Normen
ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5;
AVG §58 Abs2;
ApG 1907 §10 Abs1 Z2;
ApG 1907 §10 Abs2 Z1;
ApG 1907 §10 Abs2 Z3;
ApG 1907 §10 Abs4;
ApG 1907 §10 Abs5;
AVG §58 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000.- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol (LH) vom 21. Mai 1996 wurde der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (mP) die Konzession zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke mit der Betriebsstätte in Fügen erteilt.
In der Begründung wird zur Bedarfsfrage ausgeführt, aufgrund der geringen Entfernung zwischen der Betriebsstätte der beantragten und der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke in Fügen sowie aufgrund des Umstandes, daß die 4-km-Umkreise sich im großen und ganzen deckten, habe die Bedarfsprüfung für beide Apotheken gemeinsam zu erfolgen gehabt. Aufgrund der Verkehrsverbindungen und des räumlichen Naheverhältnisses zu Fügen seien jedenfalls die ständigen Einwohner von Schlitters (1.025), Fügenberg (1.131), Hart i.Z. (1.304) und Uderns (1.399) zu berücksichtigen. Aufgrund der Entfernung zur Betriebsstätte der beantragten Apotheke sei auch jener Teil der Einwohner zu berücksichtigen, der jeweils außerhalb des 4-km-Umkreises seinen ständigen Wohnsitz habe. Zusammen mit den ständigen Einwohnern der Gemeinde Fügen (3.113) ergebe sich somit eine Anzahl von ständig zu versorgenden Personen von 7.972. Da somit die erforderliche Anzahl von 11.000 nicht erreicht werde, seien gemäß § 10 Abs. 5 des Apothekengesetzes (ApG) die aufgrund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen gewesen. Hiebei ergebe sich, daß der neu zu errichtenden und der bestehenden öffentlichen Apotheke in Fügen auch die ständigen Einwohner der Gemeinden Bruck a.Z. (896) und Strass i.Z. (785) zuzurechnen seien. Beide Gemeinden seien verkehrsmäßig besser mit Fügen verbunden und tendierten im Hinblick auf ihre Arzneimittelversorgung auch insofern nach Fügen, als der nächste praktische Arzt seinen Berufssitz in Schlitters habe. Daher seien auch die ständigen Einwohner dieser Gemeinden als zu versorgende Personen für die geplante bzw. bestehende öffentliche Apotheke in Fügen zu berücksichtigen. Weiters sei darauf Bedacht zu nehmen gewesen, daß es sich beim Zillertal um eine ausgesprochene Tourismusregion handle. Die vorhandenen Strukturen seien intensiv auf den Tourismus ausgerichtet und es handle sich insgesamt um ein Fremdenverkehrsgebiet, das sowohl im Winter als auch im Sommer stark frequentiert werde. Dies gelte auch für den gegenständlichen Versorgungsbereich und zwar insbesondere aufgrund der räumlichen Nähe zum Ganzjahresgletscherschigebiet Hintertux. Es seien somit auch die Fremdennächtigungen in den Gemeinden Fügen (360.171), Schlitters (38.151), Bruck a.Z. (34.221), Hart i.Z. (69.225), Uderns (126.656) und Strass i.Z. (41.045) bei der Bedarfsprüfung zu berücksichtigen gewesen. Die Gesamtnächtigungen von 820.677 seien dabei aufgrund des Umstandes, daß es sich um Fremdenverkehrsgemeinden handle, die über einen Ganzjahrestourismus verfügten, nicht mit dem Divisor von 500, sondern mit dem Divisor von 365 zu berücksichtigen gewesen, sodaß sich ein zusätzliches Potential an zu versorgenden Personen von 2.248 ergebe. Die Gesamtzahl der zu versorgenden Personen betrage somit 11.901, sodaß sowohl der Bedarf für die beantragte als auch für die bestehende öffentliche Apotheke gegeben sei.
Der Beschwerdeführer berief. Er machte geltend, die künftigen Kundenpotentiale der beiden Apotheken hätten konkret abgegrenzt werden müssen. Die sogenannte "Divisionsmethode" sei nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1994, 92/10/0477, nur dann zulässig, wenn die Zuordnung der im Einzugsgebiet der beteiligten Apotheken wohnenden ständigen Einwohner zu einer der in Betracht kommenden Apotheken nach dem Kriterium "örtliche Verhältnisse" keinesfalls möglich sei. Eine solche Situation liege im Beschwerdefall aber nicht vor. Darüber hinaus sei die Erstbehörde nur deshalb zu einem positiven Konzessionsbescheid gekommen, weil sie das in Betracht kommende Versorgungspotential unrichtig ermittelt habe. Im 4-km-Polygon hätten 6.851 Personen ihren Hauptwohnsitz und 327 Personen einen Nebenwohnsitz. Dies ergebe
6.933 Einwohnergleichwerte. Hinzu kämen höchstens 20 % jener Einwohner von Schlitters, Fügen, Hart i.Z. und Uderns, die außerhalb des 4-km-Polygons wohnten (7.972 weniger 6.851 seien 1.121, davon 20% seien 224 Einwohnergleichwerte). Dies ergebe insgesamt 7.157 Einwohnergleichwerte. Weiters seien ca. 783.000 Fremdennächtigungen zu berücksichtigen; bei dem üblichen Divisor 500 ergebe dies zusätzliche 1.566 Einwohnergleichwerte. In Summe seien dies lediglich
8.723 Einwohnergleichwerte. Wenn man - unzulässiger Weise - das Gesamtversorgungspotential je zur Hälfte der bestehenden und der geplanten neuen Apotheke zuordnen wollte, wäre eine Konzessionserteilung erst bei einem Gesamtversorgungspotential von 11.000 Einwohnergleichwerten möglich. Ein solches werde im Beschwerdefall nicht erreicht.
Die belangte Behörde führte ergänzende Erhebungen durch.
Der Beschwerdeführer brachte im Rahmen des Parteiengehörs vor, nach der beantragten Apotheke bestehe kein Bedarf, weil sich im Falle der Neuerrichtung dieser Apotheke die Anzahl der von seiner bestehenden Apotheke zu versorgenden Personen verringern und weniger als 5.500 betragen werde. Dem Versorgungspotential der beantragten Apotheke seien insbesondere die innerhalb des 4-km-Polygons ansässigen Einwohner von Schlitters zuzurechnen. Die Einwohner von Schlitters lägen ausschließlich im 4-km-Bereich der beantragten, nicht hingegen im Bereich der bestehenden Apotheke (Hinweis auf Unterlagen der Gemeinde Fügen). Auch gelangten die Bewohner von Schlitters direkt zur beantragten Apotheke. Die Einwohner von Fügenberg seien aufgrund der Verkehrsverhältnisse ebenfalls der beantragten Apotheke zuzuordnen. Gleiches gelte für die Einwohner von Hart i.Z. Der bestehenden Apotheke verblieben außer den ihr zuzurechnenden Einwohnern von Fügenberg lediglich die südlich von Fügen ansässigen Einwohner von Uderns.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 22. Juni 1998 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß die voraussichtliche Betriebsstättenadresse Fügen, D.-Straße X, sein werde.
In der Begründung wird ausgeführt, in Fügen ordinierten fünf praktische Ärzte, drei Zahnärzte und zwei Tierärzte; es gebe zwei Hauptschulen, eine Volksschule, eine Sonderschule und einen Polytechnischen Lehrgang. Fügen weise beträchtlichen Fremdenverkehr auf und habe derzeit eine öffentliche Apotheke, die ca. 800 m von der beantragten Apothekenbetriebsstätte entfernt betrieben werde, und zwar in unmittelbarer Nähe des Altersheimes, des Postamtes, der Hauptschule und einer Bank. Die bestehende Apotheke des Beschwerdeführers sei durch die neu gebaute Verbindungsstraße von der Bundesstraße zur Talstation der Spieljochbahn sehr gut erreichbar und bequem anzufahren, da dort unter anderem ausgezeichnete Parkmöglichkeiten bestünden. Die von der mP beantragte Apotheke liege im nördlichen Drittel von Fügen, die bestehende etwas südlicher. Infolge der Lage der Nachbargemeinden müsse bei der Beurteilung des Bedarfes für die bestehende Apotheke davon ausgegangen werden, daß sie weiterhin mindestens die Hälfte der Einwohner und Gäste von Fügen, Fügenberg und Hart i.Z. sowie sämtliche Einwohner und Gäste von Uderns mit Arzneimitteln versorgen werde, sodaß ihr ein Kundenpotential von 5.504 Personen bleiben werde. Der Auffassung des Beschwerdeführers, daß die Einwohner von Fügenberg und Hart i.Z. sowie ein Teil der Einwohner von Uderns nicht dem Einzugsbereich seiner Apotheke zuzurechnen seien, könne nicht gefolgt werden, desgleichen nicht seiner Meinung, die Gästezahlen seien nur mit dem Divisor 500 zu berücksichtigen. Hart i.Z. und Fügenberg wiesen eine große Ausdehnung in nordsüdlicher Richtung auf, sodaß von beiden Gemeinden beide Apotheken in Fügen ähnlich gut erreichbar seien. Während die bestehende Apotheke den Vorteil des besseren Parkplatzes habe, sei für einzelne in der Nähe wohnende Bewohner von Fügen die neue Apotheke schneller zu Fuß erreichbar. Allerdings sei bei einer ca. 800 m betragenden Entfernung zwischen beiden Apothekenbetriebsstätten, die man in wenigen Minuten zu Fuß zurücklegen könne, keine besondere Präferenz der Kunden auf Grund der Lage konstruierbar. Die Ortsteile Pankrazberg, Kleinboden und Kapfing seien auf der südlichen Seite von Fügen näher zur bestehenden Apotheke. Wenn es darum gehe, den für die Anfahrt benützten PKW günstig abzustellen, biete sich der Parkplatz bei der Apotheke des Beschwerdeführers an, sodaß die bestehende Apotheke sogar in bezug auf die künftige Inanspruchnahme durch motorisierte Kunden bevorzugt erscheine. Umgekehrt sei aber auch der Platz für die beantragte Apotheke gut gewählt, da er unweit der Einmündung der Harter-Landesstraße in die Hauptstraße liege. Die Anregung des Beschwerdeführers, eine häuserweise Zuordnung zu den beiden Apotheken vorzunehmen, erfordere einen nicht verantwortbaren zusätzlichen Ermittlungsaufwand, der sicherlich zugunsten der bestehenden Apotheke ausfallen würde. Allerdings scheine eine Zuordnung jedes einzelnen Hauses zu einer der beiden Apotheken nicht nur deshalb unzweckmäßig, weil sie mit großem Aufwand verbunden wäre, sondern weil die Aussagekraft einer solchen Zuordnung bezweifelt werde. Da die Apotheke des Beschwerdeführers schon jahrelang bestehe, habe sie schon eine Stammkundschaft, sodaß die belangte Behörde davon überzeugt sei, daß der Apotheke des Beschwerdeführers ein Kundenpotential von mindestens 5.500 Personen erhalten bleiben werde. Auch hinsichtlich der Einbeziehung von Uderns in das Versorgungsgebiet der bestehenden Apotheke habe der Beschwerdeführer kein stichhaltiges Argument vorbringen können, daß die Einwohner von Uderns die wesentlich weiter entfernte Apotheke in Stumm bevorzugt aufsuchen würden. Schon ein Blick auf die Landkarte zeige, daß sämtliche Einwohner von Uderns zur bestehenden Apotheke in Fügen tendierten. Bezüglich der Gäste könne sich die belangte Behörde der Argumentation des Beschwerdeführers nicht anschließen, daß der Divisor 500 zu verwenden sei. Jeder Gast sei ebenso wie ein ständiger Einwohner ein potentieller Kunde für die Apotheke, sodaß die jährliche Gästezahl durch die Anzahl der Tage eines Jahres zu dividieren sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, im Rahmen der Bedarfsprüfung seien die zu versorgenden Personen den einzelnen Apotheken nach den örtlichen Verhältnissen zuzuordnen. Eine solche Zuordnung habe die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht vorgenommen. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren sei unterblieben. Eine Berufung auf eine "Stammkundschaft" entspreche nicht dem ApG.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mP hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt,
der Beschwerde keine Folge zu geben.
Der Beschwerdeführer hat repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 10 Abs. 1 Z. 2 ApG ist die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke zu erteilen, wenn ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.
Ein Bedarf besteht nach § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG nicht, wenn die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich infolge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5.500 betragen wird.
Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z. 3 sind nach § 10 Abs. 4 ApG die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von
vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne des Abs. 4 weniger als 5.500, so sind nach § 10 Abs. 5 ApG die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich die nach § 10 ApG durchzuführende Bedarfsprüfung auf eine - auf entsprechende Ermittlungsergebnisse gestützte - prognostische Zuordnung konkreter Kundenpotentiale zu den beteiligten Apotheken zu gründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1996, 91/10/0140, und die dort angeführte Vorjudikatur). Daran hat sich bezüglich der Bedarfsprüfung im Hinblick auf bestehende öffentliche Apotheken durch die Aufhebung von Teilen des § 10 ApG durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1998, G 37/97-47, grundsätzlich nichts geändert.
Der angefochtene Bescheid läßt eine derartige Zuordnung vermissen. Die Ausführungen im angefochtenen Bescheid sind angesichts der konkreten gegenteiligen Behauptungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren zu allgemein gehalten, um auf ihrer Grundlage eine verläßliche Beurteilung vornehmen zu können, ob die Bedarfsfrage richtig gelöst wurde. Es ist auch nicht erkennbar, welche Ermittlungsergebnisse diesen Aussagen zugrundeliegen.
Allein mit der Vermutung einer Stammkundschaft für die Apotheke des Beschwerdeführers kann das Vorliegen eines Bedarfes nicht begründet werden, zumal ansonsten das Bedarfskriterium des § 10 Abs. 2 Z. 3 ApG seine Bedeutung verlöre.
Unzureichend begründet ist der angefochtene Bescheid auch bezüglich des Ausmaßes, in dem Fremdennächtigungen bei der Bedarfsbeurteilung berücksichtigt wurden. Es fehlen (allgemeine) empirische Untersuchungsergebnisse, die belegen, in welchem Ausmaß Fremdennächtigungen für eine Inanspruchnahme von Apothekenleistungen in Frage kommen und somit bei der Feststellung des Ausmaßes der zu versorgenden Personen im Rahmen der Bedarfsprüfung berücksichtigt werden können. Dies bedeutet nicht, daß für jeden Einzelfall solche Untersuchungen angestellt werden müßten. Es kommen durchaus auch allgemeingültige Kennzahlen in Betracht, sofern sie auf empirischen Untersuchungen beruhen und wenn sie auf (statistischen) Methoden beruhen, die gewährleisten, daß solche Kennzahlen den Zusammenhang zwischen Fremdennächtigungen und Inanspruchnahme von Apothekenleistungen zumindest näherungsweise ausreichend widerspiegeln. Die bloße Verwendung eines "Divisors 365", dessen Grundlagen nicht näher erläutert werden, genügt diesen Anforderungen nicht.
Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 16. November 1998
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)