VwGH AW 96/07/0069

VwGHAW 96/07/00697.4.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag 1. des KG, 2. des JM, 3. der TS, 4. des BX, 5. der MY, 6. der VW, 7. der GA,

8. des RF, 9. des RM und 10. des DZ, alle vertreten durch Dr. C Rechtsanwalt in W, der gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 13. September 1996, Zl. 411.400/05-I4/96, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Bund - Bundesstraßenverwaltung, Klagenfurt, Mießtalerstraße 1), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluß gefaßt:

Normen

31985L0337 UVP-RL;
61989CJ0213 Factortame VORAB;
EURallg;
VwGG §30 Abs2;
31985L0337 UVP-RL;
61989CJ0213 Factortame VORAB;
EURallg;
VwGG §30 Abs2;

 

Spruch:

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 7. Mai 1996 wurde der mitbeteiligten Partei die wasserrechtliche Bewilligung zur Herstellung des Bauloses B 111 "Zubringer Gailtal" im Bereich von km 2,100 bis km 8,794 samt den zugehörigen Nebenanlagen erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurde teils zurück-, teils abgewiesen.

Die Beschwerdeführer beriefen. Sie machten geltend, der erstinstanzliche Bescheid lasse einen Abspruch über die Entschädigung für die Fischereiberechtigten vermissen. Bei Verwirklichung des Vorhabens der mitbeteiligten Partei würden die Grundstücke der Beschwerdeführer durch eine Änderung der Hochwasserverhältnisse in Mitleidenschaft gezogen. Zu Unrecht sei das Projekt keiner Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen worden.

Mit Bescheid vom 13. September 1996 ergänzte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft den erstinstanzlichen Bescheid und wies im übrigen die Berufung der Beschwerdeführer ab.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. In einem Nachtragsschriftsatz beantragten sie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Sie begründeten dies damit, ihnen würde ein unverhältnismäßiger Nachteil entstehen, wenn das durch den angefochtenen Bescheid wasserrechtlich bewilligte Projekt der mitbeteiligten Partei verwirklicht würde. außerdem verträten die Beschwerdeführer die Ansicht, das geplante Straßenbauvorhaben sei UVP-pfichtig. Da überdies die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahren wegen der nicht fristgerechten Umsetzung der UVP-Richtlinie durch Österreich bevorstehe, hätten die Beschwerdeführer ein schwerwiegendes rechtliches Interesse daran, daß ihnen einstweiliger Rechtsschutz bis zur Klärung der Anwendbarkeit der UVP-Richtlinie gewährt werde. Dies ergebe sich aus der Judikatur des EuGH, insbesondere aus dem Urteil vom 19. Juni 1990, C-213/89 .

Die mitbeteiligte Partei hat sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen. Sie bringt vor, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes im Falle des Obsiegens der Beschwerdeführer sei ohne weiteres möglich. Eine Einstellung der voll in Betrieb stehenden Baustelle würde aufgrund der abgeschlossenen Bauverträge Stilliegekosten von rund 25 Mio. Schilling hervorrufen. Hiebei seien Mehrkosten durch allfällige erforderliche Neuausschreibungen sowie Ersatzforderungen der Baufirmen noch nicht berücksichtigt. Eine Baueinstellung als Folge der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung würde somit der öffentlichen Hand Kosten verursachen, die sich auf ein vielfaches der Kosten einer allfälligen Rekultivierung beliefen. Abgesehen von der Kostenfrage bestünde an der raschen Durchführung des Straßenprojektes ein vordringliches Verkehrsinteresse. Durch das Straßenbauvorhaben solle ein ordnungsgemäßer und sicherer Anschluß einer ganzen Talregion erreicht werden. Derzeit bestünden unter anderem drei unzureichende Ortsdurchfahrten, in denen zum Teil wegen der ungünstigen Anlageverhältnisse ein LKW-Begegnungsverkehr kaum mehr möglich sei. Durch den Zubringer trete nicht nur eine wesentliche Verbesserung der Verkehrssicherheit ein, sondern es werde auch die Umweltbelastung der jetzt vom Durchzugsverkehr betroffenen Siedlungsgebiete fast zur Gänze hintangehalten; dazu komme, daß durch die neue Verbindung die wirtschaftliche Benachteiligung einer ganzen Region beseitigt werde.

Nach § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluß zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Der EuGH hat in dem von den Beschwerdeführern zitierten Urteil vom 19. Juni 1990, C-213/89 ausgesprochen, daß das Gemeinschaftsrecht dahin auszulegen ist, daß ein nationales Gericht, das in einem bei ihm anhängigen, das Gemeinschaftsrecht betreffenden Rechtsstreit zu der Auffassung gelangt, dem Erlaß einstweiliger Anordnungen stehe nur eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegen, diese Vorschrift nicht anwenden darf. Daraus ziehen die Beschwerdeführer den Schluß, im vorliegenden Fall müsse zwingend die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden, weil sie sich (auch) auf die Verletzung von ihnen durch Gemeinschaftsrecht eingeräumten Rechten beriefen.

Diese Auffassung trifft nicht zu.

Der EuGH hat in der Begründung des zitierten Urteils unter

anderem folgendes ausgeführt (Rz 21):

"Die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts würde auch dann abgeschwächt, wenn ein mit einem nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befaßtes Gericht durch eine Vorschrift des nationalen Rechts daran gehindert werden könnte, einstweilige Anordnungen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen. Ein Gericht, das unter diesen Umständen einstweilige Anordnungen erlassen würde, wenn dem nicht eine Vorschrift des nationalen Rechts entgegenstünde, darf diese Vorschrift somit nicht anwenden."

Daraus folgt, daß bei Rechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten, in denen der Beschwerdeführer eine Verletzung von aus dem Gemeinschaftsrecht resultierenden Rechten geltend macht, aufschiebende Wirkung nicht - wie die Beschwerdeführer offenbar meinen - jedenfalls zwingend zuzuerkennen ist, sondern - neben anderen Voraussetzungen - nur dann, wenn anders die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Gemeinschaftsrecht hergeleiteten Rechte nicht sichergestellt werden kann. Ein solcher Fall liegt aber im Beschwerdefall nicht vor.

Ein nationales Gericht darf nationales Prozeßrecht nur dann nicht anwenden, wenn es zu der Auffassung kommt, dem Erlaß einer einstweiligen Anordnung stehe nur die nationale Vorschrift entgegen. Die anderen Voraussetzungen für den Erlaß der einstweiligen Anordnung müssen demnach vorliegen, d.h. also die Umstände, unter denen das Gericht nach nationalem Recht bei Nichtexistenz der Norm einstweiligen Rechtsschutz gewähren würde (vgl. Haibach, Gemeinschaftsrecht und vorläufiger Rechtsschutz durch mitgliedstaatliche Gerichte, 9).

Die Behauptung der Beschwerdeführer, durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides entstünde ihnen ein nicht wiedergutzumachender Schaden und damit ein unverhältnismäßiger Nachteil, ist nicht nachvollziehbar.

Dem gegenüber bestehen am Vollzug des Bescheides gewichtige öffentliche Interessen.

Aus den dargestellten Gründen konnte die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt werden.

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