Normen
B-VG Art6 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs4;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §17;
StbG 1985 §34;
VwGG §33 Abs1;
B-VG Art6 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs1;
StbG 1985 §10 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §10 Abs4;
StbG 1985 §10;
StbG 1985 §17;
StbG 1985 §34;
VwGG §33 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren wird eingestellt.
Ein Kostenersatz findet nicht statt.
Begründung
Mit Antrag vom 23. Oktober 1991 begehrte der seit Jänner 1991 in Österreich wohnhafte Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft. Dabei stützte er sich ausdrücklich auf § 10 Abs. 4 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG). Zugleich wurde die Erstreckung der Verleihung auf die Ehegattin des Beschwerdeführers und auf seine drei mj. Kinder beantragt.
Mit Bescheid vom 25. November 1992 wies die Wiener Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG ab. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, Zl. 93/01/0852, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im zweiten Rechtsgang legte die belangte Behörde im Wege des Bundesministers für Inneres "maßgebliche Kopien des Einbürgerungsaktes" (so die belange Behörde in ihrer Übersendungsnote) der Bundesregierung vor. Diese lehnte mit Ministerratsbeschluss vom 28. Jänner 1997 die Erteilung der "Staatsinteressenbestätigung" nach § 10 Abs. 4 StbG ab. Unter Hinweis darauf gab die belangte Behörde dem Verleihungsbegehren des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 15. Oktober 1997 abermals, nunmehr gemäß § 10 Abs. 4 StbG, keine Folge; wegen des kurzen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich komme eine Einbürgerung nach einer anderen Gesetzesstelle nicht in Betracht.
Gegen diesen Bescheid vom 15. Oktober 1997 richtet sich die vorliegende, am 12. März 1998 hg. eingelangte Beschwerde mit dem Antrag, ihn - erkennbar wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften - aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. In dieser Gegenschrift führt die belangte Behörde u.a. aus, dass dem Beschwerdeführer in Erstreckung nach seiner Gattin mit Wirkung vom 22. April 1998 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei; ein endgültiger Nachweis über das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband stehe noch aus.
Mit Verfügung vom 27. Mai 1999 wurde dem Beschwerdeführer eine Kopie des Verleihungs-/Erstreckungsbescheides vom 22. April 1998 übermittelt; zugleich erging die Aufforderung, binnen drei Wochen mitzuteilen, ob und bejahendenfalls in welchen subjektiven Rechten er sich durch den angefochtenen Bescheid (noch) als verletzt erachte.
In seiner Stellungnahme vom 30. Juni 1999 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG nicht zuletzt deshalb beantragt habe, weil ihm eine Staatsbürgerschaftsverleihung wegen "besonderem Staatsinteresse" das Beibehalten der türkischen Staatsbürgerschaft erlaube. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. April 1998 sei ihm (demgegenüber) die Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 3 StbG verliehen worden, sodass er nun nicht mehr türkischer Staatsbürger sei. Er habe dadurch alle einem türkischen Staatsbürger zukommenden Rechte verloren; als Türke wäre es ihm insbesondere möglich, in der Türkei Grundstücke zu erwerben und dort sein Wahlrecht auszuüben. Eine Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 4 StbG stelle eine Privilegierung zu § 10 Abs. 3 StbG dar; eine Verleihung nach § 10 Abs. 3 StbG bedeute gegenüber der Verleihung nach § 10 Abs. 4 leg. cit. eine Schlechterstellung. Er sei daher auch nach Verleihung der Staatsbürgerschaft durch den bekämpften Bescheid in seinen subjektiven Rechten verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
§ 10 StbG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124/1998, hat folgenden Wortlaut:
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
1. er seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat;
...
7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder er sich ohne sein Verschulden in einer finanziellen Notlage befindet und
8. ...
(2) Einem Fremden, der eine fremde Staatsangehörigkeit besitzt, darf die Staatsbürgerschaft nicht verliehen werden, wenn er
a) die für das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband erforderlichen Handlungen unterlässt, obwohl sie ihm möglich und zumutbar sind und er kein Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist, oder
b) auf Grund seines Antrages oder auf andere Weise absichtlich die Beibehaltung seiner bisherigen Staatsangehörigkeit erwirkt.
(3) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 kann abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt.
(4) (Verfassungsbestimmung) Die Voraussetzungen des Abs. 1 Z 1 und 7 sowie des Abs. 2 entfallen, wenn die Bundesregierung bestätigt, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen, insbesondere auf wissenschaftlichen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder sportlichen Gebieten, im Interesse der Republik liegt."
Der Argumentation des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 1999 ist darin zu folgen, dass die eben zitierte Bestimmung verschiedene Verleihungstatbestände vorsieht. Allen diesen Tatbeständen ist gemeinsam, dass die in Abs. 1 Z. 2 bis 6 und Z. 8 genannten Erfordernisse erfüllt sein müssen. Daneben kommen jeweils spezifische weitere Voraussetzungen zum Tragen, deren Vorliegen die Verleihung nach dem einen oder dem anderen Tatbestand ermöglicht. In diesem Sinne charakteristische Verleihungsvoraussetzung des in Abs. 4 genannten Tatbestandes ist die - in ihrer Rechtsnatur umstrittene (siehe dazu Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, 214 ff.) - Bestätigung der Bundesregierung, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten oder von ihm zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im Interesse der Republik liegt. Die Erteilung dieser Bestätigung begünstigt den Einbürgerungswerber insofern, als dann die für eine Verleihung nach § 10 Abs. 1 oder Abs. 3 StbG erforderlichen weiteren Voraussetzungen - im vorliegenden Fall interessiert insbesondere die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft - dahinstehen können.
Ausgehend von der Systematik des Gesetzes, die § 10 Abs. 1 StbG als "Grundtatbestand" erkennen lässt, und im Hinblick auf die Unschädlichkeit der Beibehaltung der bisherigen Staatsbürgerschaft mag es gerechtfertigt sein, § 10 Abs. 4 leg. cit. als "privilegierten Verleihungstatbestand" zu begreifen. Das ändert aber nichts daran, dass es sich dabei letztlich nur um eine von mehreren Möglichkeiten zur Erlangung ein und derselben Staatsbürgerschaft handelt. Im übertragenen Sinn gesprochen stellt diese Bestimmung einen von mehreren gangbaren Wegen dar, die alle zum selben Ziel "Staatsbürgerschaft" führen. Das österreichische Recht kennt nämlich nur eine "einheitliche Staatsbürgerschaft". Wenngleich Art. 6 Abs. 1 B-VG, der diesen Grundsatz postuliert, im Hinblick auf seine Entstehungsgeschichte primär die Absage an eine "Bundesbürgerschaft" einerseits und eine "Landesbürgerschaft" andererseits vor Augen hat, so folgt dies doch jedenfalls unzweifelhaft aus Art. 7 Abs. 1 erster Satz B-VG. Eine Staatsbürgerschaft "minderen Grades" ist vor diesem verfassungsrechtlichen Hintergrund nicht denkbar, das StbG sieht demgemäß nur eine einzige Kategorie "Staatsbürgerschaft" vor (vgl. § 2 Z. 2 StbG). Auch eine durch Erstreckung der Verleihung erworbene Staatsbürgerschaft ist in diesem Sinn "vollwertig", zumal es sich bei der Erstreckung der Verleihung im Grunde nur um einen selbstständigen Verleihungstatbestand handelt, dessen Besonderheit darin liegt, dass eine der Verleihungsvoraussetzungen in der zeitgleichen Verleihung der Staatsbürgerschaft an eine bestimmte andere Person besteht (Thienel, aaO., 246).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nicht dessen Aufgabe, in einer Beschwerdesache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage keine Bedeutung mehr zukommt. Wird eine Beschwerde gegenstandslos, ohne dass der angefochtene Bescheid durch einen formellen Akt beseitigt wurde, so führt dies zur Einstellung des Verfahrens. Gegenstandslosigkeit wird immer dann angenommen werden können, wenn der Beschwerdeführer durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht günstiger gestellt würde, als dies ohne meritorische Entscheidung über die Beschwerde infolge der nach ihrer Erhebung eingetretenen Umstände der Fall ist. Das Rechtsinstitut der Gegenstandsloserklärung führt immer dann zu einer Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, wenn weder die Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Beschwerde, noch für eine Sachentscheidung oder Klaglosstellung im Sinne des Gesetzes vorliegen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 8. September 1999, Zl. 99/01/0354, m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer unstrittig nach Einbringung der gegenständlichen Beschwerde, am 22. April 1998, die österreichische Staatsbürgerschaft erworben. Dieser Erwerb erfolgte in Erstreckung der seiner Ehegattin nach § 10 Abs. 3 StbG verliehenen Staatsbürgerschaft. Wenn der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 1999 die Ansicht vertritt, er sei durch den bekämpften Bescheid ungeachtet dessen (noch immer) in subjektiven Rechten verletzt, so ist ihm zu entgegnen, dass er nach dem oben Gesagten auch im Fall einer Aufhebung dieses Bescheides nicht mehr erreichen könnte, als er nunmehr ohnehin bereits innehat, nämlich die österreichische Staatsbürgerschaft. Dass grundsätzlich - aus dem Blickwinkel der österreichischen Rechtsordnung - jede Verleihung, so sie nicht nach § 10 Abs. 4 StbG erfolgt, die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft erfordert, spielt zumindest im vorliegenden Zusammenhang keine Rolle. Tatsache ist, dass die belangte Behörde ungeachtet dessen die österreichische Staatsbürgerschaft verlieh. In einem solchen Fall wäre die Staatsbürgerschaft zwar nach Ablauf von mehr als zwei Jahren seit Verleihung gemäß § 34 StbG zu entziehen, wenn der Betreffende trotz des Erwerbes der Staatsbürgerschaft seither aus Gründen, die er zu vertreten hat, eine fremde Staatsangehörigkeit beibehalten hat. Abgesehen davon, dass durch diese Bestimmung nur solche Fälle erfasst werden, in denen ein Ausscheiden aus dem bisherigen Staatsverband nicht schon vor Erlangen der österreichischen Staatsbürgerschaft möglich war (eine "Korrektur" eines entgegen § 10 Abs. 2 StbG erlassenen Verleihungsbescheides ist der Staatsbürgerschaftsbehörde auf diesem Weg nicht möglich; vgl. Thienel, aaO., 319), kommt eine derartige Entziehung hier jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil der Beschwerdeführer - so ausdrücklich sein Vorbringen in der Stellungnahme vom 30. Juni 1999 - ohnehin nicht mehr türkischer Staatsbürger ist. Auch an diesem Ergebnis und den daraus resultierenden, vom Beschwerdeführer geltend gemachten Konsequenzen könnte schließlich eine Kassation des angefochtenen Bescheides nichts ändern, weil sie (ungeachtet allfälliger "Wiederaufnahmemöglichkeiten" nach türkischem Recht) unberührt ließe, dass der Beschwerdeführer eben schon nach § 10 Abs. 3 (iVm § 16) StbG die österreichische Staatsbürgerschaft erhalten hat und ein Erwerb derselben nur einmal möglich ist (vgl., wenn auch in anderem Zusammenhang, Thienel, aaO., 321).
Zusammenfassend vermag der Verwaltungsgerichtshof somit nicht zu erkennen, warum dem Beschwerdeführer noch ein rechtliches Interesse an einer meritorischen Erledigung seiner Beschwerde zukommen sollte; in seiner Stellungnahme vom 30. Juni 1999 vermag er ein derartiges Interesse jedenfalls nicht aufzuzeigen. Das Verfahren über die vorliegende Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen.
Ein Zuspruch von Kostenersatz konnte im Grunde des § 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG unterbleiben.
Wien, am 3. Mai 2000
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