VwGH Fe 2021/11/0001

VwGHFe 2021/11/000123.6.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätinnen Dr. Pollak, Mag. Hainz‑Sator und MMag. Ginthör sowie Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über den auf § 11 Abs. 1 Amtshaftungsgesetz (AHG) gestützten Antrag des Landesgerichts Feldkirch vom 4. November 2021, 57 Cg 76/21w, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg vom 11. Juni 2018, GVLK‑40‑063/006-2018, sowie vom 10. Mai 2019, GVLK-40-063/006-2018, betreffend Genehmigung nach dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz (weitere Parteien: 1. Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg, 2. Land Vorarlberg, vertreten durch Dr. Frank Philipp, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Bahnhofstraße 16; 3. B N in H, vertreten durch Mag. Stefan Huchler, Rechtsanwalt in 6845 Hohenems, Franz‑Michael‑Felder‑Straße 6), zu Recht erkannt:

Normen

AHG 1949 §11
B-VG Art133 Abs2 idF 2012/I/051
GVG Vlbg 2004 §31
GVG Vlbg 2004 §6
GVG Vlbg 2004 §9 Abs2
VwGG §41
VwGG §65 Abs1
VwGG §67 idF 2013/I/033
VwGG §70
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:FE2021110001.H00

 

Spruch:

I. Gemäß § 67 VwGG wird die Rechtswidrigkeit des Bescheides der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg vom 11. Juni 2018, GVLK‑40‑063/006-2018, festgestellt.

II. Im Übrigen (betreffend den Bescheid der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg vom 10. Mai 2019, GVLK‑40‑063/006‑2018) wird der Antrag abgewiesen.

Die in diesem Verfahren erwachsenen Kosten der Parteien sind Kosten des Rechtsstreites vor dem antragstellenden Gericht.

Begründung

1 Beim antragstellenden Gericht ist zur Zahl 57 Cg 76/21w ein Amtshaftungsverfahren der Klägerin B N (in der Folge: Klägerin) gegen das Land Vorarlberg als beklagte Partei anhängig. Die Klägerin begehrt in diesem Verfahren den Ersatz jenes Schadens (Amtshaftung), der ihr aus der Führung eines grundverkehrsbehördlichen Verfahrens entstanden sei (insbesondere Kosten der anwaltlichen Vertretung in diesem Verfahren).

Aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich Folgendes:

2 Die Klägerin beantragte am 20. April 2018 bei der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg die Erteilung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung für einen auf einem Vermächtnis der im Jahr 2018 verstorbenen H H beruhenden Rechtserwerb eines näher bezeichneten (eine Fläche von 1.592 m² umfassenden, in der KG H gelegenen) Grundstückes seitens der Klägerin.

3 Mit Bescheid vom 11. Juni 2018, GVLK‑40‑063/006‑2018, versagte die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg die beantragte Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. f iVm. § 9 Abs. 2 Vorarlberger Grundverkehrsgesetz (im Folgenden: VGVG).

4 Begründend wurde u.a. ausgeführt, die gegenständliche Liegenschaft sei im Flächenwidmungsplan als Freifläche-Freihaltegebiet ausgewiesen. Infolge eines Antrags der Klägerin vom 3. Oktober 2006 auf Genehmigung des käuflichen Erwerbs der in Rede stehenden Liegenschaft seitens der Klägerin von H H (Kaufpreis € 8.100,‑‑) sei dieser Rechtserwerb mit Bescheid der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg vom 9. Februar 2007 versagt worden, weil die Klägerin keine Landwirtin gewesen und die Bewirtschaftung der Kaufliegenschaft im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebs durch einen Landwirt nicht sichergestellt worden sei. Bereits damals seien Teile der betreffenden Liegenschaft in Form eines Schrebergartens inklusive Hütte mit diversen Anpflanzungen für private Zwecke genutzt worden. Dieser Bescheid sei nicht bekämpft worden. Ferner hätten die Eltern der Klägerin schon mit Antrag vom 23. Juni 1989 betreffend den von ihnen beabsichtigten Rechtserwerb derselben Liegenschaft von H H (und dessen Ehegatten) um die Genehmigung der Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung angesucht. Der damals vereinbarte Kaufpreis habe ATS 111.440,-- (umgerechnet € 8.098,66) betragen. Die Behörde legte näher dar, aus welchen Gründen vor diesem Hintergrund anzunehmen sei, dass die von H H am 8. Mai 2007 verfasste letztwillige Verfügung, in der festgelegt worden sei, dass die Klägerin die in Rede stehenden Liegenschaft als Vermächtnisnehmerin erhalten solle, nur erstellt worden sei, um die Genehmigungsvoraussetzungen für den Rechtserwerb durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden zu umgehen. Die Behörde gehe auch davon aus, dass der im Jahr 1989 für den Erwerb des gegenständlichen Grundstücks vereinbarte Kaufpreis bereits an H H entrichtet worden sei. Folglich sei vom Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts im Sinn von § 31 VGVG auszugehen. Im Hinblick darauf sei die von der Klägerin am 20. April 2018 beantragte Genehmigung aufgrund der im VGVG normierten Grundsätze und Ziele zu versagen gewesen.

5 In Stattgebung der dagegen erhobenen Beschwerde der Klägerin hob das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg mit Beschluss vom 7. November 2018 den Bescheid vom 11. Juni 2018 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Grundverkehrs-Landeskommission Vorarlberg zurück. Diese Entscheidung wurde nicht bekämpft.

6 In der Begründung seines zurückverweisenden Beschlusses führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg hätte ausgehend von der auch vom Verwaltungsgericht geteilten Beurteilung, derzufolge das genannte Vermächtnis ein Umgehungsgeschäft für einen zuvor grundverkehrsrechtlich versagten Kaufvertrag sei, die Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit des Rechtserwerbs nach dessen wahren Gehalt (§ 31 VGVG) vornehmen müssen (Hinweis auf VwGH 23.3.2017, Ra 2016/11/0155). Folglich hätte die Genehmigungsfähigkeit der gegenständlichen Eigentumsübertragung als solche unter Lebenden nach den Voraussetzungen des § 6 VGVG, gegebenenfalls nach Durchführung eines Bekanntmachungsverfahrens, geprüft werden müssen. Hinsichtlich der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 VGVG seien durch die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg keinerlei Feststellungen getroffen worden. Im Hinblick auf die Frage, ob der betreffende Rechtserwerb der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspreche, sei neben der Ortsüblichkeit des bereits bezahlten „Kaufpreises“ auch zu klären, ob die Bewirtschaftung des gegenständlichen als Freifläche‑Freihaltegebiet gewidmeten Grundstückes im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes ohne Rekultivierungsmaßnahmen zweckmäßig erscheine. Die Klägerin sei keine Landwirtin. Da das gegenständliche Grundstück ein Flächenausmaß von mehr als 0,1 ha aufweise, sei zu prüfen, ob das in § 5 VGVG normierte Bekanntmachungsverfahren, dessen Durchführung gemäß § 5 Abs. 2 VGVG dem Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission obliege, zur Anwendung gelange.

7 Mit Bescheid vom 10. Mai 2019, GVLK‑40‑063/006‑2018, versagte die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg neuerlich die von der Klägerin beantragte Genehmigung gemäß § 6 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. d iVm. § 9 Abs. 2 VGVG. Die Behörde gelangte zusammengefasst zum Ergebnis, die Bewirtschaftung der gegenständlichen Liegenschaft durch einen Landwirt sei im Fall des Erwerbs durch die Klägerin nicht gesichert. Diese habe darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht angegeben, den bisher von einem Landwirt landwirtschaftlich genutzten Teil des Grundstücks „auch noch der Natur überlassen zu wollen“. Die Klägerin beabsichtige, die Liegenschaft für Freizeitzwecke sowie als Naturgarten zu nützen, sodass gemäß § 6 Abs. 2 lit. d VGVG die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegend nicht erfüllt seien.

8 Mit Beschluss vom 27. September 2019 gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der dagegen erhobenen Beschwerde der Klägerin erneut insoweit statt, als der Bescheid vom 10. Mai 2019 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg zurückverwiesen wurde. Auch diese Entscheidung wurde nicht bekämpft.

9 Dazu führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg hätte im zweiten Rechtsgang das Bekanntmachungsverfahren (§ 5 Abs. 1 bis 4 VGVG) durchführen müssen.

10 Zur weiteren Vorgeschichte wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf den hg. Beschluss vom 1. Februar 2022, Ra 2020/11/0103, verwiesen; mit diesem hg. Beschluss wurde die außerordentliche Revision der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg zurückgewiesen, die diese gegen das einer Beschwerde der Klägerin gegen den im dritten Rechtsgang ergangenen (die beantragte Genehmigung erneut versagenden) Bescheid dieser Behörde vom 7. Februar 2020 stattgebende und (in Abänderung dieses Bescheides) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung erteilende Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 8. Mai 2020 erhoben hatte.

11 In dem im gegenständlichen Feststellungsverfahren durch den Verwaltungsgerichtshof gemäß § 70 iVm. § 36 VwGG eingeleiteten Vorverfahren äußerten sich die Klägerin sowie die beklagte Partei zu dem vorliegenden auf § 11 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes gestützten Antrag des Landesgerichtes Feldkirch.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 § 11 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes (AHG) lautet:

„Ist die Entscheidung des Rechtsstreites von der Frage der Rechtswidrigkeit des Bescheides einer Verwaltungsbehörde oder des Erkenntnisses oder Beschlusses eines Verwaltungsgerichtes abhängig, über die noch kein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes vorliegt, und hält das Gericht den Bescheid bzw. das Erkenntnis oder den Beschluss für rechtswidrig, so hat es, sofern die Klage nicht gemäß § 2 abzuweisen ist, das Verfahren zu unterbrechen und beim Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 2 des Bundes‑Verfassungsgesetzes ‑ B‑VG, BGBl. Nr. 1/1930, die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides bzw. des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu beantragen. Nach Einlangen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und den Rechtsstreit unter Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes zu entscheiden.“

13 Der Umstand, dass ein Bescheid infolge Aufhebung bzw. Abänderung durch ein Verwaltungsgericht nicht mehr dem Rechtsbestand angehört, stellt kein Hindernis für die Antragstellung durch ein ordentliches Gericht dar. Die Entscheidung über einen Antrag nach § 11 AHG iVm. § 67 VwGG setzt nämlich nicht voraus, dass der vom Verwaltungsgerichtshof zu überprüfende Bescheid überhaupt bzw. in seiner ursprünglichen Form weiterhin dem Rechtsbestand angehört, zumal die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann noch Bedeutung haben kann, wenn der Bescheid infolge nachträglicher Aufhebung nicht mehr dem Rechtsbestand angehört (vgl. VwGH 16.12.2019, Fe 2019/02/0001).

14 Der vorliegende Antrag des Landesgerichts Feldkirch auf „Überprüfung“ der Bescheide der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg vom 11. Juni 2018 sowie vom 10. Mai 2019 „hinsichtlich der Frage der Rechtswidrigkeit“ erweist sich daher als zulässig.

15 Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides im Sinne des § 65 Abs. 1 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die bei der Erlassung des zu überprüfenden Bescheides zu beachtende Sach- und Rechtslage zu Grunde zu legen (vgl. VwGH 26.9.2017, Fe 2016/05/0001, mwN).

16 Das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz (VGVG), LGBl. Nr. 42/2004 in der Fassung LGBl. Nr. 5/2019, lautet (auszugsweise):

„§ 4

Genehmigungspflicht

(1) Der Verkehr mit land‑ oder forstwirtschaftlichen Grundstücken bedarf der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, wenn er eines der nachstehenden Rechte zum Gegenstand hat:

a) das Eigentum;

...

§ 5

Erwerb durch Nicht-Landwirte, Bekanntmachung

(1) Ein Rechtserwerb an einem landwirtschaftlichen Grundstück ist, sofern der Erwerber nicht Landwirt ist, nach den Abs. 2 und 3 bekannt zu machen. Davor darf er nicht genehmigt werden.

...

(4) Ist ein Landwirt bereit, das Recht zum ortsüblichen Preis zu erwerben, kann er dies während der Bekanntmachungsfrist dem Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission schriftlich oder mit E‑Mail mitteilen. Mit der Mitteilung hat er nachzuweisen, dass er zum Rechtserwerb in der Lage ist und sein Betrieb einer Aufstockung bedarf. Der Landwirt ist an seine Mitteilung bis zum Ablauf von acht Wochen nach dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die die Genehmigung des der Mitteilung zugrundeliegenden Rechtserwerbes versagt, gebunden.

(5) Die Abs. 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Rechtserwerb

a) an einem landwirtschaftlichen Grundstück mit einem Flächenausmaß von weniger als 0,1 ha erfolgt;

...

(8) Ergeben sich Zweifel, ob die Bewirtschaftung des Grundstückes durch einen Landwirt gesichert ist, insbesondere wenn das Grundstück zuletzt nicht von einem Landwirt bewirtschaftet wurde, so ist in der Bekanntmachung (Abs. 3) zusätzlich auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass ein Landwirt seine Bereitschaft mitteilen kann, das Grundstück ‑ ohne das Recht im Sinne des Abs. 1 zu erwerben ‑ zum ortsüblichen Preis zu bewirtschaften; der Abs. 4 gilt im Hinblick auf die Bekanntmachungsfrist sinngemäß.

§ 6

Voraussetzungen für die Genehmigung

(1) Der Rechtserwerb darf nur genehmigt werden,

a) ‑ im Falle landwirtschaftlicher Grundstücke ‑ wenn er dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes entspricht und der Erwerber das Grundstück im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes selbst bewirtschaftet und im Betrieb auch seinen ständigen Wohnsitz hat oder, soweit ein solches nicht in Frage kommt, er der Erhaltung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden, mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Grundbesitzes nicht widerspricht;

...

(2) Die Voraussetzungen des Abs. 1 sind insbesondere dann nicht erfüllt, wenn ...

d) anzunehmen ist, dass die Bewirtschaftung durch einen Landwirt nicht gesichert ist bzw. - falls kein Landwirt zur Bewirtschaftung zu ortsüblichen Bedingungen bereit ist - auch die ortsübliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung durch einen Nichtlandwirt nicht gesichert ist;

...

f) anzunehmen ist, dass zur Umgehung dieses Gesetzes Rechtsgeschäfte nur abgeschlossen oder Veränderungen am Grundstück nur vorgenommen wurden, um eine Genehmigung zu erwirken;

g) eine Mitteilung nach § 5 Abs. 4 vorliegt, der Landwirt nachgewiesen hat, dass er zum Rechtserwerb zum ortsüblichen Preis in der Lage ist und sein Betrieb der Aufstockung bedarf, sowie der Rechtserwerb zur Aufstockung des Betriebes geeignet ist.

...

 

§ 8

Voraussetzungen

(1) Der Rechtserwerb darf nur genehmigt werden, wenn

a) beim Rechtserwerb an einem land- oder forstwirtschaftlichen Grundstück die Voraussetzungen des § 6 erfüllt sind,

...

§ 9

Ausnahmen

...

(2) Rechtserwerbe von Todes wegen durch Personen, die nicht zum Kreis der nächsten Angehörigen (§ 28 Abs. 3) gehören, sind zu genehmigen, sofern die letztwillige Zuwendung nicht zum Zwecke der Umgehung der sonst geltenden Genehmigungsvoraussetzungen erfolgt ist.

...

§ 31

Schein‑ und Umgehungsgeschäfte

Die Behörde hat Schein‑ und Umgehungsgeschäfte nach ihrer wahren Beschaffenheit bzw. dem beabsichtigten Rechtsgeschäft zu beurteilen. Diese unterliegen, so wie das wahre Rechtsgeschäft abgeschlossen worden ist, den Bestimmungen dieses Gesetzes.“

17 §§ 5 und 9 VGVG in der Fassung vor LGBl. Nr. 5/2019 lauteten auszugsweise:

„§ 5

Erwerb durch Nicht‑Landwirte, Bekanntmachung

(1) Ein Rechtserwerb an einem landwirtschaftlichen Grundstück mit einem Flächenausmaß von mehr als 0,1 ha ist, sofern der Erwerber nicht Landwirt ist, nach den Abs. 2 und 3 bekannt zu machen. Davor darf er nicht genehmigt werden.

...

(4) Ist ein Landwirt bereit, das Recht zum ortsüblichen Preis zu erwerben, kann er dies während der Bekanntmachungsfrist dem Vorsitzenden der Grundverkehrs-Landeskommission schriftlich mitteilen. Mit der Mitteilung hat er nachzuweisen, dass er zum Rechtserwerb in der Lage ist und sein Betrieb einer Aufstockung bedarf. Der Landwirt ist an seine Mitteilung bis zum Ablauf von acht Wochen nach dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die die Genehmigung des der Mitteilung zugrundeliegenden Rechtserwerbes versagt, gebunden.

...

(7) Ergeben sich Zweifel, ob die Bewirtschaftung des Grundstückes durch einen Landwirt gesichert ist, insbesondere wenn das Grundstück zuletzt nicht von einem Landwirt bewirtschaftet wurde, so ist in der Bekanntmachung (Abs. 3) zusätzlich auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass ein Landwirt seine Bereitschaft mitteilen kann, das Grundstück ‑ ohne das Recht im Sinne des Abs. 1 zu erwerben ‑ zum ortsüblichen Preis zu bewirtschaften; der Abs. 4 gilt im Hinblick auf die Bekanntmachungsfrist sinngemäß.

...

§ 9

Ausnahmen

...

(2) Rechtserwerbe aufgrund gewillkürter Erbfolge oder Vermächtnis durch Personen, die nicht zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, sind zu genehmigen, sofern die letztwillige Zuwendung nicht zum Zwecke der Umgehung der sonst geltenden Genehmigungsvoraussetzungen erfolgt ist.“

I.) Zum Bescheid vom 11. Juni 2018:

18 Vorauszuschicken ist, dass die Parteien im vorliegenden Verfahren der Rechtsauffassung der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg (sowie der des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg), derzufolge es sich bei dem gegenständlichen Rechtserwerb eines landwirtschaftlichen Grundstückes infolge einer letztwilligen Zuwendung der H H an die Klägerin um eine Umgehungshandlung handle, nicht substantiiert entgegentraten. Es sind im vorliegenden Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die genannte Einschätzung zu beanstanden wäre. Diese wird daher vom Verwaltungsgerichtshof der Entscheidung über den vorliegenden Feststellungsantrag zugrunde gelegt.

19 Auch ausgehend von der von der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg betreffend das Vorliegen einer Umgehungshandlung erzielten Beurteilung erweist sich der Bescheid vom 11. Juni 2018 allerdings als rechtswidrig, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Fall einer Umgehungshandlung im Sinn von § 9 Abs. 2 VGVG gemäß § 31 VGVG zu prüfen ist, ob der Rechtserwerb unter Zugrundelegung seines wahren Gehalts genehmigungsfähig ist (VwGH 23.3.2017, Ra 2016/11/0155; 1.2.2022, Ra 2020/11/0103). Letzteres hat die Grundverkehrs-Landeskommission Vorarlberg in ihrem Bescheid vom 11. Juni 2018 unterlassen.

20 Die beklagte Partei vertritt in ihrer Stellungnahme die Ansicht, dass ohnehin bereits bei Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung nach § 9 Abs. 2 VGVG vorlägen bzw. ob es sich um eine Umgehungshandlung im Sinn dieser Bestimmung handle, von der Behörde eine Prüfung im Sinn des § 31 VGVG durchzuführen und zu prüfen sei, ob die Zuwendung unter Lebenden an den Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 VGVG scheitere, sodass bei Bejahung einer Umgehungshandlung im Sinn von § 9 Abs. 2 VGVG die mangelnde Genehmigungsfähigkeit gemäß § 6 VGVG feststehe und sich in diesem Fall eine weitere Prüfung des Rechtserwerbs nach dessen wahrem Gehalt erübrige.

21 Diese Rechtsauffassung trifft nicht zu (vgl. dazu auch VwGH 1.2.2022, Ra 2020/11/0103). Der letzte Halbsatz des § 9 Abs. 2 VGVG stellt darauf ab, ob die letztwillige Zuwendung zum Zwecke der Umgehung der sonst geltenden Genehmigungsvoraussetzungen geschlossen wurde, und nimmt daher auf die Sichtweise der in die Umgehungshandlung involvierten Personen und deren Motivationslage Bezug, die wahre Beschaffenheit des beabsichtigten Rechtserwerbs durch eine letztwillige Zuwendung zu verschleiern. Dies enthebt die Behörde aber bei Vorliegen einer Umgehungshandlung im Sinn von § 9 Abs. 2 VGVG nicht davon, in einem weiteren Schritt den betreffenden Rechtserwerb nach seiner wahren Beschaffenheit bzw. nach dem beabsichtigten Rechtsgeschäft zu beurteilen (siehe § 31 VGVG; vgl. dazu erneut VwGH 23.3.2017, Ra 2016/11/0155).

22 Daran ändert auch der von der beklagten Partei ins Treffen geführte Umstand nichts, dass mit rechtskräftigem Bescheid der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg vom 9. Februar 2007 der käufliche Rechtserwerb der Liegenschaft durch die Klägerin von H H bereits versagt und die in Rede stehende letztwillige Verfügung kurze Zeit danach, nämlich am 8. Mai 2007, ohne dass Hinweise auf zwischenzeitig eingetretene Änderungen des Sachverhalts vorgelegen seien, verfasst worden sei.

23 Zum einen hatte die Grundverkehrs-Landeskommission Vorarlberg die zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung ‑ somit die bei Zustellung ihres Bescheides vom 11. Juni 2018 ‑ maßgebliche Sach‑ und Rechtslage anzuwenden. Diese ist, wie eingangs erwähnt, auch betreffend den zuletzt genannten Bescheid Maßstab für das vorliegende Feststellungsverfahren. Hingegen war im grundverkehrsbehördlichen Verfahren nicht zu beurteilen, ob bei Verfassen der letztwilligen Verfügung am 8. Mai 2007 die Genehmigungsvoraussetzungen des VGVG für den in Rede stehenden Rechtserwerb erfüllt waren.

24 Zum anderen war von der Behörde der auf der letztwilligen Zuwendung der am 26. März 2018 verstorbenen H H beruhende Rechtserwerb der Klägerin (vgl. §§ 5, 6 und 9 VGVG) nach dessen wahrem Gehalt (anhand der Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 VGVG sowie auf Basis der bei Erlassung des Bescheides vom 11. Juni 2018 maßgeblichen Sach‑ und Rechtslage) zu prüfen.

25 Infolgedessen geht der Hinweis der beklagten Partei auf die bereits mit Bescheid vom 9. Februar 2007 rechtskräftige erfolgte Versagung des Rechtserwerbs der Klägerin ins Leere. Im Hinblick auf den Bescheid vom 9. Februar 2007 stand nicht bindend fest, dass der auf letztwilliger Zuwendung beruhende und von der Behörde nach seinem wahren Gehalt zu beurteilende Rechtserwerb grundverkehrsbehördlich zu versagen wäre. Ebenso wenig stand die mit Bescheid vom 9. Februar 2007 versagte grundverkehrsbehördliche Genehmigung einer inhaltlichen Entscheidung über den gegenständlichen Genehmigungsantrag der Klägerin vom 20. April 2018 entgegen, weil dem damaligen Rechtserwerb ein anderer Rechtsgrund zugrunde lag.

26 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich der Bescheid der Grundverkehrs-Landeskommission Vorarlberg vom 11. Juni 2018, GVLK‑40‑063/006‑2018, als rechtswidrig. Es war somit die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides gemäß § 67 VwGG festzustellen.

II.) Zum Bescheid vom 10. Mai 2019:

27 Im zweiten Rechtsgang verneinte die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg in ihrem Bescheid vom 10. Mai 2019 das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 iVm. Abs. 2 lit. d VGVG u.a., weil nicht gesichert sei, dass die Bewirtschaftung der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Liegenschaft durch einen Landwirt erfolgen werde. Zudem strebe die Klägerin die Nutzung der Liegenschaft für Freizeitzwecke und als Naturgarten an. Ein Bekanntmachungsverfahren gemäß § 5 VGVG wurde von der Behörde nicht durchgeführt.

28 Festzuhalten ist, dass die die Aufhebung tragenden Ausführungen des zurückverweisenden Beschlusses des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 7. November 2018, denen gemäß § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG Bindungswirkung zukommt (dazu etwa VwGH 7.2.2022, Ra 2021/11/0177), der Heranziehung des Versagungstatbestandes des § 6 Abs. 2 lit. d VGVG im fortgesetzten Verfahren bei Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 VGVG nicht entgegen standen.

29 Der Versagungstatbestand des § 6 Abs. 2 lit. d VGVG konnte somit in der vorliegenden Konstellation ‑ ein Bekanntmachungsverfahren war von der Behörde nicht durchgeführt worden ‑ rechtens dann zur Abweisung des gegenständlichen Genehmigungsantrags der Klägerin führen, wenn die Behörde auf der Grundlage eines ordnungsgemäß geführten Ermittlungsverfahrens zum Ergebnis gelangte, dass weder die Bewirtschaftung der betreffenden Liegenschaft durch einen Landwirt noch deren ortsübliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung durch einen Nichtlandwirt sichergestellt war (vgl. dazu auch BlgVlbgLT 2011/70, 8 f).

30 Die Klägerin ist unstrittig keine Landwirtin. Weiters hatte sie ‑ worauf die Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg in ihrem Bescheid vom 10. Mai 2019 ausdrücklich hinwies ‑ in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. Oktober 2018 (Verhandlungsprotokoll S 3) selbst angegeben, in Zukunft auch den bislang von einem Landwirt bewirtschafteten Teil des Grundstücks „der Natur überlassen zu wollen“.

31 Konkret führte die Klägerin in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 24. Oktober 2018 aus, sie und ihre Eltern hätten alles von Hand gemacht. Sie hätten keinen Traktor etc. Die Grasfläche sei immer durch einen benachbarten bzw. interessierten Landwirt gemäht worden. Das Verhältnis sei immer etwa ein Drittel Gartennutzung zu zwei Drittel Gras bzw. Grünfläche gewesen. Es sei ihr großes Interesse, den Naturgarten zu erhalten bzw. biodynamisch weiter zu entwickeln, d.h. sie habe nichts anderes vor. Was die zwei Drittel Fläche anbelange, die jetzt noch nicht Garten seien, habe sie den Plan, diese Fläche auch der Natur zu überlassen, d.h. das Gras wachsen und nicht mehr mähen zu lassen. Ihre Gedanken gingen in die Richtung, die ganze „Bewirtschaftung“ noch natürlicher zu machen. Dies möchte sie selber machen und an niemanden anderen weitergeben. Sie könne zudem nicht sagen, bislang einen Ertrag aus dieser Nutzung gewonnen zu haben, und es werde sich dies auch in Zukunft nicht ändern.

32 Ausgehend von diesen Angaben der Klägerin, die diese erst im anschließenden Beschwerdeverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg revidierte (vgl. Beschwerde vom 11. Juni 2019, S 3; Verhandlungsprotokoll vom 24. September 2019, S 2), ist der Grundverkehrs‑Landeskommission Vorarlberg nicht entgegen zu treten, wenn sie in ihrem Bescheid vom 10. Mai 2019 zur Auffassung gelangte, dass weder die Bewirtschaftung der Liegenschaft durch einen Landwirt noch deren ortsübliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung durch einen Nichtlandwirt sichergestellt seien und daher die Erteilung der beantragten Genehmigung gemäß § 6 Abs. 2 lit. d VGVG zu versagen gewesen sei (vgl. auch VwGH 25.9.2014, 2011/07/0006; 6.8.2020, Ra 2020/20/0248; demnach besteht keine Verpflichtung zur Vorhaltung eines Beweisergebnisses an die Partei hinsichtlich ihrer eigenen Angaben oder hinsichtlich Beweismitteln, die sie selbst vorgelegt oder auf die sie sich selbst berufen hat; zum Begriff der landwirtschaftlichen Nutzung siehe VwGH 17.11.2000, 98/02/0053; betreffend das Salzburger GVG VwGH 1.3.2016, Ra 2016/11/0022, mwN).

33 Der Bescheid vom 10. Mai 2019, GVLK‑40-063/006‑2018, erweist sich daher nicht als rechtswidrig. Somit war der Antrag des Landesgerichts Feldkirch in diesem Umfang gemäß § 67 VwGG abzuweisen.

Wien, am 23. Juni 2022

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