VwGH 99/05/0205

VwGH99/05/020528.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Elfriede Stocklassa in Fischamend, vertreten durch Dr. Josef W. Deitzer, Rechtsanwalt in Schwechat, Wiener Straße 36-38, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. April 1999, Zl. RU1-V-98172/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadtgemeinde Fischamend, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Andreas Edelmann, Fischamend, Haydngasse 18), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §7 Abs1;
BauO NÖ 1996 §7 Abs6;
BauO NÖ 1996 §7 Abs1;
BauO NÖ 1996 §7 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem dieser angeschlossenen angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen:

Dem Zweitmitbeteiligten wurde als Eigentümer des Grundstückes Haydngasse 18 in Fischamend mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 24. Mai 1995 gemäß § 92 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1976 die baubehördliche Bewilligung für einen Um- und Zubau betreffend das dort errichtete Wohnhaus erteilt. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des benachbarten Grundstückes Fischamend, Haydngasse 20, mit einem darauf in gekuppelter Bebauungsweise mit dem vorgenannten Wohnhaus des Zweitmitbeteiligten errichteten Gebäudes.

In der Beschwerde wird in sachverhaltsmäßiger Hinsicht vorgetragen, dass sich zwischen beiden Grundstücken eine 16 cm dicke Mauer befinde, welche aufgrund einer mit den Rechtsvorgängern beider Liegenschaften getroffenen Vereinbarung vom 5. Mai 1935 als Grenzmauer beider Grundstücke diene. Aufgrund dieser Vereinbarung sei es den benachbarten Grundstückseigentümern gestattet, einen "Schupfen oder so etwas" an die Mauer anzubauen. Der Zweitmitbeteiligte habe auf einem Teil der bestehenden Mauer eine Hochlochziegelwand errichtet.

Während der mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 24. Mai 1995 bewilligten Bauführung kam es zu Differenzen zwischen dem Zweitmitbeteiligten und der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin verweigerte dem Zweitmitbeteiligten zur Durchführung der notwendigen Bauarbeiten das Betreten ihres Grundstückes.

Nach Durchführung eines Ortsaugenscheines hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Bescheid vom 29. Juni 1998 der Beschwerdeführerin gemäß § 7 Abs. 1 und 6 der NÖ Bauordnung 1996 aufgetragen, die Benützung ihres Grundstückes Haydngasse 20 zur Durchführung - im Bescheid näher angeführter - Fertigstellungsarbeiten durch den Zweitmitbeteiligten zu dulden. Die Dauer der Arbeiten wurde mit drei Tagen festgesetzt.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 20. Oktober 1998 wurde der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der NÖ Landesregierung vom 14. April 1999 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, dass die mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde vom 24. Mai 1995 erteilte Baubewilligung rechtskräftig sei und in einem Verfahren nach § 7 NÖ Bauordnung 1996 daher Einwendungen gegen das Bauvorhaben selbst nicht zulässig seien. Die Befürchtungen der Beschwerdeführerin, sie könnte durch den bewilligten Bau in der Aufstockung ihres Hauses behindert werden, seien in dem der Vorstellung zugrunde liegenden Verfahren nicht mehr zu prüfen. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die im Jahre 1935 von den Rechtsvorgängern im Eigentum geschlossene Vereinbarung sei ebenfalls unbeachtlich, weil diese Einwendung zivilrechtliche Angelegenheiten beträfe, die nicht von den Baubehörden zu prüfen seien. Die Duldungsverpflichtung hätten die Baubehörden zu Recht ausgesprochen. Weder im Verfahren vor der Behörde erster Instanz noch im Berufungsverfahren habe die Beschwerdeführerin ein Vorbringen erstattet, aus welchem abgeleitet werden könnte, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Duldungsverpflichtung nach § 7 NÖ Bauordnung 1996 nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge in dem Recht auf Abstandnahme vom Ausspruch einer Duldungsverpflichtung nach § 7 NÖ Bauordnung 1996 verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften Verfahrensfehler der Baubehörde erster Instanz rügt, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie ausreichend Gelegenheit hatte, im Berufungsverfahren ihren Prozessstandpunkt umfassend darzulegen (vgl. hiezu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 612). Im Übrigen legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwieweit und warum die von den Baubehörden ihren Entscheidungen zu Grunde gelegten Sachverhaltsannahmen nicht richtig sein sollen.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt die Beschwerdeführerin, dass die Baubehörden eine kürzere Verständigungsfrist festgelegt hätten als im § 7 NÖ Bauordnung 1996 vorgesehen sei. Weil auch keine Gefahr im Verzuge vorläge, widerspräche auch der Bescheid der Berufungsbehörde den zwingenden Bestimmungen des § 7 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass nach § 7 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996 die Eigentümer von Grundstücken unter den dort genannten Voraussetzungen die vorübergehende Benützung ihrer Grundstücke und Bauwerke sowie des Luftraumes über diesen durch die Eigentümer der Nachbargrundstücke und deren Beauftragte dulden müssen. Sie sind, außer bei Gefahr im Verzug, jeweils mindestens vier Wochen vor der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke oder Bauwerke zu verständigen.

Gemäß Abs. 6 dieses Paragraphen hat die Baubehörde über Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung zu entscheiden, wenn die Inanspruchnahme fremden Eigentums (Abs. 1 bis 4) verweigert wird. Bei Gefahr im Verzug hat die Baubehörde die erforderlichen Maßnahmen auch ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren anzuordnen.

Daraus erhellt nun, dass sich die im § 7 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. enthaltene Frist auf die Verpflichtung der Eigentümer der Nachbargrundstücke und deren Beauftragte bezieht, die Eigentümer der in Anspruch zu nehmenden Grundstücke und Bauwerke sowie des Luftraumes über diesen jeweils mindestens vier Wochen vor der Inanspruchnahme ihrer Grundstücke oder Bauwerke zu verständigen; die über die Inanspruchnahme fremden Grundes gemäß § 7 Abs. 6 leg. cit. entscheidende Behörde ist mangels entsprechenden Verweises hingegen an die im Abs. 1 letzter Absatz dieses Paragraphen genannte Frist nicht gebunden, vielmehr hat die Behörde nach zweckentsprechenden Ermittlungen über "Notwendigkeit, Umfang und Dauer der Benützung" selbständig mittels Bescheides zu entscheiden. Bei Gefahr im Verzug hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen auch ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren anzuordnen (§ 7 Abs. 6 zweiter Satz NÖ Bauordnung 1996). Eine Verständigungsfrist ist also im Rahmen des nach § 7 Abs. 6 leg. cit. abgeführten verwaltungsbehörlichen Verfahrens nicht mehr vorgesehen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. September 1999

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