VwGH Ra 2015/01/0192

VwGHRa 2015/01/019213.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schweda, über die Revision des S S M in W, vertreten durch Brehm & Sahinol Rechtsanwälte OG in 1060 Wien, Linke Wienzeile 124/10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 27. November 2014, Zl. VGW- 151/080/28140/2014-11, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StbG 1985 §27 Abs1;
StbG 1985 §27 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Mit Bescheid der Wiener Landesregierung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 20. Mai 2014 wurde gemäß § 39 und § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) festgestellt, dass der Revisionswerber die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit am 17. Februar 1994 gemäß § 27 Abs. 1 StbG verloren hat.

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt (Spruchpunkt I.).

Weiters wurde eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).

Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH), welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 11. Juni 2015, E 891/2015-4, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat. Begründend führte der VfGH im Wesentlichen aus, die Beschwerde lasse vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Verweis auf VfSlg. 19.765/2013 und 19.766/2013 zur inhaltlich deckungsgleichen Regelung des § 27 Abs. 1 StbG 1965) und der im § 28 StbG geregelten Möglichkeit, die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft trotz Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit zu beantragen, die behauptete Verletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Sodann erhob der Revisionswerber gegen das angefochtene Erkenntnis beim Verwaltungsgerichtshof die vorliegende (außerordentliche) Revision.

2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

3. Die Revision bringt (als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung) vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C- 135/08 "Rottmann" abgewichen, weil es ausgeführt habe, dass für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im vorliegenden Fall kein Raum bleibe.

Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil die Auffassung des Verwaltungsgerichtes zu Recht besteht:

Wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 19. September 2012, Zl. 2009/01/0003, festgehalten hat, bleibt für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Sinne der vom EuGH im Urteil "Rottmann" aufgestellten Kriterien bei einer Feststellung der Staatsbürgerschaft kein Raum. Auch in der vorliegenden Rechtssache wurde - wie in dem dem zitierten Erkenntnis zugrundeliegenden Beschwerdefall - dem Revisionswerber mit der angefochtenen Feststellung nicht die österreichische Staatsangehörigkeit entzogen, sondern gemäß § 27 Abs. 1 StbG festgestellt, dass der Revisionswerber diese durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit verloren habe.

4. Als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bringt die Revision vor, das Verwaltungsgericht wäre von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach der Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 27 Abs. 1 StbG eine positive Willenserklärung voraussetze, abgewichen, da es unberücksichtigt gelassen habe, ob der Revisionswerber überhaupt eine derartige positive Willenserklärung zur Erlangung der türkischen Staatsbürgerschaft abgegeben habe.

Nach der hg. Rechtsprechung setzt die Bestimmung des § 27 Abs. 1 StbG voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive Willenserklärung" abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, im Falle deren Erwerbs den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. zu allem das hg. Erkenntnis vom 19. September 2013, Zl. 2011/01/0201, mwN).

In der vorliegenden Rechtssache ist das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung nicht abgewichen: So hat es im angefochtenen Erkenntnis festgestellt, dass der Revisionswerber nicht bestritten habe, dass er die türkische Staatsangehörigkeit durch eigene Willenserklärung am 17. Februar 1994 und somit nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wieder erworben habe. Das Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers habe sich vielmehr sinngemäß darin erschöpft, dass er geltend machte, die türkische Staatsangehörigkeit nicht wissentlich unter Bedachtnahme auf den Verlusttatbestand des § 27 StbG erworben zu haben.

4. In der Revision werden aus diesen Gründen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

5. Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 13. Oktober 2015

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