VwGH Ra 2014/01/0198

VwGHRa 2014/01/019817.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Mag. Eder, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag.a Schweda, über 1. den Antrag des I Z in W, vertreten durch Dr. Julia Ecker, Mag. Wilfried Embacher und Dr. Thomas Neugschwendtner, Rechtsanwälte in 1040 Wien, Schleifmühlgasse 5/8, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2014, Zl. W183 1426573-1/18E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Asylgesetz 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), sowie 2. die Revision gegen das genannte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2014, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs1;
BVwG-EVV 2014 §1;
BVwG-EVV 2014;
BVwGG 2014 §19;
BVwGG 2014 §21 Abs7;
BVwGG 2014 §21;
GO BVwG 2014 §20 Abs1;
GO BVwG 2014 §20 Abs2;
GO BVwG 2014 §20 Abs6;
GO BVwG 2014 §20 Abs7;
GO BVwG 2014 §20;
VwGG §25a Abs5;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs4;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2015:RA2014010198.L00

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Revision werden zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13. Oktober 2014 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers, eines Staatsangehörigen Afghanistans, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesasylamtes (nunmehr: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) vom 16. April 2012, mit dem sein Antrag auf internationalen Schutz vom 21. Dezember 2011 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß §§ 3 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) abgewiesen worden war, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt A I.). Weiters wurde der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des genannten Bescheides des Bundesasylamtes stattgegeben, dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt A II.) und diesem gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 13. Oktober 2015 erteilt (Spruchpunkt A III.). Zudem wurde ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B).

Dieses Erkenntnis wurde dem Revisionswerber am 16. Oktober 2014 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 27. November 2014 erhob der Revisionswerber gegen Spruchpunkt A I. des genannten Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes Revision. Die Revision wurde im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle "IMD" am 27. November 2014 um 16:41:31 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

Unter Hinweis darauf, dass die Revision außerhalb der in § 20 der Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes kundgemachten Amtsstunden eingebracht worden sei und somit verspätet erscheine, wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 23. September 2015 nahm der Revisionswerber dazu Stellung. Weiters wurde in diesem Schriftsatz für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof "die dargelegte Rechtsanschauung über die fristgerechte Einbringung der verfahrensgegenständlichen Revision nicht teilen bzw. verfassungsrechtliche Bedenken nicht erkennen" sollte, "in eventu der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG" gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag sowie über die Zulässigkeit der vorliegenden Revision in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 idF BGBl. I Nr. 122/2013 (VwGG), lautet auszugsweise:

"Revision

§ 25a. ...

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen. Revisionsfrist

§ 26. (1) Die Frist zur Erhebung einer Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes (Revisionsfrist) beträgt sechs Wochen. Sie beginnt

1. in den Fällen des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG dann, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn das Erkenntnis dem Revisionswerber nur mündlich verkündet wurde, jedoch mit dem Tag der Verkündung;

...

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

...

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Revision beim Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision beim Verwaltungsgerichtshof binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen.

...

(4) Bis zur Vorlage der Revision hat über den Antrag das Verwaltungsgericht zu entscheiden. Ab Vorlage der Revision hat über den Antrag der Verwaltungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluss zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht oder der Verwaltungsgerichtshof können dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

..."

Das Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013

(BVwGG), lautet auszugsweise:

"Geschäftsordnung

§ 19. Die näheren Regelungen über die Geschäftsführung und den Geschäftsgang des Bundesverwaltungsgerichtes sind in der Geschäftsordnung vorzusehen. In der Geschäftsordnung kann insbesondere festgelegt werden, wann (Amtsstunden) und wo (Dienststelle am Sitz, Außenstelle) Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden können. Die Geschäftsordnung ist von der Vollversammlung auf Vorschlag des Geschäftsverteilungsausschusses zu beschließen und vom Präsidenten zur allgemeinen Einsicht aufzulegen; diese kann auch auf andere Weise öffentlich zugänglich gemacht werden.

...

Elektronischer Rechtsverkehr

§ 21. (1) Die Schriftsätze können auch im Wege des nach diesem Abschnitt eingerichteten elektronischen Rechtsverkehrs wirksam eingebracht werden. Anstelle schriftlicher Ausfertigungen der Erledigungen sowie anstelle von Gleichschriften von Eingaben, die elektronisch eingebracht worden sind, kann das Bundesverwaltungsgericht die darin enthaltenen Daten an Einschreiter, die Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr nach diesem Abschnitt einbringen, im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs übermitteln.

...

(3) Der Bundeskanzler hat nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten sowie unter Bedachtnahme auf eine einfache und sparsame Verwaltung und eine Sicherung vor Missbrauch die nähere Vorgangsweise bei der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen und Übermittlung von Ausfertigungen von Erledigungen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Verordnung zu regeln. Dazu gehören insbesondere die zulässigen elektronischen Formate und Signaturen, die Regelungen für die Ausgestaltung der automationsunterstützt hergestellten Ausfertigungen einschließlich der technischen Vorgaben für die Amtssignatur und deren Überprüfung sowie Bestimmungen über den Anschriftcode. In der Verordnung kann vorgeschrieben werden, dass sich der Einbringer einer Übermittlungsstelle zu bedienen hat. Diese Verordnung hat nach Maßgabe der technischen und organisatorischen Möglichkeiten den Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem Schriftsätze und Ausfertigungen von Erledigungen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht bzw. übermittelt werden können.

...

(6) Nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten sind Rechtsanwälte sowie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift wird wie ein Formmangel behandelt, der zu verbessern ist.

(7) Schriftsätze, die im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht werden, gelten als bei einer Bundesbehörde oder beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht, wenn ihre Daten zur Gänze bei der Bundesrechenzentrum GmbH eingelangt sind. Ist vorgesehen, dass die Schriftsätze über eine Übermittlungsstelle zu leiten sind (Abs. 3), und sind sie auf diesem Weg bei der Bundesrechenzentrum GmbH tatsächlich zur Gänze eingelangt, so gelten sie als bei der Bundesbehörde oder beim Bundesverwaltungsgericht mit demjenigen Zeitpunkt eingebracht, an dem die Übermittlungsstelle dem Einbringer rückgemeldet hat, dass sie die Daten des Schriftsatzes zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen hat.

..."

Die Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichtes (Beschluss vom 2. Jänner 2014 idF des Beschlusses vom 4. August 2014; kundgemacht im Internet auf der Homepage des Bundesverwaltungsgerichtes (http://www.bvwg.gv.at ) unter "Amtstafel - Sonstige Veröffentlichungen"; im Folgenden: GO BVwG) lautet auszugsweise:

"§ 20. Amtsstunden

(1) Die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes sind an jedem Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitages, des 24. und des 31. Dezember, von 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr.

(2) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze) können nur innerhalb der Amtsstunden physisch (postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch am Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien eingebracht werden.

(3) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze) betreffend Rechtssachen, die in einer Gerichtsabteilung einer Außenstelle anhängig sind, können unbeschadet des Abs. 2 innerhalb der Amtsstunden physisch oder elektronisch bei der betreffenden Außenstelle eingebracht werden.

...

(5) Elektronische Eingaben mit Telefax oder E-Mail sind an die dafür allgemein vorgesehene Telefax-Nummer oder E-Mail-Adresse des Bundesverwaltungsgerichtes zu übermitteln.

(6) Schriftliche Anbringen (Schriftsätze), die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden, gelten erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht.

(7) Für die Einbringung von Eingaben (Schriftsätzen) im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG gelten die Bestimmungen der BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung (BVwG-EVV), BGBl. II Nr. 515/2013."

Die BVwG-elektronischer-Verkehr-Verordnung in der hier relevanten Stammfassung BGBl. II Nr. 515/2013 (BVwG-EVV) lautet auszugsweise:

"Elektronische Einbringung von Schriftsätzen und von Beilagen zu Schriftsätzen

§ 1. (1) Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen können auf folgende Weise elektronisch eingebracht werden:

  1. 1. im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs;
  2. 2. über elektronische Zustelldienste nach den Bestimmungen des 3. Abschnittes des Zustellgesetzes - ZustG, BGBl. Nr. 200/1982;
  3. 3. im Wege des elektronischen Aktes;
  4. 4. im Wege einer standardisierten Schnittstellenfunktion;
  5. 5. mit auf der Website www.bvwg.gv.at abrufbaren elektronischen Formblättern.

    Fax und E-Mail sind keine zulässigen Formen der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen im Sinne dieser Verordnung.

(2) Sofern Rechtsanwälte, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer Schriftsätze nicht im elektronischen Rechtsverkehr einbringen, haben sie in der Eingabe zu bescheinigen, dass die technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht vorliegen.

...

(5) Wer Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (Abs. 1 Z 1) einbringt, hat sich hiefür einer auf der Website www.edikte.justiz.gv.at bekanntgemachten Übermittlungsstelle zu bedienen.

(6) Hat die Übermittlungsstelle die Daten der Eingabe zur Weiterleitung an die Bundesrechenzentrum GmbH übernommen, so hat sie dies dem Einbringer sofort mitzuteilen sowie das Datum (Tag und Uhrzeit) dieser Rückmeldung zu protokollieren; dieses Datum ist mit den Daten der Eingabe zu übermitteln.

(7) Die Bundesrechenzentrum GmbH hat zu protokollieren, wann die Daten der Eingabe bei ihr eingelangt sind (Tag und Uhrzeit).

(8) Schriftsätze und Beilagen zu Schriftsätzen sind mit dem Dateninhalt eingebracht, der entsprechend der Schnittstellenbeschreibung an die Bundesrechenzentrum GmbH übergeben wurde.

..."

2. Zur Rechtzeitigkeit der Revision:

2.1. Da die Revision gemäß § 25a Abs. 5 VwGG beim Verwaltungsgericht einzubringen ist, ist deren elektronische Einbringung nicht nach dem VwGG, sondern nach den für die Verwaltungsgerichte geltenden Bestimmungen zur elektronischen Einbringung zu beurteilen (vgl. Pürgy, Inhalt und Verfahren der Revision, in Holoubek/Lang (Hrsg.), Das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof, 2015, 89 (96), Köhler, Verwaltungsgerichtsbarkeit neu - Die Änderungen im Verfahren vor dem VwGH, in Baumgartner (Hrsg.), Jahrbuch Öffentliches Recht 2014, 83 (113)).

Für das Bundesverwaltungsgericht hat der Gesetzgeber in § 19 BVwGG die näheren Regelungen über die Geschäftsführung und den Geschäftsgang des Bundesverwaltungsgerichtes einer von der Vollversammlung des Bundesverwaltungsgerichtes auf Vorschlag des Geschäftsverteilungsausschusses zu beschließenden und vom Präsidenten zur allgemeinen Einsicht aufzulegenden Geschäftsordnung vorbehalten und dabei die ausdrückliche Ermächtigung erteilt, in dieser insbesondere festzulegen, "wann

(Amtsstunden) ... Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht

eingebracht werden können".

§ 20 Abs. 1 GO BVwG legt die Amtsstunden des Bundesverwaltungsgerichtes an jedem Arbeitstag, mit Ausnahme des Karfreitages sowie des 24. und des 31. Dezember, von 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr fest. § 20 Abs. 2 GO BVwG sieht vor, dass schriftliche Anbringen (Schriftsätze) nur innerhalb der Amtsstunden physisch (postalisch, persönlich oder mit Boten) oder elektronisch am Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes in Wien eingebracht werden können. Schriftliche Anbringen (Schriftsätze), die nach Ablauf der Amtsstunden eingebracht werden, gelten gemäß § 20 Abs. 6 GO BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages als eingebracht.

Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 GO BVwG kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei einem im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebrachten Anbringen um eine Form der "elektronischen Einbringung" handelt.

Angesichts des uneingeschränkten Wortlautes des § 20 Abs. 2 GO BVwG, der von "schriftlichen Anbringen (Schriftsätzen)" schlechthin spricht, ist davon auszugehen, dass davon die Einbringung von Revisionen beim Bundesverwaltungsgericht erfasst ist (vgl. zu auf § 13 Abs. 2 und 5 AVG gestützte Kundmachungen die hg. Beschlüsse vom 26. Februar 2015, Zl. Ra 2014/22/0092, und vom 27. Jänner 2015, Zlen. Ra 2014/22/0170 bis 0172).

2.2. Auch der Revisionswerber geht in seiner Stellungnahme vom 23. September 2015 davon aus, dass es sich vorliegend um die elektronische Einbringung einer Revision handelt. Er nimmt hiezu den Standpunkt ein, bei § 20 Abs. 7 GO BVwG handle es sich "offenkundig um eine lex specialis für die Einbringung von Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr". Für den elektronischen Rechtsverkehr seien die spezifischen, in der BVwG-EVV geregelten Vorschriften für die elektronische Einbringung von Schriftsätzen zu beachten. Da diese Verordnung keine Regelungen zu Amtsstunden enthalte, hätten für den elektronischen Rechtsverkehr "die Regelungen für die Zustellung am Postweg" zu gelten.

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen:

Nach § 20 Abs. 7 GO BVwG gelten für die Einbringung von Eingaben (Schriftsätzen) im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG die Bestimmungen der BVwG-EVV. Diese Verordnung enthält - worauf der Revisionswerber zu Recht hinweist - keine Regelungen zur Frage, wann Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden können. Es kann dem Normsetzer der GO BVwG aber nicht unterstellt werden, dass er sämtliche Formen der elektronischen Einbringung von schriftlichen Anbringen an die Amtsstunden bindet (Abs. 2 iVm Abs. 6 des § 20 GO BVwG), um diese Bindung für Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG durch bloßen Verweis auf die Bestimmungen der BVwG-EVV entfallen zu lassen (Abs. 7 des § 20 GO BVwG), ohne dies explizit zum Ausdruck zu bringen. Hätte der Normsetzer der GO BVwG Derartiges beabsichtigt, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies unmissverständlich regelt. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass § 20 Abs. 7 GO BVwG nicht dahin zu verstehen ist, dass für Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 BVwGG die in § 20 Abs. 2 und 6 GO BVwG vorgesehenen Regelungen nicht gelten sollen.

Auch § 21 Abs. 7 BVwGG gebietet keine andere Sichtweise:

Diese Bestimmung legt fest, wann Schriftsätze, die im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht werden, als beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht gelten; wann Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht (wirksam) eingebracht werden können, wird hingegen vom Gesetzgeber - wie ausgeführt - in § 19 BVwGG einer Festlegung in der Geschäftsordnung vorbehalten. Der zuletzt genannten Bestimmung ist keine Einschränkung dahin zu entnehmen, dass die in der GO BVwG zu treffende Festlegung, wann Schriftsätze beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht werden können, für die Einbringung von Schriftsätzen im elektronischen Rechtsverkehr nach § 21 Abs. 7 BVwGG nicht gelten solle. Auch § 21 Abs. 7 BVwGG lässt nicht erkennen, dass der Gesetzgeber - in Abweichung von der in § 19 BVwGG erteilten Ermächtigung - Derartiges normieren wollte. Vielmehr wird in dieser Bestimmung die nähere Vorgangsweise bei der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen, insbesondere im Hinblick auf die dabei erfolgte Einbindung der Bundesrechenzentrum GmbH bzw. der Übermittlungsstelle, geregelt.

2.3. Soweit der Revisionswerber für seinen Standpunkt den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 20. Oktober 2011, 2 Ob 161/11g, ins Treffen zu führen sucht (nach dem die Bestimmung des Endes einer richterlichen Frist mit einer bestimmten Stunde eines Tages in der Zivilprozessordung (ZPO) trotz Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs nicht vorgesehen und daher weiterhin davon auszugehen sei, dass eine mit einem bestimmten Tag gesetzte Frist auch dann gewahrt sei, wenn der entsprechende Schriftsatz bis Ende dieses Tages "zur Post" gegeben werde), genügt es darauf hinzuweisen, dass dieser Beschluss zur ZPO, nicht aber zu der hier maßgeblichen Rechtslage nach den unter Punkt 1. dargestellten Bestimmungen ergangen ist.

Soweit der Revisionswerber im Weiteren - unter näheren Darlegungen - verfassungsrechtliche Bedenken gegen "die Regelung des § 21 Abs. 7 BVwGG iVm § 20 Abs. 1, 2 und 6" der GO BVwG geltend macht, teilt der Verwaltungsgerichtshof diese Bedenken vor dem Hintergrund der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 3. März 2014, G 106/2013-10, insbesondere Punkt 2.2.5. der Entscheidungsgründe, nicht. Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich daher nicht veranlasst, ein Normprüfungsverfahren einzuleiten.

2.4. Die vorliegende Revision gegen das am 16. Oktober 2014 zugestellte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde unbestritten im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs unter Verwendung der Übermittlungsstelle "IMD" am 27. November 2014 (Donnerstag) um 16:41:31 Uhr beim Bundesverwaltungsgericht im Sinne des § 21 Abs. 7 BVwGG eingebracht. Damit wurde die Revision am letzten Tag der Frist nach Ablauf der in § 20 Abs. 1 GO BVwG festgesetzten Amtsstunden beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht, sodass diese gemäß § 20 Abs. 6 GO BVwG erst mit Beginn der Amtsstunden des nächsten Arbeitstages (das ist Freitag, der 28. November 2014) als eingebracht gilt. Sie erweist sich demnach als verspätet.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Eventualanträge können sich nur auf innerprozessuale Bedingungen beziehen. Wird ein Eventualantrag - unabhängig von einem bestimmten prozessualen Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - für den Fall der Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer bestimmten Auslegung (etwa der angefochtenen Entscheidung) gestellt, so ist er schon deshalb unzulässig, weil er nicht auf eine innerprozessuale Bedingung abstellt (vgl. den hg. Beschluss vom 4. September 2014, Zl. Ro 2014/12/0044, mit Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2004, Zl. 2002/12/0101).

Der vorliegende Antrag wurde für den Fall, dass der Verwaltungsgerichtshof eine bestimmte, vom Revisionswerber vertretene Rechtsansicht nicht teilen bzw. bestimmte, vom Revisionswerber geäußerte verfassungsrechtliche Bedenken nicht erkennen sollte, gestellt. Er knüpft damit nicht an ein bestimmtes prozessuales Ergebnis des Verfahrens an und erweist sich demnach als unzulässig.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher gemäß § 46 Abs. 1 und Abs. 4 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 17. November 2015

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