VwGH 99/02/0157

VwGH99/02/015730.9.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der AK in G, vertreten durch Dr. Helmut Grubmüller, Rechtsanwalt in Wien III, Weyrgasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. April 1999, Zl. UVS-03/P/38/00375/99, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §10;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §49 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie sich aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt, hat die Bundespolzeidirektion Wien mit Bescheid vom 18. Jänner 1999 einen Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die Strafverfügung der Bundespolzeidirektion Wien vom 11. August 1998, mit welchem die Beschwerdeführerin einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960 für schuldig erkannt worden war, gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen. Der dagegen erhobenen Berufung hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtete sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin hatte ihren Wiedereinsetzungsantrag damit begründet, dass sie die gegen sie ergangene Strafverfügung mit dem Vermerk "Ich erhebe Einspruch" versehen und diesen unterschrieben habe. Sodann habe sie die Strafverfügung ihrem Ehemann übergeben, der sich bereit erklärt habe, "die Sache zu regeln". Erst auf Grund eines Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Mödling habe die Beschwerdeführerin davon Kenntnis erlangt, dass die Strafverfügung rechtskräftig sei, weil der Einspruch nicht zur Post gegeben worden sei. Die Nichtbeeinspruchung stelle für die Beschwerdeführerin ein unvohergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, weil ihr Ehemann bisher ihre Aufträge immer pünktlich und ordnungsgemäß erfüllt habe.

Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides aus, aus den Angaben der Beschwerdeführerin gehe hervor, dass sie nach Übergabe des Einspruches an ihren Ehemann die Angelegenheit vergessen und sich nicht mehr über die tatsächliche Einbringung des Einspruches erkundigt habe. Im Hinblick auf die bei Einhaltung von Rechtsmittelfristen aufzuwendende größtmögliche Sorgfalt wäre es der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar gewesen, ihren Ehemann zumindest darüber zu befragen, ob er den Einspruch tatsächlich zur Post gebracht habe. Der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin überhaupt nicht mehr um die Frage der Einbringung gekümmert habe, sei als auffallende Sorglosigkeit zu werten.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist derjenige, der von einer Partei beauftragt ist, einen Einspruch gegen eine Strafverfügung zur Post zu bringen, "Bote" und nicht Bevollmächtigter. Versäumt der Bote den Auftrag, so kann darin für die Partei nur dann ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, das ohne ihr Verschulden die Einhaltung der Frist verhindert, erblickt werden, wenn sie der zumutbaren und der Sachlage nach gebotenen Überwachungspflicht nachgekommen ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. November 1978, Zl. 1167/78, VwSlg. 9706/A, und vom 28. Februar 1992, Zl. 91/10/0208).

Eine Partei, die sich nach Übergabe des Einspruches gegen eine Strafverfügung an einen Boten - im Beschwerdefall der Ehemann der Beschwerdeführerin - nicht weiter darum kümmert, ob das Schriftstück auch tatsächlich innerhalb der Einspruchsfrist zur Post gebracht wurde, muss sich vorwerfen lassen, dass sie auffallend sorglos gehandelt hat, das heißt, dass sie die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihr nach ihren persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen hat (vgl. abermals das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1992).

Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, ist der Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin nach der Übergabe ihres Einspruches an ihren Ehemann nicht mehr um die Einhaltung der Rechtsmittelfrist gekümmert und ihren Ehemann nicht mehr über die tatsächliche fristgerechte Ausführung ihres Auftrages befragt hat, als auffallende Sorglosigkeit zu betrachten. Von einem minderen Grad des Versehens, der einer Wiedereinsetzung nicht im Wege stünde, kann daher im Beschwerdefall nicht mehr gesprochen werden.

Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, sie habe - gleich einem Rechtsanwalt gegenüber seinen zuverlässigen Kanzleibediensteten - darauf vertrauen können, dass ihr Ehemann den Auftrag ordnungsgemäß ausführen werde, weil dieser auch bisher derartige Aufträge immer ohne Probleme und Beanstandungen durchgeführt habe, bringt sie damit keinerlei Umstände vor, die darauf hindeuten würden, sie habe in irgend einer Weise eine Überwachung der Erfüllung ihres Auftrages vorgenommen, oder die Nichterfüllung ihres Auftrages sei auf eine durch besondere Umstände des Einzelfalles bedingte, entschuldbare Fehlleistung ihres Ehemannes zurückzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1995, Zlen. 95/01/0053, 0054). Insoweit erweist sich auch der Einwand, im Fall der Nichterfüllung des Auftrages eines Rechtsanwaltes durch einen Kanzleiangestellten werde dies als Wiedereinsetzungsgrund zu werten sein, als nicht zielführend, weil im Verhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und seinen Bediensteten dieser schon durch eine entsprechende Organisation seiner Kanzlei dem Eintritt derartiger Ereignisse zumindest grundsätzlich vorzubeugen hat und sich dementsprechend auch auf die Durchführung seiner Aufträge durch geschulte und erfahrene Bedienstete verlassen kann. Dass aber etwa die Übernahme von Rechtsmitteln zur Postaufgabe zu den alltäglichen Obliegenheiten des Ehemannes der Beschwerdeführerin gehörten, hat sie selbst nicht vorgebracht.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 30. September 1999

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