Normen
AsylG 1997 §38 Abs5;
B-VG Art131 Abs1 Z2;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §26 Abs1 Z2;
VwGG §26 Abs1 Z4;
VwGG §26 Abs2;
AsylG 1997 §38 Abs5;
B-VG Art131 Abs1 Z2;
B-VG Art131 Abs2;
VwGG §26 Abs1 Z2;
VwGG §26 Abs1 Z4;
VwGG §26 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Am 2. März 1998 reiste die Asylwerberin S.K., deren Staatsangehörigkeit ungeklärt blieb, in das Bundesgebiet ein und beantragte am 5. März 1998 die Gewährung von Asyl. Dies begründete sie damit, dass sie aus dem Libanon ausgereist sei, nachdem sie die Zerstörung ihres Hauses habe feststellen müssen. Sie habe im Libanon niemals Probleme mit den Behörden oder der Regierung gehabt. Sie habe durch die Zerstörung ihres Hauses nicht mehr gewusst, wohin sie gehen sollte. Sie habe weitere Angriffe "durch die Israelis" befürchtet. Auf Grund der ständigen kriegerischen Auseinandersetzungen wolle sie nicht in den Libanon zurückkehren.
Das Bundesasylamt hat diesen Antrag mit Bescheid vom 24. März 1998 gemäß § 6 Z 1 und 2 Asylgesetz 1997 (AsylG) als offensichtlich unbegründet abgewiesen und zugleich ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Asylwerberin in den Libanon, den sie als ihren Herkunftsstaat bezeichnet habe, gemäß § 8 AsylG zulässig sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Asylwerberin fristgerecht Berufung erhoben. Darin führte sie aus, sie könne nicht mehr in den Libanon zurückkehren, weil ihr Leben dort gefährdet sei. Über den Verbleib ihres Ehegatten und ihrer Kinder wisse sie nichts. Ihr Haus sei während einer Bombardierung zerstört worden. Sie habe "Kontakt mit dem Libanon" aufgenommen und erfahren, "dass unser Haus von einigen Parteien bombardiert würde, weil diese Parteien angenommen haben, dass mein Gatte mit der Lahad-Partei, die mit Israel kooperiert, zusammengearbeitet habe". Diese Informationen habe sie telefonisch von ihren "Nachbarn" erfahren.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung "gemäß § 32 Abs. 2 AsylG" statt, behob den bekämpften Bescheid und verwies "die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt" zurück.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Inneres.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte, die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen, eventualiter als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Die Frist zur Erhebung einer Bescheidbeschwerde nach Art. 131 B-VG beträgt gemäß § 26 Abs. 1 erster Satz VwGG sechs Wochen. In den Fällen des Art. 131 Abs. 2 B-VG - um einen solchen Fall handelt es sich bei der vorliegenden Beschwerde - beginnt die Frist dann, wenn der Bescheid auf Grund der Verwaltungsvorschriften dem zur Erhebung der Beschwerde befugten Organ zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem dieses Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat (§ 26 Abs. 1 Z 4 VwGG). Diese Regelung entspricht im Wesentlichen derjenigen des § 26 Abs. 1 Z 2 VwGG für Amtsbeschwerden des zuständigen Bundesministers nach Art. 131 Abs. 1 Z 2 B-VG. Die Beschwerdefrist beginnt daher mit dem Zeitpunkt, zu dem der beschwerdeberechtigte Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0283, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, mit der Frage auseinander gesetzt, was unter der "Kenntnis von dem Bescheid" im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 4 (und der insoweit gleich lautenden Vorschrift des § 26 Abs. 1 Z 2) VwGG zu verstehen ist und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass unter dem maßgeblichen "rechtlichen Inhalt" eines Bescheides im Sinne der von Ringhofer (Der Verwaltungsgerichtshof (1995), 179) gebrauchten Formulierungen sein normativer Gehalt zu verstehen ("was darin ... entschieden wird") sei. Für die Prüfung der Frage, ob dieser zu akzeptieren ist, und nicht nur für die Arbeit am Beschwerdeschriftsatz, stehe die Beschwerdefrist zur Verfügung.
In den Fällen, in denen der Eintragung der Entscheidung in die Datenbank des beim Bundesminister für Inneres geführten Asylwerberinformationssystems (AIS) mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen war, wie die belangte Behörde entschieden hatte und somit der rechtliche Inhalt der Entscheidung erfassbar war, vertrat der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 25. März 1999 die Ansicht, der Lauf der Beschwerdefrist beginne mit der Eintragung in das AIS.
Im Akt der belangten Behörde erliegt ein Auszug aus dem AIS betreffend die mitbeteiligte Partei. Darin findet sich - soweit wesentlich - nur folgende Eintragung:
"* UBAS-Bescheid gemäß § 38 per Fax ha. eingelangt am 15.4.1998 ...
- Akt von UBAS retour am 30.4.1998; ...
- Anregung einer Amtsbeschwerde an BMI III/13 abg. am 26.5.1998"
Dieser Eintragung ist der normative Gehalt der von der belangten Behörde tatsächlich getroffenen Entscheidung (Behebung des Bescheides und Zurückverweisung an die Behörde erster Instanz) nicht zu entnehmen.
Dem beschwerdeführenden Bundesminister wurde daher mit dieser Eintragung in das AIS keine Kenntnis vom normativen Gehalt der Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates vermittelt.
Die am 26. Juni 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Amtsbeschwerde erweist sich somit als rechtzeitig eingebracht.
2. In der Sache:
Die Beschwerde ist im Ergebnis deshalb berechtigt, weil die belangte Behörde zu einer kassatorischen Entscheidung der vorliegenden Art nicht berechtigt war. Sie hat zwar den im § 32 Abs. 2 zweiter Satz AsylG vorgesehenen Rückverweisungsspruch gefasst, in ihrer Bescheidbegründung aber zum Ausdruck gebracht, dass die Frage, ob der Antrag der Asylwerberin gemäß § 6 AsylG offensichtlich unbegründet sei, damit (noch) nicht entschieden ist, sondern vom Bundesasylamt im fortgesetzten Verfahren nochmals - weil "der Asylwerberin im Hinblick auf die Gewichtigkeit des nunmehrigen Vorbringens im Rahmen der Berufung die Möglichkeit einzuräumen ist, ihre Behauptungen unter Einhaltung des gesamten Instanzenzuges, und zwar auch im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bereits bei der Behörde erster Instanz zu untermauern" - entschieden werden müsse. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach die Behörde erster Instanz den Sachverhalt nur "sehr mangelhaft erhoben" habe und "nach Ansicht der erkennenden Behörde" aus dem erstinstanzlichen
"Vorbringen der Asylwerberin jedoch - zumindest ohne nähere Ermittlungen - nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden könne, dass ein asylrelevanter Erfolg der Asylwerberin ausgeschlossen werden könne".
Darin werde die belangte Behörde durch das Berufungsvorbringen "bestärkt". Die belangte Behörde hat zwar weiters ausgeführt, dass
"bei Bestehen eines Vorbringensüberhangs von bestimmter Qualität, welcher eine Verfolgungsbedrohung der Antragstellerin aus einem der vom Schutzzweck der Norm umfassten Gründe nachvollziehbar bzw. substantiiert aufzuzeigen vermag, die Anwendbarkeit des § 6 Z. 1 und 2 leg. cit. bereits ausgeschlossen ist"
jedoch nicht unzweifelhaft dargelegt, dass sie der Auffassung wäre, die Feststellung des Bundesasylamtes, der Antrag der Asylwerberin sei offensichtlich unbegründet, treffe deshalb nicht zu. Die weitere Aussage im angefochtenen Bescheid, "nach § 32 Abs. 2 AsylG (sei) die Berufungsbehörde aber offenkundig der sonst gegebenen Verpflichtung (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) enthoben, einen von der Behörde erster Instanz mangelhaft oder gar nicht erhobenen Sachverhalt selbst zu ermitteln", bezieht sich gerade auf die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175, nicht geteilte Judikatur des unabhängigen Bundesasylsenates betreffend dessen Befugnis zur Kassation im einem Fall des § 32 Abs. 2 AsylG iVm § 4 AsylG. Indem die belangte Behörde in diesem Zusammenhang gerade auf eine Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenates vom 6. April 1998, Zl. 202.416/0-I/01/98, verweist, welche in Rohrböck,
Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, S 483, als Beispiel für die Judikaturlinie des UBAS angeführt wird, der der Verwaltungsgerichtshof in dem oben erwähnten Erkenntnis vom 23. Juli 1998 entgegengetreten ist, hat sie letztlich klar zum Ausdruck gebracht, dass sie eine unzulässige kassatorische Entscheidung getroffen hat.
Der angefochtenen Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 23. März 2000
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)