eingebrachten Anbringen nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden können, weshalb die außerhalb dieser Amtsstunden an die Empfangsgeräte des Verwaltungsgerichtes übermittelten Angaben auch dann, wenn sie bereits in den Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichtes gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) gelten.
Bei dieser Kundmachung handelt es sich um eine Kundmachung betreffend organisatorische Beschränkungen im Sinne des § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG, die der Präsident des Verwaltungsgerichtes im Internet bekanntgemacht hat (vgl. dazu etwa den hg. Beschluss vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/05/0058, mwN).
Wie oben (I.) dargestellt, hat die Revisionswerberin dem Verwaltungsgericht die Revision am 7. September 2015 um 20.04 Uhr per E-Mail und um 20.27 Uhr per Telefax, somit an einem Werktag (Montag) außerhalb der Amtsstunden, übermittelt, weshalb diese erst mit 8. September 2015 als eingebracht gilt. An diesem Tag war die (sechswöchige) Revisionsfrist jedoch bereits abgelaufen.
Im Hinblick darauf ist die in § 46 Abs. 1 erster Satz VwGG normierte Voraussetzung der Fristversäumung in Bezug auf die angeführte Revision, die Gegenstand des vorliegenden Wiedereinsetzungsantrages ist, erfüllt.
Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa den Beschluss vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0092, mwN) trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Entgegen der im Wiedereinsetzungsantrag vertretenen Auffassung handelt es sich beim Verwaltungsgericht nicht um eine bloße "Einlaufstelle" für den Verwaltungsgerichtshof. Aus § 24 Abs. 1 iVm § 25a Abs. 5 VwGG ergibt sich, dass die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen ist. Gemäß dem vorliegend (gemäß § 62 VwGG) anzuwendenden § 13 Abs. 2 letzter Satz AVG sind etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten im Internet bekanntzumachen.
Ein berufsmäßiger Parteienvertreter, wie insbesondere ein Rechtsanwalt, hat sich mit den einschlägigen Verfahrensbestimmungen vertraut zu machen. Unterlässt er dies, so liegt eine auffallende, einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegenstehende Sorglosigkeit vor.
Mit der genannten Kundmachung vom 9. Jänner 2015 hat der Präsident des Verwaltungsgerichtes hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass schriftliche Anbringen (u.a. Revisionen) nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden, sodass der Revisionsvertreter nicht davon hätte ausgehen dürfen, dass die am letzten Tag der Revisionsfrist nach Ablauf der Amtsstunden mittels Telefax und E-Mail eingebrachte Revision rechtzeitig erhoben wurde (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 2000, Zl. 2000/03/0152, und den oben genannten Beschluss, Ra 2014/22/0092).
Einem Rechtsanwalt ist es auch zumutbar, sich mit solchen im Internet bekanntgemachten organisatorischen Beschränkungen des elektronischen Verkehrs durch das Verwaltungsgericht vertraut zu machen (vgl. nochmals den genannten Beschluss, Zl. 2000/03/0152). Darin liegt keine Erschwerung des Zugangs zum Rechtsschutz, ist doch durch die Kundmachung im Internet sichergestellt, dass sich die Parteien über die Voraussetzungen für ein rechtzeitiges Einlangen ihrer Anbringen umfassend informieren können (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2012, Zlen. 2012/08/0102, 0103).
Ferner bestand keine Verpflichtung, auf der Homepage des Verwaltungsgerichtshofes auf die genannte Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes hinzuweisen.
Mit dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag wurde somit von der Revisionswerberin, der, wie bereits erwähnt, eine Sorglosigkeit ihres Rechtsvertreters zuzurechnen ist, nicht dargetan, dass ihr kein Verschulden an der Versäumung der Revisionsfrist oder ein lediglich minderer Grad des Versehens vorzuwerfen ist.
Im Hinblick darauf war der Wiedereinsetzungsantrag der Revisionswerberin gemäß § 46 Abs. 1 und 4 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Demzufolge war die vorliegende außerordentliche Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 24. November 2015
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