VwGH AW 99/17/0005

VwGHAW 99/17/000516.4.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des H in Klosterneuburg, vertreten durch X & X, Rechtsanwälte KEG in G, der gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. Februar 1999, Zlen. IVW3-BE-523-134-98, IVW3-BE-523-135-98 und IVW3-BE-523-136-98, betreffend Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe und Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe, erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §30 Abs2;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1. Der Beschwerdeführer bekämpft mit der zur hg. Zl. 99/17/0145 protokollierten Beschwerde die Aufhebung zweier Berufungsbescheide des Gemeinderates der Stadtgemeinde Klosterneuburg betreffend Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe bzw. Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe. Die aufgehobenen Berufungsbescheide des Gemeinderates der Stadtgemeinde Klosterneuburg vom 26. Juni 1998 waren auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers gegen erstinstanzliche Abgabenbescheide ergangen, mit welchen zehn namentlich genannten Personen die Abgabe vorgeschrieben worden war. Die Berufungsbescheide änderten den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, dass nur den neun Personen außer dem Beschwerdeführer die Abgaben vorgeschrieben wurden. Begründet wurde diese Abänderung damit, dass auf Grund der vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen davon auszugehen sei, dass die neun als Abgabenschuldner behandelten Personen (die Erst- bis Neuntmitbeteiligten dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens) "neben der P-GesmbH Miteigentum am Superädifikat"

hätten und überdies eine wirksam erstattete Veränderungsanzeige im Sinne des Niederösterreichischen Gemeindewasserleitungsgesetzes 1977 vorliege. Der Beschwerdeführer habe laut telefonischer Mitteilung einen "Werkvertrag betreffend die Errichtung verfahrensgegenständlichen Gebäudes" nicht unterzeichnet und habe auch nicht Miteigentum am Superädifikat. Mangels Eigentümerstellung sei der Beschwerdeführer gemäß § 15 Abs. 8 Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 nicht Abgabeschuldner. Der Gemeinderat ging weiters - in unklarer Weise - davon aus, dass eine Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nicht stattgefunden habe (zog daraus aber nicht die Schlussfolgerung, dass die Berufung des Beschwerdeführers deshalb zurückzuweisen sei).

Auf Grund der Vorstellung der erst- bis neuntmitbeteiligten Parteien hob die belangte Behörde die beiden Berufungsbescheide auf. Begründend führt die belangte Behörde aus, dass gemäß § 15 Abs. 6 Niederösterreichisches Gemeindewasserleitungsgesetz 1978, LGBl. 6930-1, grundsätzlich der Liegenschaftseigentümer Abgabenschuldner sei. Das Gesetz sehe vor, dass der Anspruch auf Ergänzungsabgabe mit dem Einlangen der Veränderungsanzeige entstehe. Das Gesetz fordere in einer jeglichen vernünftigen Zweifel ausschließlichen Deutlichkeit eine Erklärung des Abgabenschuldners. Da die vom Gemeinderat herangezogene Veränderungsanzeige nicht den erst- bis neuntmitbeteiligten Parteien zugerechnet werden könne, sei - ginge man vom bisher festgestellten Sachverhalt aus - der Anspruch auf die Ergänzungsabgabe zur Wasseranschlussabgabe infolge Fehlens einer als Veränderungsanzeige im Sinn des § 13

Nö Gemeindewasserleitungsgesetz 1978 anzusprechenden Erklärung nicht entstanden. Der Gemeinderat hätte folglich den erstinstanzlichen Abgabenbescheid aufzuheben gehabt.

Hinsichtlich der Kanaleinmündungsabgabe stützte die belangte Behörde ihre Aufhebung darauf, dass auch bei Änderungen des Kanalsystems die Ergänzungsabgabenvorschreibung in Anwendung ein und desselben für die aktuell verwendete Kanalart geltenden Einheitssatzes zu erfolgen habe. Da der falsche Einheitssatz verwendet worden sei, sei der Bescheid aufzuheben gewesen.

Nur ergänzend ("vollständigkeitshalber und zur Vermeidung von Missverständnissen") fügte die belangte Behörde außerhalb der die Aufhebung der Berufungsbescheide tragenden Gründe eine Reihe weiterer Überlegungen an. Darin wird unter anderem zur Frage der Wirksamkeit der Zustellung der beiden erstinstanzlichen Abgabenbescheide (die bejaht wird) und zu Mitteilungen hinsichtlich eines "Müllbescheidkonto 3047/1 Grundsteuerkonto 3047" Stellung genommen. Es wird überdies nach Darstellung der Rechtslage gemäß § 1 Wohnungseigentumsgesetz 1975 unter Bezugnahme auf im Verfahren vorgelegte Grundbuchsauszüge und Beschlüsse des Bezirksgerichts Klosterneuburg dargelegt, dass die Absicht der Erst- bis Neuntmitbeteiligten nach den vorgelegten Urkunden auf die Begründung von Wohnungseigentum gerichtet war. Von der Errichtung eines Superädifikates könne daher nicht die Rede sein.

Wenn demgegenüber der Berufungswerber in seiner Eingabe vom 27. April 1998 erkläre, der Superädifikatsvertrag sei von den Vertragsparteien in mündlicher Form abgeschlossen worden, hätte die zweite Instanz in Wahrung des Parteiengehörs jedenfalls die Erstbis Neuntmitbeteiligten von diesem Vorbringen in Kenntnis zu setzen und ihnen Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen gehabt.

Mit der Beschwerde ist der Antrag verbunden, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründet wird dieser Antrag nach Wiedergabe des § 30 Abs. 2 VwGG und einem Hinweis, wie das zwingende öffentliche Interesse im Sinn des § 30 Abs. 2 VwGG zu verstehen sei, insbesondere mit dem Nachteil, der dem Beschwerdeführer drohe. Der Beschwerdeführer hätte im Falle der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Vorschreibung hoher Ergänzungsabgaben zu Wasseranschlussabgabe und Kanaleinmündungsabgabe zu rechnen. Insbesondere wäre auch im Falle der Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung ein unverhältnismäßig großer Verwaltungsaufwand durch die Neudurchführung eines Ermittlungsverfahrens und daran anschließenden Berufungsverfahrens verbunden, welches sowohl für die Allgemeinheit als auch für den Beschwerdeführer mit hohen finanziellen Kosten verbunden wäre.

2. Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Der Beschwerdeführer hat in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, VwSlg. 10.381 A/1981).

3. Kommt der Verwaltungsgerichtshof zur Ansicht, dass einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegenstehen, so hat er alle berührten Interessen gegeneinander abzuwägen. Im vorliegenden Antrag wird übersehen, dass es im Mehrparteienverfahren nicht nur darum gehen kann, ob der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen, sondern dass auch die Interessen der mitbeteiligten Parteien angemessen in die Interessensabwägung einzubeziehen sind.

Bei dieser Interessensabwägung ist davon auszugehen, dass das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung als ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element anzusehen ist. Die in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion soll durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden (vgl. hiezu etwa die Beschlüsse vom 25. Februar 1981 - verstärkter Senat -, Slg. N. F. Nr. 10.381/A, und vom 2. Jänner 1985, Slg. N. F. Nr. 11.632/A). Die Interessensabwägung schlägt daher in der Regel dann zu Gunsten des Beschwerdeführers aus, wenn der ihm durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Beschwerde nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte, während vom Standpunkt der öffentlichen Interessen oder etwa auch der Interessen eines Mitbeteiligten ein Zuwarten mit der Durchsetzung des normativen Gehaltes des Bescheides zumutbar ist (vgl. hiezu etwa die Beschlüsse vom 2. April 1985, Zl. AW 85/04/0005, vom 10. Juli 1985, Zl. AW 85/07/0041, vom 31. Juli 1985, Zl. AW 85/07/0045, und vom 21. Dezember 1990, Zl. AW 88/17/0018). Wie der vorliegende Beschwerdefall zeigt, kann auch der Fall eintreten, dass nicht bloß zu beurteilen ist, inwieweit einem Mitbeteiligten ein Zuwarten mit dem Vollzug (in dem Sinn, dass etwa er selbst eine Berechtigung noch nicht ausüben dürfte) zumutbar ist, sondern dem Mitbeteiligten gerade durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (durch das Wegfallen eines Bescheides, der einen eine Belastung festsetzenden Bescheid aufhebt) ein Nachteil entstehen würde, sodass das Interesse an der Vermeidung dieses Nachteils mit dem Interesse des Antragstellers am Aufschub der Wirkungen des angefochtenen Bescheides abzuwägen ist.

Im vorliegenden Beschwerdefall würde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedeuten, dass das Vorstellungsverfahren auf Grund der Vorstellung der Erst- bis Neuntmitbeteiligten als noch nicht abgeschlossen zu gelten hätte, der mit Vorstellung bekämpfte Bescheid weiter dem Rechtsbestand angehörte und daher die rechtskräftige Abgabenvorschreibung an diese Mitbeteiligten weiterhin vollstreckbar wäre. Insoweit besteht ein Interesse dieser Mitbeteiligten an der Aufrechterhaltung des mit Beschwerde bekämpften Bescheides (daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass mit der Aufhebung des Berufungsbescheides an sich der erstinstanzliche Bescheid wieder seine Wirkungen entfaltet; wohl sind die Gemeindebehörden nach § 61 Abs. 5 Nö Gemeindeordnung 1973, LGBl 1000-9, explizit nur bei der Erlassung des Ersatzbescheides an die die Aufhebung tragenden Gründe des angefochtenen Bescheides gebunden und erschiene daher mangels einer § 63 Abs. 1 VwGG entsprechenden Regelung im Gemeinderecht eine Vollstreckung des erstinstanzlichen Bescheides den neun Mitbeteiligten gegenüber vor der Erlassung eines der Rechtsauffassung der belangten Behörde Rechnung tragenden Berufungsbescheides formal nicht als unzulässig, wenngleich im Hinblick auf die von der Vorstellungsbehörde mit bindender Wirkung ausgesprochenen Rechtsansicht die Gemeindebehörden zur umgehenden Erlassung eines dieser Rechtsansicht entsprechenden Ersatzbescheides verpflichtet sind; das primäre Interesse der Erst- bis Neuntmitbeteiligten muss daher in der Aufrechterhaltung des bindenden Ausspruches über die Rechtswidrigkeit der Abgabenvorschreibung ihnen gegenüber erblickt werden).

Die demgegenüber vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Möglichkeit, dass ihm als Abgabenschuldner die Abgabe vorgeschrieben werde, würde für sich allein nicht das Vorliegen eines unverhältnismäßigen Nachteiles für den Beschwerdeführer begründen. Insbesondere wäre darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Ausführungen als Abgabenschuldner nicht in Betracht kommt, da er nach seinen Angaben nicht Eigentümer des Grundstücks ist. Die Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Frage, ob ein Superädifikat vorliegt, entfalten zum einen keine Bindungswirkung und gehen zum anderen nicht dahin, dass davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer Eigentümer oder Miteigentümer des Grundstücks sei.

Zu beachten ist jedoch, dass die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Rechtsfolge in der von ihm aufgezeigten Form möglicherweise nicht allein gegeben ist. Da mit der Aufhebung des Berufungsbescheides im Abgabenverfahren die Berufung des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist, entfaltet der erstinstanzliche Abgabenbescheid im Rahmen der abgabenverfahrensrechtlichen Vorschriften grundsätzlich wieder seine Wirkungen.

Abgesehen davon, ob dieser Umstand im Beschwerdefall bei der gegebenen Sachlage überhaupt einen überwiegenden Nachteil für den Beschwerdeführer gegenüber den neun mitbeteiligten Parteien begründen könnte, hat der Antragsteller jedoch keinerlei Angaben gemacht, inwieweit die Einbringung der Abgabe bei seiner Einkommens- und Vermögenssituation für ihn Nachteile mit sich brächte, sodass der Verwaltungsgerichtshof insoweit nicht in die konkrete Abwägung der Nachteile eintreten kann. Es kann daher nicht von einem überwiegenden Nachteil für den Beschwerdeführer ausgegangen werden.

4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am 16. April 1999

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