VwGH 99/19/0229

VwGH99/19/02294.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hanslik, über die Beschwerde der am 1. Juni 1968 geborenen J L in Wien, vertreten durch Rechtsanwälte P, M & H in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Mai 1999, Zl. 309.502/2-III/11/99, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §10 Abs2 Z1;
FrG 1997 §10 Abs3;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Mai 1999 wurde ein Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und 2 sowie § 10 Abs. 3 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Beschwerdeführerin habe am 24. April 1998 beim Amt der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt, der vom Landeshauptmann von Wien mit Bescheid vom 4. August 1998 gemäß § 10 Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm § 10 Abs. 3 FrG 1997 abgewiesen worden sei. Dagegen habe die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung erhoben und im Wesentlichen eingewendet, dass sie auf Grund der Verpflichtungserklärung des T. ausreichende Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes erhalte. Nach dem vorliegenden Akteninhalt verfüge die Beschwerdeführerin über keine ausreichenden eigenen Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes in Österreich. Sie habe lediglich in ihrem Antragsformular eine Verpflichtungserklärung vom 7. November 1997 vorgelegt, wonach sich T. verpflichtet habe, den Unterhalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu sichern. In Anbetracht dieser Verpflichtungserklärung werde auf die gesetzliche Norm des § 10 Abs. 3 FrG 1997 verwiesen, welcher "deutlichst" zu entnehmen sei, dass eine Erstniederlassungsbewilligung lediglich basierend auf einer Verpflichtungserklärung nicht erteilt werden könne. Gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK sei die Verweigerung des Aufenthaltstitels, sofern damit das Privat- und Familienleben des Antragstellers "angegriffen würde", nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele notwendig sei. Im Sinne der damit geforderten Notwendigkeit dürfe ein Aufenthaltstitel nicht verweigert werden, wenn die Auswirkungen einer solchen Entscheidung auf die Lebenssituation des Fremden oder seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Nichterteilung des Aufenthaltstitels. Bei Abwägung der privaten Interessen der Beschwerdeführerin mit den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK habe die Berufungsbehörde sehr wohl berücksichtigt, dass keine familiären Bindungen zum Bundesgebiet bestünden und könne unter den gegebenen Umständen keinesfalls ein Aufenthaltstitel erteilt werden, weil nach der vorstehenden Abwägung die Berufungsbehörde zur Ansicht gelangt sei, dass die öffentlichen Interessen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele höher zu werten seien als die nachteiligen Folgen einer Verweigerung des Aufenthaltstitels auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin, zumal die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung unzulässig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 6. Oktober 1999, B 1102/99-3, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hatte, wurde sie von der Beschwerdeführerin ergänzt. Sie erachtet sich in ihrem Recht verletzt, dass ihr nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Niederlassungsbewilligung verwehrt werde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit maßgeblichen Bestimmungen des FrG 1997 lauten (auszugsweise):

"§ 10.

...

(2) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels kann wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z 2) insbesondere versagt werden, wenn

1. der Fremde nicht über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt oder nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt oder - bei der Erteilung eines Einreise- oder befristeten Aufenthaltstitels - für die Wiederausreise verfügt;

2. der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergäbe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches;

...

(3) Die Behörde kann einem Fremden trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes gemäß Abs. 2 Z 1 oder 2 ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis erteilen, wenn ... auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit Hauptwohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten gesichert erscheint, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten. Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung ist unzulässig."

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, jemals über einen Aufenthaltstitel verfügt zu haben. Davon ausgehend kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung wertete.

Spruch und Begründung des angefochtenen Bescheides lassen mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin nicht bloß deshalb abgewiesen hat, weil diese eine Verpflichtungserklärung eines Dritten vorgelegt hatte, sondern (auch) deshalb, weil sie der Auffassung war, es läge der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 (Fehlen ausreichender eigener Mittel zum Unterhalt) vor und sei auch wirksam geworden.

Der Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin hätte im Verwaltungsverfahren nur eine Verpflichtungserklärung eines Dritten vorgelegt, tritt diese sachverhaltsbezogen nicht entgegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 98/19/0303, ausführlich darlegte, soll mit dem letzten Satz des § 10 Abs. 3 FrG 1997, wonach die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung unzulässig ist, zum Ausdruck gebracht werden, dass im Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 ungeachtet der Vorlage einer Verpflichtungserklärung anzuwenden ist. Keinesfalls macht jedoch die Vorlage einer Verpflichtungserklärung den Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 zu einem zwingenden.

Wenn in § 10 Abs. 3 letzter Satz FrG 1997 auf eine "Verpflichtungserklärung" Bezug genommen wird, so ist damit die im § 10 Abs. 3 erster Satz leg. cit. genannte Erklärung gemeint, die die Tragung aller Kosten gesichert erscheinen lässt, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten. Die Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung im Verständnis des § 10 Abs. 3 FrG 1997 stellt sich nur dann, wenn dem Fremden im Sinne des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 eigene Mittel nicht zur Verfügung stehen. Solche eigenen Mittel stünden zur Verfügung, wenn (realisierbare) Unterhaltsansprüche bestehen, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen.

Der angefochtene Bescheid spricht zwar von einer "Verpflichtungserklärung" des T., lässt aber die genaue Formulierung dieser "Verpflichtungserklärung" offen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides lässt sich demnach nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, ob zwischen der Beschwerdeführerin und T. ein privatrechtlicher Unterhaltsvertrag wirksam zu Stande gekommen ist, welcher der Beschwerdeführerin realisierbare eigene Mittel für ihren Unterhalt verschafft hätte.

Die Beschwerdeführerin bringt allerdings nur vor, T. - nach ihrem Vorbringen ihr Bruder - habe sich "uneingeschränkt dazu bereit erklärt, den Unterhalt der Beschwerdeführerin zu sichern und für sie aufzukommen, weshalb auch wirtschaftliche Belange nicht betroffen" seien. Mit diesem Vorbringen gelingt es mangels einer konkreten Behauptung, T. habe sich vertraglich verpflichtet, der Beschwerdeführerin Unterhalt (in einer bestimmten Höhe) zu leisten, nicht, die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels darzulegen.

Besteht aber keine derartige vertragliche Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt an die Beschwerdeführerin, so kann auch der Schluss der belangten Behörde, der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 liege vor, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Zwar trifft es zu, dass der Ausdruck "kann" im § 10 Abs. 2 FrG 1997 dahingehend zu verstehen ist, dass die Behörde bei Anwendung eines der dort angeführten Versagungsgründe zu prüfen hat, ob ein durch diese Anwendung erfolgter Eingriff in ein durch Art. 8 MRK geschütztes Recht des Antragstellers aus den in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Gründen gerechtfertigt ist. Art. 8 MRK normiert allerdings keine allgemeine Verpflichtung des Staates, einem Fremden einen Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung zur Niederlassung zum Zweck des Familiennachzuges zu gewähren. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, dass ein durch Art. 8 MRK geschützter Anspruch auf Aufnahme einer Familiengemeinschaft mit der Familie des Bruders nicht besteht. Damit erübrigt sich aber im vorliegenden Fall eine Erforderlichkeitsprüfung gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/0651).

Der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 1 FrG 1997 ist daher wirksam geworden und die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 8 Abs. 1 FrG 1997 unzulässig. Die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erweist sich auf der Basis der Bescheidfeststellungen sowie des Vorbringens der Beschwerdeführerin nicht als rechtswidrig.

Da der Inhalt der Beschwerde bereits erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 4. Februar 2000

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte