VwGH 98/16/0097

VwGH98/16/009730.3.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde des F B in T, vertreten durch Dr. Herwig Hasslacher, Rechtsanwalt in Villach, Hauptplatz 25, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 15. Jänner 1998, Zl. ZRV 24/1-3/97, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens um Zollerlaß aus Billigkeitsgründen, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §116;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litc;
FinStrG §9;
ZollG 1988 §183 Abs1;
BAO §116;
BAO §303 Abs1 litb;
BAO §303 Abs1 litc;
FinStrG §9;
ZollG 1988 §183 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender unstrittiger Sachverhalt:

Mit Bescheid des Zollamtes Klagenfurt (im folgenden kurz: Zollamt) vom 4. Oktober 1991 war dem Beschwerdeführer wegen bestimmungswidriger Verwendung eines ausländischen, unverzollten Mietfahrzeuges im österreichischen Zollgebiet ein Betrag von S 167.770,-- an Eingangsabgaben vorgeschrieben worden.

Einem daraufhin vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Zollerlaß aus Billigkeitsgründen gab das Zollamt mit Bescheid vom 27. Mai 1992 teilweise statt, indem die Zollschuld unter der Bedingung der Entrichtung eines Betrages von S 10.000,-- (sohin im Umfang von S 157.770,--) gemäß § 183 Abs. 1 ZollG 1988 erlassen wurde. Das Zollamt begründete seine Entscheidung damit, daß zwar eine Entschuldbarkeit des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers (der behauptet hatte, vom Vermieter nicht über die erforderliche Eingangsvormerkbehandlung des Fahrzeuges aufgeklärt worden zu sein) anzunehmen sei, dem Beschwerdeführer aber jedenfalls anlastete, daß er sich über die geltenden Bestimmungen in Österreich nicht informiert und damit abgefunden habe, beim Grenzübertritt vom Zollorgan durchgewunken worden zu sein.

Diesen Bescheid ließ der Beschwerdeführer in Rechtskraft erwachsen.

Ein wegen desselben Sachverhaltes gegen den Beschwerdeführer eingeleitetes Finanzstrafverfahren wurde mit Bescheid des Berufungssenates IV der belangten Behörde als Finanzstrafbehörde II. Instanz vom 16. April 1997 wegen entschuldbaren Irrtums eingestellt.

Daraufhin begehrte der Beschwerdeführer die Wiederaufnahme des Zollerlaßverfahrens aus dem Grunde des § 303 Abs. 1 lit. b) und c) BAO.

Das Zollamt wies den Wiederaufnahmsantrag ab. Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Berufung mit der Begründung keine Folge, der Ausgang des Finanzstrafverfahrens stelle weder eine neu hervorgekommene Tatsache (bzw. ein neu hervorgekommenes Beweismittel) iS des § 303 Abs. 1 lit. b BAO noch eine Vorfragenentscheidung iS des § 303 Abs. 1 lit. c BAO dar, weil die Abgabenbehörde bei ihrer Billigkeitsentscheidung nicht an die Vorfragenentscheidung der Finanzstrafbehörde gebunden gewesen wäre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Wiederaufnahme verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 183 Abs. 1 ZollG 1988 lautet:

"(1) Zollbeträge und Ersatzforderungen können für einzelne Fälle auf Antrag des Zollschuldners ganz oder teilweise erlassen werden, wenn die Entrichtung nach Lage der Sache oder nach den persönlichen Verhältnissen des Zollschuldners unbillig wäre."

Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

  1. a) ...
  2. b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

    c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

    Der Beschwerdeführer macht vor dem Verwaltungsgerichtshof nur mehr geltend, daß die Entscheidung der Finanzstrafbehörde (nämlich die Anerkennung eines das Verschulden ausschließenden Irrtums) für die im Billigkeitsverfahren zu treffende Entscheidung eine nachträgliche anderslautende Entscheidung gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO darstelle; die Abgabenbehörde wäre an die Entscheidung der Finanzstrafbehörde betreffend das Fehlen eines Verschuldens gebunden gewesen, wenn sie das Billigkeitsverfahren bis zur Entscheidung im Finanzstrafverfahren ausgesetzt und dessen Ausgang abgewartet hätte.

    Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Nach der hg. Judikatur stellt eine abweichende Vorfragenentscheidung nur dann einen Wiederaufnahmsgrund dar, wenn die Abgabenbehörde an die Entscheidung der Hauptfragenbehörde gebunden war (vgl. z.B. die bei Ritz BAO-Kommentar Rz 19 zu § 303 BAO referierte hg. Judikatur). Eine Vorfrage ist nach herrschender Ansicht eine Frage, deren Beantwortung ein unentbehrliches Tatbestandsmerkmal für die Entscheidung im konkreten Rechtsfall bildet (Ritz a.a.O. Rz. 1 zu § 116 BAO).

    Daraus folgt aber, daß die von der Finanzstrafbehörde zu entscheidende Frage, ob dem Beschwerdeführer finanzstrafrechtlich ein Irrtum iS des § 9 FinStrG zuzubilligen war, für das Zollamt bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für einen Zollerlaß aus Billigkeitsgründen gemäß § 183 Abs. 1 ZollG 1988 kein unentbehrliches Tatbestandsmerkmal darstellte, weil das Zollamt ungeachtet des Vorliegens eines finanzstrafrechtlichen Schuldausschließungsgrundes im Rahmen der nach § 183 Abs. 1 ZollG zu treffenden Entscheidung dem Beschwerdeführer sehr wohl den Umstand vorwerfen durfte, er habe sich über die in Österreich geltenden Vorschriften nicht informiert und damit abgefunden, vom Grenzkontrollorgan durchgewunken worden zu sein. Damit lag aber in Gestalt der das Finanzstrafverfahren abschließenden Entscheidung für das Verfahren gemäß § 183 Abs. 1 ZollG keine Vorfragenentscheidung iS des § 303 Abs. 1 lit. c BAO vor.

    Da die aus rein rechtlichen Erwägungen anderslautende Entscheidung im Finanzstrafverfahren gegenüber der gemäß § 183 Abs. 1 ZollG erlassenen Entscheidung auch keine neu hervorgekommene, also vorher schon existent gewesene Tatsache (bzw. kein solches Beweismittel) iS des § 303 Abs. 1 lit. b BAO darstellt, die im Verfahren gemäß § 183 Abs. 1 ZollG ohne Verschulden des Beschwerdeführers nicht geltend gemacht werden konnte, ergibt sich schon aus dem Beschwerdeinhalt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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