VwGH Fe 2022/06/0001

VwGHFe 2022/06/00013.1.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart‑Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über den Antrag des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13. Juni 2019, 49 Cg 17/18t, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des baurechtlichen Bescheides des Magistrats Klagenfurt (gemeint: des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt) vom 12. Juli 1991, BR‑200/164/91, (Parteien im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof: 1. Bürgermeister der Landeshauptstadt Klagenfurt; 2. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 3. Österreichische Gesundheitskasse (ehemals Kärntner Gebietskrankenkasse), 4. Pensionsversicherungsanstalt, zweite bis vierte Partei jeweils vertreten durch Dr. Peter Schaden, Mag. Werner Thurner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sporgasse 2; 5. G GmbH in K, vertreten durch Mag. Cornelia Strauß, Rechtsanwältin in 9020 Klagenfurt, Dr. A. Lemisch Platz 2; 6. Mag. A L in G, vertreten durch Dr. Thomas C. Mair, Rechtsanwalt in 4820 Bad Ischl, Kohausstraße 9; 7. K GmbH in M, vertreten durch die Wiedenbauer Mutz Winkler und Partner Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Gabelsbergerstraße 5; 8. Landeshauptstadt Klagenfurt, vertreten durch Fink + Partner, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Bahnhofstraße 5), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13
BauO Krnt 1969 §13 Abs1
BauO Krnt 1969 §9 Abs2
BauRallg
B-VG Art10 Abs1 Z10
B-VG Art10 Abs1 Z8
B-VG Art15 Abs1
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:FE2022060001.H00

 

Spruch:

Der Feststellungsantrag des Landesgerichts Klagenfurt wird im Umfang der beantragten Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 12. Juli 1991, BR‑200/164/91, mit welchem die baurechtliche Genehmigung für die Errichtung einer Montagehalle mit Büro‑ und Lagerräumen am Standort Klagenfurt, Parzelle Nr. X, KG E, erteilt worden war, zurückgewiesen.

Die in diesem Verfahren erwachsenen Kosten der Parteien sind Kosten des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht.

Begründung

1 Mit dem vorliegenden, auf Art. 133 Abs. 2 B‑VG iVm §§ 64 ff VwGG iVm § 11 Amtshaftungsgesetz (AHG) gestützten Antrag begehrt das Landesgericht Klagenfurt (im Folgenden: Gericht) ‑ soweit für die hier vorliegende Entscheidung von Relevanz ‑ die Überprüfung und Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids des „Magistrats Klagenfurt“ (richtig: des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt) vom 12. Juli 1991, mit welchem die Baubewilligung für die Errichtung einer Montagehalle am Standort Klagenfurt, Parzelle Nr. X, KG E, erteilt worden war.

2 Soweit der Feststellungsantrag die Überprüfung des gewerberechtlichen Bewilligungsbescheids des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 2. September 1991 betrifft, wurde dieses Verfahren mit hg. Beschluss vom 18. März 2022, Fe 2019/04/0001, bereits abgeschlossen. Auf den in diesem Beschluss dargestellten Sachverhalt wird verwiesen.

3 Demnach bildet den Anlass für den Feststellungsantrag ein bei dem Gericht ‑ im zweiten Rechtsgang nur noch ‑ gegen die Landeshauptstadt Klagenfurt anhängiges Amtshaftungsverfahren. Dem liegt den Ausführungen des Gerichts zufolge zusammengefasst folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 26. Juli 2001 ereignete sich auf einem gewerberechtlich und baurechtlich genehmigten Betriebsgelände ein Arbeitsunfall, bei welchem der bei den im zivilgerichtlichen Verfahren als Kläger auftretenden Parteien pflichtversicherte Mitarbeiter eines Wartungsunternehmens, das mit Überprüfungs‑ und Wartungsarbeiten betreffend den auf dem Betriebsgelände befindlichen Sickerschacht beauftragt worden war, auf Grund der im Sickerschacht herrschenden hohen Kohlendioxydkonzentration und extrem niedrigen Sauerstoffkonzentration schwerste neurologische Schäden erlitt und letztlich an den Verletzungsfolgen verstarb. Ein weiterer Arbeiter, der dem Bewusstlosen zu Hilfe kommen wollte, verstarb ebenfalls auf Grund seiner erlittenen Gesundheitsschädigung.

Auf den Grundstücken, auf welchen die verfahrensgegenständliche Betriebsanlage später genehmigt wurde, bestand zuvor ein wasserrechtlich genehmigter Müllablagerungsplatz, auf dem ab dem Jahr 1967 Müll unterschiedlicher Art ‑ auch Hausmüll ‑ abgelagert wurde. Unter den vorhandenen geologischen Bedingungen konnte „Deponiegas“ über Entfernungen von 60 bis 80 m migrieren. Nach Beendigung der Müllablagerungen wurde durch die Landeshauptstadt Klagenfurt eine Planierung und Humusierung der dortigen Bodenfläche durchgeführt, weshalb sich das Gelände in der Folge als eine mit Gras bewachsene ungenutzte Wiese darstellte. Die betreffenden Grundstücke waren im Flächenwidmungsplan der Landeshauptstadt Klagenfurt aus dem Jahre 1968 als „Wiese und Brachland“ ausgewiesen; im Jahr 1977 kam es zu einer Widmungsänderung der Grundstücke in „Bauland ‑ gemischtes Baugebiet, Sonderwidmung gewerbliche Betriebe“. Im Rahmen einer Erhebung von Verdachtsflächen bzw. Altlasten im Zusammenhang mit dem im Jahr 1989 in Kraft getretenen Altlastensanierungsgesetz wurden die oben beschriebenen Grundstücke nicht angegeben.

4 Aus dem Antrag des Gerichts in Zusammenschau mit dem Urteil des Obersten Gerichtshofs (OGH) vom 9. März 2010, 1 Ob 120/09t, ergibt sich folgender Verfahrensgang im zivilgerichtlichen Verfahren:

Mit Urteil des Gerichts vom 24. September 2008 gab das Gericht dem Klagebegehren gegenüber der Landeshauptstadt Klagenfurt und dem damals noch zweitbeklagten Land Kärnten statt, während das Klagebegehren gegenüber der (damals) drittbeklagten Partei, der Republik Österreich, abgewiesen wurde.

Mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 31. März 2009 wurde die Amtshaftungsklage gegenüber allen drei Parteien abgewiesen.

Mit Urteil des OGH vom 9. März 2010, 1Ob 120/09t, erklärte dieser die gegen das Berufungsurteil erhobenen Revisionen für zulässig, in Ansehung des Landes Kärnten und der Republik Österreich jedoch für nicht berechtigt. Zur Haftung des Bundes aus wasserrechtlicher Sicht führte der OGH aus:

„Ob bei der wasserrechtlichen Genehmigung der Betriebsanlage [...] ‑ einschließlich des Sickerschachts, in dem sich der Unfall ereignet hat ‑ Fehler unterlaufen sind, ist schon angesichts des Schutzzwecks der einschlägigen Normen des WRG nicht zu prüfen. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist Schutzzweck der §§ 30 ff WRG die Reinhaltung und der Schutz der Gewässer einschließlich des Grundwassers, wobei selbstverständlich auch die Gefährdung der Gesundheit oder des Lebens von Menschen hintangehalten werden soll. Nicht verhindert werden soll durch die Bestimmungen des WRG hingegen die Bildung gasförmiger Beeinträchtigungen, soweit sich diese nicht über das Medium Wasser ausbreiten oder auf dieses nachteilig einwirken. Im vorliegenden Fall ist es zur Gesundheitsschädigung des Verletzten dadurch gekommen, dass sich auf dem Betriebsgelände aufgrund von organischen Ablagerungen Kohlendioxid gebildet hat, das in den Sickerschacht eindrang und den Sauerstoff weitgehend verdrängte. Mit einer Beeinträchtigung des (Grund‑)Wassers hat dies nichts zu tun. Dass bei weitergehenden Untersuchungen im Rahmen des wasserbehördlichen Verfahrens möglicherweise auch die Gefahr der Beeinträchtigung durch gasförmige Stoffe zutage getreten wäre, ist nicht von entscheidender Bedeutung, handelte es sich dabei doch bloß um eine sogenannte Reflexwirkung, die über den Schutzzweck der Normen des WRG hinausginge. Damit erübrigt sich auch ein Eingehen auf die Frage, ob mit Inkrafttreten der WRG‑Novelle 1990 die Verpflichtung verbunden gewesen wäre, auch eine früher als Deponiefläche verwendete Liegenschaft im Grundbuch entsprechend kenntlich zu machen.“

Betreffend die Haftung der Stadtgemeinde Klagenfurt aus bau‑ und raumordnungsrechtlicher Sicht führte der OGH zusammengefasst aus, die raumordnungs‑ und baurechtlichen Normen dienten zwar in erster Linie der Förderung öffentlicher Interessen; dies schließe jedoch nicht aus, konkrete physische Personen, die bei der Missachtung dieser Vorschriften gesundheitliche Nachteile erleiden könnten, in den Schutzbereich einzubeziehen. Zusammenfassend hielt der OGH fest, dass durch raumordnungsrechtliche Vorschriften, nach denen die Baulandwidmung insoweit verboten sei, als von den betroffenen Liegenschaften Gefahren für die Gesundheit der dort aufhältigen Personen ausgingen, jedermann geschützt sei, der sich auf dem betreffenden Grundstück (befugtermaßen) aufhalte. Damit falle auch der im vorliegenden Fall Verletzte in die Gruppe der geschützten Personen. Sollte sich die Widmungsänderung im Jahr 1975 als rechtswidrig erweisen, bestünde auch an der Kausalität des Verhaltens der Organe der Landeshauptstadt Klagenfurt kein Zweifel, weil es ansonsten bei der Widmung als Grünland geblieben wäre und sich der Gewerbebetrieb dort nicht angesiedelt hätte.

Hinsichtlich der gegen die Landeshauptstadt Klagenfurt gerichteten Ansprüche, stellte der OGH einen Verordnungsprüfungsantrag betreffend den Flächenwidmungsplan 1975 an den Verfassungsgerichtshof, der diesen jedoch mit Beschluss vom 6. Oktober 2010, VfSlg. 19.201/2010, wegen entschiedener Sache zurückwies.

Der in der Folge gestellte Normenkontrollantrag des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Juli 2012 betreffend den Flächenwidmungsplan vom 4. Mai 1977, in Kraft seit 10. Juni 1977, mit dem für das betreffende Grundstück neuerlich die Widmung „Bauland ‑ gemischtes Baugebiet, Sonderwidmung gewerbliche Betriebe“ verfügt worden war, wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. Oktober 2014, V 53/2012, mit der Begründung abgewiesen, dass eine Baulandwidmung nach dem Kärntner Gemeindeplanungsgesetz 1970 für nicht von vornherein und abstrakt betrachtet für jegliche Bebauung ungeeignete Grundflächen in Gefährdungslage nicht ausgeschlossen sei; die Entscheidung über die konkrete Bebaubarkeit erfolge erst im Rahmen des jeweiligen behördlichen Bewilligungsverfahrens.

5 Der Verwaltungsgerichtshof gab mit Verfügung vom 2. August 2022 den Parteien des Verfahrens Gelegenheit, sich zum hier verfahrensgegenständlichen Feststellungsantrag zu äußern.

6 Die Landeshauptstadt Klagenfurt beantragte in der „Revisionsbeantwortung“ die Zurückweisung, in eventu die Abweisung des Feststellungsantrages des Landesgerichtes Klagenfurt.

Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, die Österreichische Gesundheitskasse (ehemals Kärntner Gebietskrankenkasse) sowie die Pensionsversicherungsanstalt (klagende Parteien) beantragten in ihrer Stellungnahme, „der VfGH“ möge aussprechen, der Baubewilligungsbescheid des „Magistrates Klagenfurt“ vom 12. Juli 1991 sei rechtwidrig gewesen.

7 Die hier relevanten Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes (AHG) lauten auszugsweise:

„Haftpflicht

§ 1. (1) Der Bund, die Länder, die Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts und die Träger der Sozialversicherung ‑ im folgenden Rechtsträger genannt ‑ haften nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben; dem Geschädigten haftet das Organ nicht. Der Schaden ist nur in Geld zu ersetzen.

...

§ 11. (1) Ist die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde oder des Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes abhängig, über die noch kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes vorliegt, und hält das Gericht den Bescheid bzw. das Erkenntnis oder den Beschluss für rechtswidrig, so hat es, sofern die Klage nicht gemäß § 2 abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 2 des Bundes‑Verfassungsgesetzes ‑ B‑VG, https://www.ris.bka.gv.at/BgblAltDokument.wxe?Abfrage=BgblAlt&Bgblnummer=1/1930 , die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides bzw. des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu beantragen. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden.“

Gemäß § 9 Abs. 2 Kärntner Bauordnung 1969 (K‑BO), LGBl. Nr. 48/1969 in der hier relevanten Fassung LGBl. Nr. 79/1979, hatte die Behörde im Rahmen der Vorprüfung unter anderem festzustellen, ob dem Vorhaben der Flächenwidmungsplan (lit. b) entgegenstand oder ob ihm Interessen der Sicherheit im Hinblick auf seine Lage (lit. e) entgegenstanden.

Gemäß § 13 Abs. 1 K‑BO hatte die Behörde eine Baubewilligung zu erteilen, wenn dem Vorhaben nach Art, Lage, Umfang, Form, und Verwendung öffentliche Interessen, insbesondere solche der Sicherheit, der Gesundheit, der Energieersparnis, des Verkehrs, des Fremdenverkehrs sowie der Erhaltung des Landschaftsbildes oder des Schutzes des Ortsbildes nicht entgegenstanden. Entsprach das Vorhaben nicht den Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 K‑BO, waren diese durch Auflagen herzustellen (§ 14 Abs. 1 K‑BO). Waren die Voraussetzungen für die Baubewilligung nicht gegeben und konnten diese durch Auflagen nach § 14 Abs. 1 K‑BO auch nicht hergestellt oder konnten die Auflagen nicht erfüllt werden, war die Baubewilligung zu versagen (§ 15 K‑BO).

8 Die baurechtliche Entscheidung betreffend stützte das Gericht ein von ihm vermutetes rechtswidriges Verhalten des (richtig) Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt auf die §§ 13 Abs. 1 und 14 Abs. 1 K‑BO, insbesondere das öffentliche Interesse des Gesundheitsschutzes. Ergänzend verwies das Gericht zum Verschulden der Organe der Landeshauptstadt Klagenfurt auf die Ausführungen des OGH in seinem Urteil vom 9. März 2010, 1Ob 120/09t, wonach die Mülldeponie von der Landeshauptstadt Klagenfurt betrieben worden sei, weshalb die damit verbundenen Gefahren zumindest hätten untersucht werden müssen.

9 Im Rahmen des vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Parteiengehörs führte die Landeshauptstadt Klagenfurt aus, das Unfallgeschehen sei nicht anlässlich der Konsumation der Baubewilligung vom 12. Juli 1991 betreffend die Errichtung einer Montagehalle mit Büro‑ und Lagerräumen, sondern anlässlich der mit wasserrechtlichem Bescheid vom 5. Juli 1991 aufgetragenen Überprüfung der „Wasserbenutzungsanlage (= Abwasserreinigungsanlage/Ölabscheider) nach dem WRG 1959“ eingetreten. Wasserrechtlich bewilligte oder zu bewilligende Abwasserreinigungsanlagen, die den Bestimmungen des WRG 1959 unterlägen, seien „schon allein aus kompetenzrechtlichen Gründen“ nicht Gegenstand eines Bewilligungsverfahrens nach der K‑BO gewesen.

10 Der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zufolge kann die Ableitung von Abwässern aus kompetenzrechtlicher Sicht sowohl unter baurechtlichen als auch gewerberechtlichen und auch wasserrechtlichen Gesichtspunkten geregelt werden. So fällt die Regelung der Ableitung von Abwässern insofern in die wasserrechtliche Kompetenz, als sie eine Einwirkung auf die fremden Rechte oder auf öffentliche Gewässer mit sich brächte, während es in die gewerberechtliche Bundeskompetenz fällt, das Problem der Abwasserbeseitigung innerhalb gewerblicher Betriebe vom gewerberechtlichen Gesichtspunkt aus zu regeln. Darüber hinausgehend unterliegt die Regelung der Ableitung von Abwässern aus baurechtlichen Gesichtspunkten der Zuständigkeit des Landesgesetzgebers (vgl. etwa VfGH 16.10.1992, B 942/91; VwGH 22.10.1998, 97/06/0272).

Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist es somit nicht grundsätzlich ausgeschlossen, dass der Sickerschacht, in dem sich der Unfall ereignete, auch unter baurechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen war.

11 Der Klage der klagenden Parteien vom 20. Oktober 2004 zufolge, die dem gegenständlichen Feststellungsverfahren zugrunde liegt, wurde [die Versickerung der betrieblichen Abwässer sowie] der „gegenständliche Sickerschacht“ mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 5. Juli 1991 wasserrechtlich bewilligt. Auch der OGH ging in der rechtlichen Beurteilung des Urteils vom 9. März 2010, 1 Ob 120/09t, davon aus, dass der Sickerschacht, in dem sich der Unfall ereignete, wasserrechtlich bewilligt war.

12 Den vorgelegten Verfahrensunterlagen zufolge wurde mit Ansuchen vom 26. April 1991 die wasserrechtliche Bewilligung der Abwasserbeseitigungsanlage auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück beantragt; aus den beiliegenden Projektunterlagen ergibt sich, dass dieser Antrag auch einen Sickerschacht mit einer Einbautiefe von 410 cm und einer Zulauftiefe von 318 cm umfasst.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 5. Juli 1991 wurde die wasserrechtliche Bewilligung für die Versickerung der betrieblichen Abwässer des Waschplatzes auf Parzelle Nr. X, KG E., erteilt. Der Projektbeschreibung zufolge umfasst diese Bewilligung die ölkontaminierten Abwässer des Waschplatzes, die in einem näher konkretisierten Kompaktschlammfang von den mitgeschwemmten Sink‑ und Schwebstoffen befreit werden; ein nachgeschalteter Mineralölabscheider reduziert die Restölmenge auf unter 5 mg Kohlenwasserstoffe; die Ableitung der vom Mineralöl befreiten Abwässer erfolgt über eine näher konkretisierte Versickerungsanlage. Gemäß Auflage 2 dieses Wasserrechtsbescheides muss der Sickerschacht laut Projekt jeweils einen eigenen Zulauf aus der Mineralölabscheideranlage und für das zu versickernde Oberflächenwasser des Manipulationsbereiches haben; in Auflage 12 wird vorgeschrieben, dass mindestens alle fünf Jahre vom Anlagenbetreiber auf dessen Kosten eine Überprüfung durch Sachverständige oder geeignete Anstalten oder Unternehmungen hinsichtlich des Maßes der Einwirkung auf das Grundwasser, den Betriebszustand und die Wirksamkeit der Abwasserreinigungsanlagen durchführen zu lassen ist. Die Ergebnisse dieser Überprüfungen sind der Wasserrechtsbehörde umgehend und unaufgefordert zu übermitteln.

13 Bei einem Baubewilligungsverfahren handelt es sich um ein antragsbedürftiges Verfahren. Art und Umfang des Ansuchens sind ausschlaggebend für den Umfang der behördlichen Entscheidungsbefugnis, weil die „Sache“, über die eine Behörde im Bauverfahren zu entscheiden hat, durch das Ansuchen/die Anzeige bestimmt wird (vgl. die bei Hauer, Der Nachbar im Baurecht6 89 ff, zitierte hg. Rechtsprechung).

Mit dem vom Verwaltungsgerichtshof beigeschafften Antrag vom 7. Jänner 1991 wurde um Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung einer Montagehalle mit Büro‑ und Lagerräumen angesucht. Aus den beigelegten Plänen ergeben sich ‑ im Gegensatz zum Ansuchen vom 26. April 1991 betreffend die wasserrechtliche Bewilligung der Abwasserbeseitigungsanlage ‑ keine Hinweise darauf, dass der Sickerschacht, in dem sich der Unfall ereignete, Teil des Bauantrages gewesen wäre. In der Baubeschreibung wurde ausgeführt, die Dachabwässer würden Regenwassersickergruben, die Fäkalabwässer einer Schmutzwassersickergrube und die Oberflächen‑ und Waschplatzabwässer würden über einen Kompaktschlammfang mit anschließendem Benzinabscheider und Restbenzinabscheider einer Regenwassersickergrube zugeleitet. Angaben über die Lage oder die Dimension dieser Sickergruben sind weder der Baubeschreibung noch den Plänen zu entnehmen; ein Sickerschacht wurde in den gesamten Antragsunterlagen nicht erwähnt. Der Sickerschacht, in dem sich der Unfall ereignete, war demnach nicht Gegenstand des Bauansuchens.

Mit Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Klagenfurt vom 12. Juli 1991 wurde die beantragte Genehmigung unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt. Darin wurden unter anderem Auflagen betreffend die Entsorgung der Betriebsgebäude und Werkstätten über einen Benzin‑Ölabscheider bzw. einen Restbenzin‑Restölabscheider mit einem Restgehalt von höchstens 20 bzw. 10 mg/l Kohlenwasserstoffe sowie die Führung eines Wartungsbuches über die Instandhaltung und Wartung der Mineralölabscheideanlagen vorgeschrieben. Der Bescheid vom 12. Juli 1991 enthält weder die Sickergruben noch einen Sickerschacht betreffend irgendwelche Angaben.

Angesichts des mit dem Antrag vom 7. Jänner 1991 vorgegebenen Verfahrensgegenstandes war es der Baubehörde verwehrt, über weitere ‑ nicht vom Antragsgegenstand umfasste ‑ Bestandteile der Anlage, wie etwa den Sickerschacht, abzusprechen.

14 Davon ausgehend kann die Entscheidung über die Klage gegen die als einzige beklagte Partei im zivilgerichtlichen Verfahren verbliebene Landeshauptstadt Klagenfurt nicht auf ein rechtswidriges Handeln der Baubehörde wegen der Erteilung des Baubescheides vom 12. Juli 1991 gestützt werden, weshalb die Entscheidung des Zivilgerichts auch nicht von der Beantwortung der Frage der Rechtswidrigkeit dieses Bescheids abhängig sein kann.

15 Der vorliegende Feststellungsantrag erweist sich daher in seinem Umfang betreffend die Überprüfung des Baubescheids vor dem Hintergrund des § 11 Abs. 1 AHG, der die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über die Rechtswidrigkeit von behördlichen Entscheidungen nur im Fall der Präjudizialität der Rechtsfrage für das beim antragstellenden Zivilgericht anhängige Verfahren vorsieht, als unzulässig.

16 Der Feststellungsantrag war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Jänner 2023

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