VwGH 98/05/0245

VwGH98/05/024523.2.1999

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde

1. des Anton Nenning, 2. der Getrude Nenning, 3. des Karl Brandstätter, 4. der Christine Brandstätter, 5. des Dr. Helmut Kleinsasser, 6. der Dr. Mara Kleinsasser, 7. der Maria Lakatos,

8. des Karl Kropfreiter, 9. der Anna Kropfreiter, 10. des Anton Jandl, 11. der Maria Jandl, 12. des Engelbert Freudenschuß und

13. der Leopoldine Freudenschuß, alle in Zeillern und vertreten durch Mag. Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, Burgfriedstraße 17, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. November 1998, Zl. RU1-V-94107/11, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Zeillern, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1996 §1 Abs3 Z3;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;
BauO NÖ 1996 §1 Abs3 Z3;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ist folgender Sachverhalt zu entnehmen

Die mitbeteiligte Marktgemeinde beantragte im Zuge der Errichtung der kommunalen Abwasserbeseitigungsanlage die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung der "Kanalisation Nebensammler Kirchholz" vom Schacht Nr. 25 bis zum Schacht Nr. 28 auf den der mitbeteiligten Marktgemeinde gehörigen Grundstücken Nr. 4226/1 und 4251/2, je öffentliches Gut, aufgrund der vorgelegten Pläne und der Baubeschreibung.

Die Baubehörden haben im Instanzenzug die beantragte Baubewilligung erteilt. Die Niederösterreichische Landesregierung hat mit Bescheid vom 7. November 1995 die Vorstellung der als Nachbarn dem Verfahren beigezogenen Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Mit hg. Erkenntnis vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0099, wurde dieser Vorstellungsbescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Die Baubehörden hätten die durch das Bauvorhaben entstehenden Geruchsbelästigungen auf sachverständiger Basis ermitteln müssen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Aufgrund dieses Erkenntnisses hob die Aufsichtsbehörde mit Bescheid vom 24. März 1997 den Bescheid der Berufungsbehörde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Zeillern zurück.

Mit Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Zeillern vom 17. Juni 1997 wurde der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid vom 16. Dezember 1994 ersatzlos aufgehoben. In seiner Begründung führte der Gemeinderat aus, die Marktgemeinde Zeillern habe ihr Ansuchen um baubehördliche Bewilligung mit Schriftsatz vom 9. Mai 1997 zurückgezogen, weshalb die Entscheidungsgrundlage für die Baubehörde weggefallen sei.

Mit Schriftsatz vom 24. Juli 1997 beantragten die Beschwerdeführer die Erlassung eines Abbruchauftrages betreffend den "Nebensammler Kirchholz" mit der Begründung, die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 käme deshalb nicht zum Tragen, weil die Beschwerdeführer nie an einem Wasserrechtsverfahren beteiligt gewesen seien; der gegenständliche Kanal sei als "Schwarzbau" zu werten.

Mit Bescheid des im Devolutionsweg zuständig gewordenen Gemeinderates der Marktgemeinde Zeillern vom 22. April 1998 wurde dieser Antrag der Beschwerdeführer gemäß § 1 Abs. 3 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 abgewiesen. Die Voraussetzungen zur Erlassung eines Abbruchauftrages gemäß § 35 Abs. 2 leg. cit. lägen nicht vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 9. November 1998 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführer als unbegründet abgewiesen. Durch die Änderung der Gesetzeslage bestünde nunmehr keine Baubewilligungspflicht für das beschwerdegegenständliche Bauvorhaben. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Abbruchauftrages lägen damit nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung eines Abbruchauftrages im Sinne ihres Antrages vom 24. Juli 1997 verletzt. Das anhängige Baubewilligungsverfahren hätte nach der bisherigen Rechtslage entschieden werden müssen. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde wäre nach Zustellung des Vorstellungsbescheides vom 24. März 1997 verpflichtet gewesen, das Verfahren unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes unter Anwendung der Bestimmungen der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 weiterzuführen. Die Zurückziehung des Bauansuchens wäre ebenfalls nach der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 zu beurteilen gewesen und demnach der bereits errichtete Kanal als Schwarzbau zu werten gewesen. Mit Zurückziehung des Antrages stelle sich der Nebensammler Kirchholz als konsenslos dar. § 1 Abs. 3 Z. 3 Niederösterreichischen Bauordnung 1996 könne schon deshalb nicht Entscheidungsgrundlage sein, da die Beschwerdeführer niemals an einem Wasserrechtsverfahren beteiligt gewesen seien. Das von den Behörden gewählte Vorgehen sei verfassungswidrig im Sinne einer Willkür und nicht zulässig.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem hg. Erkenntnis vom 17. September 1996 lag ein Antrag der mitbeteiligten Marktgemeinde um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Nebensammlers ihrer Kanalisationsanlage zugrunde. Nach Erlassung dieses Erkenntnisses hat die mitbeteiligte Marktgemeinde ihren Baubewilligungsantrag zurückgezogen. Damit ist die Befugnis der Baubehörden zur Entscheidung über die baubehördliche Bewilligung für dieses Bauvorhaben weggefallen. Mit der ersatzlosen Behebung des erstinstanzlichen Bewilligungsbescheides vom 16. Dezember 1994 durch Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 17. Juni 1997 war somit kein Baubewilligungsverfahren bezüglich dieses Nebensammlers mehr anhängig.

Gemäß § 78 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 ist dieses Gesetz am 1. Jänner 1997 in Kraft getreten und gemäß Abs. 3 dieses Paragraphen die Niederösterreichische Bauordnung 1976 außer Kraft getreten. Die Übergangsbestimmung des § 77 Abs. 1 leg. cit. bezieht sich auf die am Tage des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren.

Der Beschwerde liegt ein Antrag der Beschwerdeführer auf Erlassung eines Abbruchauftrages vom 24. Juli 1997 zugrunde. Ein solcher Antrag ist demnach gemäß § 78 Abs. 1 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 nach diesem Gesetz zu beurteilen.

Gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. hat die Baubehörde den Abbruch eines Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und das Bauwerk unzulässig ist (§ 15 Abs. 3 und § 23 Abs. 1) oder der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab der Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Für andere Vorhaben gilt diese Bestimmung sinngemäß.

Die Erteilung eines Abbruchauftrages gemäß § 35 Abs. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996 erfordert demnach, daß das betroffene Bauwerk entweder baubewilligungspflichtig im Sinne des § 23 leg. cit. oder anzeigepflichtig gemäß § 15 leg. cit. ist.

§ 1 Abs. 3 Z. 3 leg. cit. nimmt vom Geltungsbereich der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 wasserrechtlich bewilligungspflichtige unterirdische bauliche Anlagen (z.B. Rohrleitungen, Schächte) für die Wasserver- und -entsorgung aus. Der Gesetzgeber ging bei dieser Ausnahmeregelung davon aus, daß eine Zuständigkeit der Baubehörde zwar gegeben wäre, doch soll ein Parallelverfahren mit gleichartigen Zielsetzungen vermieden werden (vgl. hiezu die bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 5. Auflage, Seite 40, Anm. 3 zu § 1 BO referierten Erläuternden Bemerkungen).

Die Beschwerdeführer ziehen nicht in Zweifel, daß der Nebensammler Kirchholz eine wasserrechtlich bewilligungspflichtige unterirdische bauliche Anlage für die Wasserentsorgung ist, sie tragen vielmehr vor, daß ihnen im Verfahren zur wasserrechtlichen Bewilligung dieser Kanalisationsanlage keine Parteistellung eingeräumt worden sei.

Ob den Beschwerdeführern im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren Parteistellung zugekommen ist, bedarf im Beschwerdefall keiner weiteren Erörterung, weil im vorliegenden Fall Sache der Baubehörden nur war, ob der beantragte baubehördliche Abbruchauftrag erlassen werden darf. Dies haben die Baubehörden und die belangte Behörde zutreffend verneint, weil für das beschwerdegegenständliche Bauwerk die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 3 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung 1996 gilt. Bezüglich eines solchen Bauwerks kann daher - da es weder bewilligungspflichtig noch anzeigepflichtig ist - auch kein Abbruchauftrag erlassen werden.

Wegen der Zurückziehung eines Bewilligungsantrages einer antragstellenden Partei kann der Behörde kein willkürliches Verhalten zur Last gelegt werden. Es steht im Ermessen der Partei, ob sie ihren Antrag auf Bewilligung aufrecht hält oder zurückzieht.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Februar 1999

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