VwGH Fr2015/21/0026

VwGHFr2015/21/002628.1.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Dobner, über den Fristsetzungsantrag des M C in P, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2‑4/2/23, gegen das Bundesverwaltungsgericht betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht in einer fremdenrechtlichen Angelegenheit, den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art130 Abs1
B-VG Art130 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGG §38 Abs1
VwGVG 2014 §34 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:FR2015210026.F00

 

Begründung

Der Fristsetzungsantrag wird zurückgewiesen.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten (BH), datierend vom 10. Dezember 2013, wurden gegen den Antragsteller, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 52 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 und 2 FPG ein mit fünf Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt. Dieser Bescheid wurde den ausgewiesenen Rechtsvertretern des Antragstellers am 3. Jänner 2014 zugestellt.

Am 23. November 2015 brachte der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den gegenständlichen Fristsetzungsantrag ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Rechtsvertreter des Antragstellers hätten gegen den eingangs genannten Bescheid mit Schriftsatz vom 23. Jänner 2014 "Berufung (nach Rechtslage 01.01.2014: Beschwerde)" erhoben, die ‑ wie sich dem "Aufgabeschein" entnehmen lasse ‑ am 24. Jänner 2014 per Post sowohl an die BH als auch an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) in St. Pölten gesendet worden sei. Das LVwG habe ‑ so dessen Auskunft ‑ das dort irrtümlicherweise eingebrachte Rechtsmittel an die BH weitergeleitet. Nach Mitteilung des Referenten der BH sei der gesamte Fremdenakt dem nunmehr zuständigen Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) übermittelt worden. Zuletzt habe der Antragsteller die Beschwerde vom 23. Jänner 2014 nochmals mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 beim BFA eingebracht, weil ‑ so heißt es in dem genannten Schriftsatz ‑ die Beschwerde offensichtlich noch nicht gemäß § 6 Abs. 1 AVG an die zuständige (Einbringungs‑)Stelle weitergeleitet worden sei, zumal sich laut telefonischer Auskunft des BFA vom 17. September 2015 keine Beschwerde im Akt befinde.

Obwohl seit Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2013 bereits ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten verstrichen sei, habe das hierfür zuständige BVwG bisher keine Beschwerdeentscheidung erlassen. Dadurch habe das BVwG seine Entscheidungspflicht verletzt. Es wurde daher beantragt, der Verwaltungsgerichtshof möge dem BVwG für die Entscheidung eine Frist von bis zu drei Monaten setzen.

Diesen Fristsetzungsantrag wies das BVwG mit Beschluss vom 25. November 2015 gemäß § 30a Abs. 1 und 8 iVm § 38 VwGG als unzulässig zurück. Das BVwG werde erst für die Bearbeitung einer Beschwerde zuständig, wenn die Vorlage durch die Behörde erfolgt sei. Das sei "bis zum jetzigen Zeitpunkt" nicht der Fall. Das "vermeintlich in Beschwerde gezogene Verfahren" sei "bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht anhängig" geworden. Eine Säumigkeit des BVwG könne somit nicht vorliegen, weshalb der Fristsetzungsantrag unzulässig sei.

Im Hinblick darauf brachte der Antragsteller fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 30b Abs. 1 VwGG ein. Das BVwG legte dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 30b Abs. 2 VwGG den Vorlageantrag und den Fristsetzungsantrag unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit des Fristsetzungsantrages erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 1 VwGG kann ein Fristsetzungsantrag erst gestellt werden, wenn das Verwaltungsgericht die Rechtssache ‑ von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen ‑ nicht binnen sechs Monaten entschieden hat. Damit korrespondiert der die Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normierende § 34 VwGVG. Nach dessen ersten Satz ist das Verwaltungsgericht nämlich verpflichtet, (u.a.) über Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden. Nach dem zweiten Satz des § 34 Abs. 1 VwGVG beginnt die Entscheidungsfrist im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B‑VG ‑ diese Bestimmung erfasst in der Z 1 auch die hier gegenständliche Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit ‑ mit der Vorlage der Beschwerde.

Die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes wird in diesem Fall daher (erst) mit dem Einlangen der Beschwerde ausgelöst. Die Frist für die Entscheidung beginnt somit in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem die Beschwerde beim Verwaltungsgericht einlangt. Erst das tatsächliche Einlangen beim Verwaltungsgericht ist maßgeblich (vgl. Reisner in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, Rz 10 zu § 34 VwGVG; idS auch Martschin/Schmid in Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, K 3. zu § 34 VwGVG).

Vor diesem Hintergrund steht das BVwG nach dem Inhalt des Zurückweisungsbeschlusses vom 25. November 2015 auf dem Standpunkt, es habe eine sie treffende Entscheidungspflicht in Bezug auf eine Beschwerde gegen den eingangs erwähnten Bescheid der BH vom 10. Dezember 2013 nicht verletzt, weil ihm eine solche Beschwerde vom BFA (noch) nicht vorgelegt worden sei; ein diesbezügliches Verfahren sei beim BVwG nicht anhängig.

Diese Annahme wird vom Antragsteller nicht bestritten. Sowohl im Fristsetzungsantrag als auch im Vorlageantrag geht der Antragsteller nämlich nur davon aus, das BFA hätte den Beschwerdeschriftsatz, nachdem er von der BH übermittelt worden war, dem BVwG vorlegen müssen. Dass die Vorlage der Beschwerde an das BVwG (bereits) vorgenommen worden sei, wird vom Antragsteller nicht behauptet.

Erst im Vorlageantrag beruft er sich dann darauf, dass die mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 dem BFA (nochmals) übermittelte Beschwerde von diesem mittlerweile dem BVwG vorgelegt worden sei. Daraus ist aber im vorliegenden Zusammenhang jedenfalls nichts zu gewinnen, weil seit damals bis zur Einbringung des Fristsetzungsantrages bei Weitem noch keine sechs Monate verstrichen waren.

Von daher war der vorliegende Fristsetzungsantrag mangels Ablaufs der Entscheidungsfrist schon von vornherein unzulässig und gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 38 Abs. 4 erster Satz VwGG mangels Berechtigung zu seiner Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen, wobei der vorliegende Zurückweisungsbeschluss an die Stelle jenes des BVwG tritt (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 23. Oktober 2015, Fr 2015/21/0012, Punkt 5. der Begründung, mwN).

Wien, am 28. Jänner 2016

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