VwGH Ra 2014/15/0021

VwGHRa 2014/15/002110.2.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Tanzer, über die Revision des Finanzamts Salzburg-Stadt in 5026 Salzburg, Aignerstraße 10, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Juni 2014, Zl. RV/6100579/2008, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2004 bis 2007 (mitbeteiligte Partei: G Privatstiftung in S, vertreten durch die BPS Brugger Pamperl Schallhart - Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs-GmbH & Co KG in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55), zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1988 §27 Abs1 Z7;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2014150021.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei, eine eigennützige Privatstiftung, wurde mit Stiftungsurkunde vom 22. Oktober 1993 von Ing. Georg B gegründet. Ihr Zweck ist die Nutzung, Verwaltung und Verwertung des bestehenden Vermögens, insbesondere die Erwirtschaftung von Erträgen, mittels derer Zuwendungen an die Begünstigten (Stifter, seine Ehefrau und direkte Nachkommen) erfolgen sollen.

Nach dem Tod des Stifters forderten dessen Töchter Ingrid B, Monika B und Waltraud B sowie dessen Enkeltochter Noemi B ihren Pflichtteil mittels Klage beim Landesgericht Salzburg ein. Im Juni 1996 wurde zwischen der mitbeteiligten Partei und den Pflichtteilsberechtigten ein Vergleich abgeschlossen. Darin wurde die Auszahlung eines Pauschalbetrags an die Pflichtteilsberechtigten, die Erhöhung bzw. Ausweitung der monatlichen Ausschüttungen der Privatstiftung an die Begünstigten und die Einräumung eines Nutzungsrechts für das Nebenhaus einer im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden Liegenschaft für alle Begünstigten vereinbart. Damit seien alle wechselseitigen Ansprüche aus dem Titel des Pflichtteils abgegolten und in den beim Landesgericht Salzburg behängenden Verfahren trete ewiges Ruhen ein.

Die Einräumung des Nutzungsrechts für das Nebenhaus der im Eigentum der Mitbeteiligten stehenden Liegenschaft wurde im Rahmen einer die Jahre 2004 bis 2007 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung als Zuwendung iSd § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 qualifiziert. Die darauf entfallende Kapitalertragsteuer wurde der Mitbeteiligten mit Haftungsbescheid vorgeschrieben.

Gegen den Haftungsbescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung, welcher das Bundesfinanzgericht stattgab und den bekämpften Bescheid aufhob. Die Einräumung des Nutzungsrechtes sei keine Zuwendung iSd § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988, weil diese nicht aufgrund einer Beschlussfassung der Stiftung bzw. ihrer Organe erfolgt sei, sondern in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung. Durch das Nutzungsrecht sei ein Teil des Pflichtteilsanspruchs abgegolten worden. Damit fehle es an dem für eine Zuwendung erforderlichen Bereicherungswillen der Stiftung. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei, weil keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamts. Das Bundesfinanzgericht legte die Akten vor. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehlt, ob bei Leistungen einer Privatstiftung an eine pflichtteilsberechtigte Person, die im Zuge einer Pflichtteilsklage oder eines in diesem Zusammenhang abgeschlossenen Vergleichs dieser Person zuerkannt werden, eine Zuwendung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 vorliegt.

Zuwendungen einer Privatstiftung sind unentgeltliche Vermögensübertragungen an Begünstigte oder Letztbegünstigte. Sie können in offener oder in verdeckter Form erfolgen und als Geld- bzw. Sachleistungen oder als Nutzungszuwendungen gewährt werden (vgl. Doralt, EStG16 (1.1.2013) § 27 Tz 278). Sie setzen eine Bereicherung des Empfängers der Zuwendung und einen subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung, der durch ihre Organe gebildet wird, voraus (vgl. Arnold/Stangl/Tanzer, Privatstiftungs-Steuerrecht2 II/520, Fraberger/Haslinger, ZfS 2008).

Die Einräumung der hier in Rede stehenden Nutzungsrechte an dem Nebengebäude stellt einen geldwerten Vorteil dar, der grundsätzlich Gegenstand einer Zuwendung sein kann. Soweit die Einräumung der Nutzungsrechte in Abgeltung von gerichtlich durchsetzbaren Pflichtteilsergänzungsansprüchen und damit zur Tilgung gesetzlicher Ansprüche erfolgte, war sie allerdings nicht von einem subjektiven Bereicherungswillen der Privatstiftung getragen. Insoweit liegen in der Einräumung der Nutzungsrechte an die Pflichtteilsberechtigten - entgegen der in der außerordentlichen Revision des Finanzamtes vertretenen Auffassung -

auch keine der Kapitalertragsteuer unterliegenden Zuwendungen im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 vor. Nicht zu beurteilen ist im Streitfall, ob die Privatstiftung durch die in Abgeltung der Geldforderungen der Pflichtteilsberechtigten gewährten Sachleistungen allenfalls einen Einkommensteuertatbestand in Form eines tauschähnlichen Vorgangs verwirklicht hat.

Dem revisionswerbenden Finanzamt ist aber dahingehend beizupflichten, dass das Bundesfinanzgericht keine Feststellungen zur Höhe der Pflichtteilsergänzungsansprüche getroffen hat. Derartige Feststellungen wären aber notwendig gewesen, um überprüfen zu können, ob die - im Wege eines Vergleichs erfolgte - Einräumung der in Rede stehenden Nutzungsrechte in den gesetzlichen Pflichtteilsergänzungsansprüchen überhaupt Deckung findet. Die in Abgeltung solcher Geldforderungen erfolgende Einräumung der Nutzungsrechte stellt nämlich nur insoweit keine Zuwendung im Sinne des § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 dar und unterliegt nur insoweit nicht der Kapitalertragsteuer, als sie in der gesetzlichen Verpflichtung der Privatstiftung zur Auszahlung der Pflichtteilsergänzungsansprüche wurzelt. Der Abschluss eines Vergleichs kann nicht die Möglichkeit bieten, unentgeltliche, aufgrund des Stiftungszwecks geleistete, steuerpflichtige Zuwendungen der Steuerpflicht zu entziehen, indem sie dem Titel einer vorgeblich bestehenden gesetzlichen Verpflichtung unterstellt werden. Dies wäre der Fall, wenn aufgrund des Vergleichs Vermögensübertragungen stattgefunden hätten, deren Summe den gesetzlich zustehenden Pflichtteilsergänzungsanspruch des jeweils Berechtigten übersteigt.

Um feststellen zu können, ob es sich bei den geleisteten Vermögensübertragungen nicht zumindest teilweise um steuerpflichtige Zuwendungen iSd § 27 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 handelt, hätte das Bundesfinanzgericht somit Feststellungen bezüglich der exakten Höhe der gegen die Mitbeteiligte gerichteten gesetzlichen Pflichtteilsergänzungsansprüche treffen müssen. Da es diese Feststellungen in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, hat es die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit belastet.

Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Wien, am 10. Februar 2016

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