VwGH 98/15/0159

VwGH98/15/015919.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde der R in S, vertreten durch Thum & Weinreich, Rechtsanwälte OEG in 3100 St. Pölten, Heßstraße 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. September 1998, Zl. RV/220-07/01/98, betreffend Haftung für Abgaben, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
StGB §156;
StGB §159;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §15;
GmbHG §18;
StGB §156;
StGB §159;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war Geschäftsführerin der B-Kücheneinrichtungs-GmbH. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde sie im Instanzenzug gemäß § 9 Abs. 1 iVm § 80 BAO zur Haftung für Abgabenschulden der genannten GmbH in Höhe von 101.895 S (Umsatz- und Körperschaftsteuer) herangezogen. In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen ausgeführt:

Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Haftungsbescheid vorgebracht, sie sei ausgebildete, allein- und hauptberufliche Krankenschwester. Weil ihr Lebensgefährte KS mit seinem Einzelunternehmen (Kücheneinrichtungen) "in Konkurs gegangen" sei, sei eine Auffanggesellschaft in Form der B-Kücheneinrichtungs-GmbH gegründet worden, zu deren Geschäftsführerin sie bestellt worden sei. Tatsächlich habe jedoch niemals sie, sondern stets der Lebensgefährte KS die Geschäfte der Gesellschaft geführt. Da überdies ein Steuerberater beauftragt gewesen sei, habe sich die Beschwerdeführerin darauf verlassen können, daß sämtliche Geschäftsführungsverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt würden. Jedenfalls sei die Beschwerdeführerin lediglich formell als Geschäftsführerin bestellt gewesen und habe niemals eine operative Tätigkeit ausgeübt. Nach Abweisung der Berufung durch das Finanzamt mittels Berufungsvorentscheidung habe die Beschwerdeführerin ohne weiteres Vorbringen die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. Die belangte Behörde gehe davon aus, daß die Uneinbringlichkeit der Abgabe bei der B-Kücheneinrichtungs-GmbH im Hinblick auf die Abweisung des Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens erwiesen sei. Es wäre daher Sache der Beschwerdeführerin gewesen nachzuweisen, weshalb sie nicht in der Lage gewesen sei, für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen. Mit dem Vorbringen, sie sei lediglich formell Geschäftsführerin gewesen, tatsächlich habe ihr Lebensgefährte die Geschäfte geführt, werde ein solcher Nachweis nicht erbracht, zumal nicht dargetan werde, in welcher Weise die Beschwerdeführerin die Tätigkeit ihres Lebensgefährten überwacht habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretenen auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Nach § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft ist es Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, daß die Gesellschaft die anfallenden Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Hatte der Geschäftsführer nicht die Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsschulden ausreichten, so ist er dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, daß er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet hat und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. April 1998, 95/15/0145, und vom 29. Jänner 1993, 92/17/0042).

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Geschäfte der B-Kücheneinrichtungs-GmbH seien ausschließlich von ihrem Lebensgefährten geführt worden; sie habe niemals eine operative Tätigkeit für die GmbH ausgeübt. Da der Lebensgefährte lange Jahre selbständig gewesen sei, komme ihr ein Auswahlverschulden nicht zu. Die Beschwerdeführerin habe sich darauf verlassen können, daß sämtliche Geschäftsführungsverpflichtungen ordnungsgemäß erledigt würden. Überdies sei ein Steuerberater beauftragt gewesen. Sie habe sich davon überzeugt, daß die Unterlagen an den Steuerberater weitergeleitet würden. Zudem habe sie sich einer sachkundigen Sekretärin bedient. Überdies seien im fraglichen Zeitraum die Geschäfte der B-Kücheneinrichtungs-GmbH so schlecht gelaufen, daß "praktisch keine Einnahmen" erfolgt seien, woraufhin pflichtgemäß der Konkursantrag gestellt worden sei. Die Beschwerdeführerin habe die Abgaben deshalb nicht rechtzeitig entrichtet, weil sie sich sonst der Gefahr der Gläubigerbevorzugung des Finanzamtes gegenüber den anderen Gläubigern ausgesetzt hätte. Es sei auch zu beachten, daß gegen die Beschwerdeführerin kein Strafverfahren wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Krida eingeleitet worden sei.

Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Mit der Bestellung einer Person zum Geschäftsführer wird dieser auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übertragen. Der Geschäftsführer hat insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden. Nimmt der Geschäftsführer die steuerlichen Agenden nicht selbst wahr, sondert überträgt sie an Dritte, wird er dadurch nicht vom Haftungsrisiko befreit. Es treffen ihn Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung Haftungsfolgen zeitigen kann. Die Tätigkeit der herangezogenen Personen ist zumindest in solchen zeitlichen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, daß die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten, dem Geschäftsführer verborgen bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1998, 97/14/0080). Auch der Steuerberater ist bei seiner Tätigkeit zumindest in solchen Abständen zu überwachen, daß dem Abgabepflichtigen Steuerrückstände nicht verborgen bleiben (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Oktober 1996, 93/17/0280, und vom 2. August 1995, 94/13/0095).

Die Beschwerdeführerin ist die Geschäftsführerin der B-Kücheneinrichtungs-GmbH gewesen. Als solche haben sie gemäß § 80 Abs. 1 BAO die abgabenrechtlichen Pflichten getroffen. Daß sie sich zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten dritter Personen bedient hat, exkulpiert sie nicht, weil in keiner Weise erkennbar ist, daß sie die erforderliche Kontrolle über die Tätigkeit dieser Personen ausgeübt hätte.

Mit dem Vorbringen, es seien "praktisch" keine Einnahmen erfolgt, die Beschwerdeführerin habe sich nicht der Gefahr der Gläubigerbevorzugung aussetzen wollen und deshalb keine Zahlungen auf die Abgabenschulden geleistet, wird nicht dargetan, daß die Gesellschaft über keinerlei liquide Mittel verfügt hätte. Solcherart zeigt dieses Vorbringen auch nicht auf, daß die Beschwerdeführerin kein Verschulden am Unterbleiben der Tilgung fälliger Abgabenschulden treffen würde.

Im gegebenen Zusammenhang ist es auch nicht relevant, daß gegen die Beschwerdeführerin kein Krida-Strafverfahren eingeleitet worden ist.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. November 1998

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