VwGH Ra 2015/02/0130

VwGHRa 2015/02/013011.9.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofräte Dr. Lehofer und Dr. N. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Harrer, über die Revision des Bürgermeisters der Stadt Graz gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 21. Mai 2015, Zl. LVwG 30.21-975/2015-4, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: K in G), zu Recht erkannt:

Normen

StVO 1960 §24 Abs1 lita;
StVO 1960 §48 Abs2;
VwGG §42 Abs4;
VwGVG 2014 §52;

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahingehend abgeändert, dass die Beschwerde des Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 5. März 2015, Belegnr.: 400000209371, abgewiesen wird und der Mitbeteiligte gemäß § 52 VwGVG zusätzlich zu den im genannten Straferkenntnis bestimmten Verfahrenskosten einen Kostenbeitrag in der Höhe von EUR 10,-- zu bezahlen hat.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 5. März 2015 wurde der Mitbeteiligte einer Übertretung des § 24 Abs. 1 lit. a StVO schuldig erkannt. Er habe am 4. November 2014 um 13:59 an einem näher bezeichneten Ort in Graz im Bereich des Vorschriftszeichens "Halten und Parken verboten" (mit der Zusatztafel "ausgenommen einspurige Kraftfahrzeuge") mit einem PKW gehalten. Wegen dieser Übertretung wurde über den Mitbeteiligten eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 50,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: ein Tag) verhängt.

Der Mitbeteiligte erhob dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in der er vorbrachte, dass der gegenständliche Parkplatz vor dem Haus Hofgasse 12, auf dem er zum Tatzeitpunkt sein Fahrzeug abgestellt habe, über Jahre als Parkplatz habe genutzt werden können. Zu einer ihm nicht bekannten Zeit sei diese weiterhin als Kurzparkzone gekennzeichnet Fläche offenbar für einspurige Fahrzeuge gewidmet worden. Die "Halten und Parken verboten"-Schilder seien aber so angebracht worden, dass sie nur aus der Richtung der Fußgängerzone kommend "und nicht aus der Richtung der für den öffentlichen Verkehr dienenden Straße" lesbar seien. Das Halte- und Parkverbot sie nicht gehörig ersichtlich gemacht und gekennzeichnet.

Mit dem angefochtenen Beschluss behob das Verwaltungsgericht das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 5. März 2015 und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein.

Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Erstaufstellung der Verkehrszeichen wie in einer der Beschwerde angeschlossenen Fotodokumentation erfolgt sei, "nur für jene aus der Fußgängerzone der Hofgasse kommenden, nicht jedoch für die in Richtung derselben zulässigerweise die Einbahnstraße 'Hofgasse' nutzenden Verkehrsteilnehmer erkennbar". Wörtlich führt das Verwaltungsgericht weiter aus:

"Die Ausführungen der belangten Behörde, die vom (Mitbeteiligten) erwähnte Einbahnregelung beginne erst nach dem Ende des Vorschriftszeichens 'Halten und Parken verboten', mit der Zusatztafel 'ausgenommen einspurige Kraftfahrzeuge' sind unschlüssig. Entgegen dieser Ausführung beginnt die Einbahnstraße bereits in etwa auf der Höhe Hofgasse 14 in (der im Gegenstande allein relevanten) Richtung Fußgängerzone und befindet sich das gegenständliche Halte- und Parkverbot mit Ausnahme für einspurige Kraftfahrzeuge im Zuge dieser Einbahnstraße auf der linken Seite zwischen Hofgasse 14 und Hofgasse 12. Das Hinweiszeichen mit dem Beginn der Fußgängerzone betreffend die Hofgasse - dies unter Einräumung der Ladetätigkeit mit Fahrzeugen bis 7,5 Tonnen von 05.00 Uhr bis 10.00 Uhr - kundgemacht wird, ist auf Höhe Hofgasse Nr. 9."

In Einbahnstraßen sei darauf Bedacht zu nehmen, dass die entsprechenden Straßenverkehrszeichen, wie der Beginn eines Halte- und Parkverbots, für einen in der erlaubten Fahrtrichtung fahrenden Lenker schon im Herannahen erkennbar seien und nicht erst durch Zurückschauen wahrgenommen werden könnten. Im gegenständlichen Fall sei das in einer Einbahnstraße angebrachte Verkehrszeichen "Halten und Parken verboten, Anfang" verkehrt zur Fahrtrichtung aufgestellt und sein Inhalt für den Mitbeteiligten erst nach dem Vorbeifahren sowie Abstellen des Fahrzeugs ersichtlich gewesen. Dass die Verkehrszeichen für jene Verkehrsteilnehmer, die lediglich - und nur in einem zeitlich befristeten Rahmen - die Fußgängerzone befahren dürften, beim Verlassen derselben ersichtlich seien, vermöge eine ordnungsgemäße Kundmachung nicht zu bewirken.

Da zum Tatzeitpunkt keine gesetzmäßige Kundmachung vorgelegen sei, habe der Mitbeteiligte die ihm angelastete Übertretung auch nicht begehen können, das Verfahren sei daher einzustellen gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 5. März 2015 zu bestätigen.

Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Amtsrevision macht geltend, dass der angefochtene Beschluss von der zu den §§ 24 Abs. 1 lit. a und 48 StVO ergangenen (in der Revision näher zitierten) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Demnach habe sich nämlich ein Fahrzeuglenker beim Zufahren auf den linken Fahrbahnrand vom Inhalt der dort angebrachten Straßenverkehrszeichen zu überzeugen, selbst für den Fall, dass die dort aufgestellten Verkehrszeichen aus seiner Fahrtrichtung unkenntlich seien. Da Verwaltungsgericht habe auch übersehen, dass die Hofgasse im Bereich des Tatorts in beiden Fahrtrichtungen befahren werde könne.

2. Die Amtsrevision ist zulässig und berechtigt.

2.1. § 48 StVO ("Anbringung der Straßenverkehrszeichen") lautet auszugsweise:

"(1) Die Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53) sind als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrszeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden.

(...)

(2) Die Straßenverkehrszeichen sind auf der rechten Straßenseite oder oberhalb der Fahrbahn anzubringen, sofern sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt. Die zusätzliche Anbringung an anderen Stellen ist zulässig. (...)"

2.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0054, mwN) hat sich ein auf den linken Fahrbahnrand zufahrender Fahrzeuglenker durch einen Blick zurück davon zu überzeugen, ob dort aufgestellte aus seiner Fahrtrichtung unkenntliche Verkehrszeichen für ihn verbindliche Gebote oder Verbote kundmachen.

Eine gesetzliche Verpflichtung, das Vorschriftszeichen "Parkverbot" (oder, wie im vorliegenden Fall: "Halten und Parken verboten") auf der rechten Straßenseite zusätzlich auch so anzubringen, dass es ein von links zufahrender Fahrzeuglenker erkennen könne, besteht nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Juni 1972, Zl. 0419/72).

3. Unstrittig ist, dass der Mitbeteiligte - gesehen aus seiner Fahrtrichtung - auf die linke Fahrbahnseite zugefahren ist und dort gehalten hat.

Das Verwaltungsgericht scheint in den - unsystematisch im Zuge der rechtlichen Erwägungen getroffenen - Feststellungen davon auszugehen, dass es sich bei jenem Straßenstück, an dessen linken Fahrbahnrand der Mitbeteiligte gehalten hat, um eine Einbahnstraße handle, dass also die Fahrbahn dieser Straße "für den Verkehr in eine Richtung bestimmt" sei (§ 2 Abs. 1 Z 3b StVO).

Dies lässt sich jedoch weder mit dem weiteren Inhalt der Begründung des angefochtenen Beschlusses noch mit dem Vorbringen des Mitbeteiligten, noch mit dem Inhalt der vorgelegten Akten in Einklang bringen:

So geht der Beschluss an anderer Stelle davon aus, dass aus der Fußgängerzone kommende Fahrzeuge (also in entgegengesetzter Fahrtrichtung zur Fahrtrichtung des Mitbeteiligten) die Verkehrszeichen (auf der aus ihrer Sicht rechten Fahrbahnseite) erkennen konnten; auch die Ausführungen zur zeitlich und sachlich eingeschränkten Möglichkeit des Befahrens der Fußgängerzone gehen davon aus, dass Fahrzeuge (zulässiger Weise) aus der Fußgängerzone kommend das hier relevante Straßenstück in der Gegenrichtung zur Fahrtrichtung des Mitbeteiligten befahren dürfen. Dies räumt ausdrücklich auch der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung ein, indem er schreibt: "Im vorliegenden Fall gibt es aber in dem gegenständlichen Bereich keine entgegenkommenden Fahrzeuge, mit Ausnahme einiger weniger aus der Fußgängerzone kommender Zusteller".

Auch die vom Mitbeteiligten mit der Beschwerde an das Verwaltungsgericht vorgelegten Fotos sprechen gegen die Annahme, dass es sich beim hier relevanten Straßenstück um eine Einbahn handle, zeigen diese doch, dass an jener Stange, an der das Zeichen "Halten und Parken verboten - Ende" angebracht ist, auch das Verbotszeichen "Einfahrt verboten" (im Übrigen mit der Zusatztafel "ausgenommen Radfahrer") angebracht ist; auch daraus ergibt sich, dass ein Befahren dieses Straßenabschnitts in der Gegenrichtung zur Fahrtrichtung des Mitbeteiligten bis zu dieser Stelle auch für Kraftfahrzeuge zulässig ist.

Schließlich ergibt sich auch aus der in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegenden - von keiner Verfahrenspartei in Zweifel gezogenen - Planbeilage zur Verordnung, dass das Verkehrszeichen "Halten und Parken verboten - Anfang" an einer Stelle angebracht ist, an der von zulässigem Begegnungsverkehr (und damit nicht vom Vorliegen einer Einbahn) auszugehen ist.

Legt man den Aufstellungsort der Verkehrszeichen entsprechend dieser Planbeilage, die vom Mitbeteiligten vorgelegten Fotos sowie die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem aus der Fußgängerzone kommenden Verkehr zugrunde, so liegt die Tatörtlichkeit im Kreuzungsbereich einer T-Kreuzung. In diesem Kreuzungsbereich trifft der aus der Fußgängerzone kommende, in der Folge nach links auf den Freiheitsplatz abbiegende Verkehr mit jenem Verkehr zusammen, der aus der Fahrtrichtung des Mitbeteiligten kommt (und damit aus einer Straße, die mit Kraftfahrzeugen bis unmittelbar vor den Tatort nur in einer Richtung befahren werden darf) und der nach rechts auf den Freiheitsplatz abbiegt. Damit liegt aber jedenfalls Gegenverkehr vor (vgl. zu einer insoweit ähnlichen Konstellation einer T-Kreuzung, vor deren Kreuzungsbereich zwei gegenläufige Einbahnen enden, das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0054).

Der vom Verwaltungsgericht angenommene Kundmachungsmangel lag damit nicht vor; dass andere Kundmachungsmängel vorlägen, wurde im Verfahren nicht geltend gemacht. Auch die vorgelegten Verfahrensakten lassen keine Anhaltspunkte für allfällige Kundmachungsmängel erkennen, insbesondere geben auch die vom Mitbeteiligten bereits im Verfahren vor der Verwaltungsstrafbehörde vorgelegten Fotos keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass die Verkehrszeichen von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können.

4. Es ist daher zusammenfassend festzuhalten, dass der Mitbeteiligte zum Halten an den linken Fahrbahnrand einer Straße mit Gegenverkehr zugefahren ist und dort an einer Stelle gehalten hat, an der das bestehende Halte- und Parkverbot durch Verkehrszeichen, die auf der rechten Straßenseite so aufgestellt waren, dass sie aus der Fahrtrichtung von Verkehrsteilnehmern, die aus der dem Mitbeteiligten entgegengesetzten Richtung kamen, leicht und rechtzeitig erkannt werden konnten.

Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig.

5. Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt.

Dieser Fall liegt hier vor.

Der Mitbeteiligte hat in seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht lediglich die Anbringung der Verkehrszeichen gerügt und dazu vorgebracht, dass diese von (aus seiner Fahrtrichtung) herannahenden Fahrzeugen nicht leicht und rechtzeitig erkannt werden konnten. Das Verwaltungsgericht ist dieser Ansicht gefolgt und hat, offensichtlich in der - nach der Aktenlage, nach dem Vorbringen des Mitbeteiligten selbst wie auch nach einem Teil der Begründung des angefochtenen Beschlusses unzutreffenden - Ansicht, wonach es sich beim hier relevanten Straßenstück um eine Einbahnstraße handle, die Auffassung vertreten, dass der Mitbeteiligte die Verkehrszeichen aus seiner Fahrtrichtung nicht habe wahrnehmen können, sodass ein Kundmachungsmangel vorliege. Es hat dabei die bereits zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes missachtet, nach der sich ein auf den linken Fahrbahnrand zufahrender Fahrzeuglenker durch einen Blick zurück davon zu überzeugen hat, ob dort aufgestellte aus seiner Fahrtrichtung unkenntliche Verkehrszeichen für ihn verbindliche Gebote oder Verbote kundmachen.

Der entscheidungserhebliche Sachverhalt - siehe oben Punkt 4. - steht aufgrund des unwidersprochenen Vorbringens des Mitbeteiligten zum (zulässigen) Gegenverkehr im hier relevanten Straßenteilstück, das sich mit dem ebenso unstrittigen Akteninhalt (insbesondere den vom Mitbeteiligten vorgelegten Fotos und der Planbeilage zur Verordnung) deckt, fest.

Weitere Einwendungen gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis, auch gegen die Strafbemessung, wurden vom Mitbeteiligten in seiner Beschwerde und im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht vorgebracht, sodass die Sache für den Verwaltungsgerichtshof entscheidungsreif ist und es im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt, den angefochtenen Beschluss nicht bloß aufzuheben und das Verfahren vom Verwaltungsgericht fortsetzen zu lassen, sondern in der Sache selbst zu entscheiden und damit die vom Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 5. März 2015 erhobene Beschwerde abzuweisen.

Gemäß § 52 VwGVG ist in jedem Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes, mit dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist für das Beschwerdeverfahren mit 20% der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit zehn Euro zu bemessen. Der Kostenbeitrag fließt der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand des Verwaltungsgerichts zu tragen hat. Entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in einer Verwaltungsstrafsache in der Sache selbst, tritt er insoweit an die Stelle des Verwaltungsgerichtes und hat daher auch über den Kostenbeitrag gemäß § 52 VwGVG abzusprechen.

Wien, am 11. September 2015

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