Normen
MRK Art6;
VwGG §24 Abs2 idF 1997/I/088;
MRK Art6;
VwGG §24 Abs2 idF 1997/I/088;
Spruch:
Das Verfahren wird eingestellt.
Begründung
Nach seinen Behauptungen handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen rechtskundigen Bediensteten des Bundes. Mit einer am 9. Dezember 1997 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten, keine Anwaltsunterschrift aufweisenden Eingabe, erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den im Rubrum zitierten Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien. Mit diesem Bescheid war eine vom Beschwerdeführer erhobene "Maßnahmenbeschwerde wegen exzessiver Personenkontrolle im Justizpalast, 4.7.97, 13.25" vom 6. Juli 1996 gemäß § 67c Abs. 4 AVG zurückgewiesen worden. Mit der dem Beschwerdeführer am 18. Dezember 1997 zugestellten Verfügung vom 15. Dezember 1997 wurde dieser aufgefordert, die Beschwerde binnen zwei Wochen mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen. Mit einer am 22. Dezember 1997 eingelangten Eingabe beantragte der Beschwerdeführer ihm für das verwaltungsgerichtliche Verfahren die Verfahrenshilfe im erforderlichen Umfang, jedenfalls durch Beigebung eines Rechtsanwaltes zu bewilligen.
Noch ehe eine Entscheidung über diesen Antrag erging, führte der Beschwerdeführer in einer am 14. Jänner 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Eingabe aus, der gegenständliche Verfahrenshilfeantrag werde dahingehend modifiziert, daß die Verfahrenshilfe nur für die Beschwerdegebühr beantragt werde. Die Beigebung eines Rechtsanwaltes werde vom Beschwerdeführer abgelehnt. Weiters heißt es in dieser Eingabe, daß der Beschwerdeführer auf die Beigebung eines Rechtsanwaltes verzichte. Der Verzicht werde allerdings mit der Maßgabe ausgedrückt, daß das Recht des Beschwerdeführers auf Ersatz des pauschalen Kostenersatzes als obsiegende Partei aus dem Titel "des entgangenen Genusses des Privatlebens durch einen allenfalls bestellten Rechtsanwalt in Anbetracht der Bestimmungen über das gesetzliche Pfandrecht des Anwaltes an den Kosten der RAO nicht nachteilig betroffen sein" dürfe.
Eine Verbesserung der Beschwerde durch Beibringung einer Anwaltsunterschrift erfolgte im weiteren Verfahren nicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Zeitpunkt der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde stand § 24 Abs. 2 VwGG bereits in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 in Kraft. Nach dieser Bestimmung besteht eine Ausnahme von der Anwaltspflicht für rechtskundige Bedienstete des Bundes lediglich bei Beschwerden oder Anträgen in dienst-, besoldungs- oder personalvertretungsrechtlichen Angelegenheiten. Der Beschwerdeführer hätte die gegenständliche Beschwerde daher mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen gehabt. Der Verbesserungsauftrag vom 15. Dezember 1997 erging an den Beschwerdeführer daher zu Recht.
Nun hat dieser zwar innerhalb der Verbesserungsfrist die Verfahrenshilfe einschließlich der Beigabe eines Rechtsanwaltes begehrt, sodaß in analoger Anwendung des § 26 Abs. 3 VwGG auch die Frist zur Verbesserung der Beschwerde mit der Zustellung des Bescheides über die Bestellung des Rechtsanwaltes an diesen oder mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses über den Verfahrenshilfeantrag an die Partei neu zu laufen begonnen hätte. Allerdings hat der Beschwerdeführer seinen Verfahrenshilfeantrag mit dem am 14. Jänner 1998 eingelangten Schriftsatz dahingehend modifiziert, daß die Verfahrenshilfe lediglich für die Beschwerdegebühr beantragt werde. Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 14. Jänner 1998 sind daher dahingehend zu verstehen, daß der Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe nicht mehr aufrechterhalten wurde. Der bloße Antrag auf Befreiung von der Beschwerdegebühr vermag jedoch die oben geschilderte Wirkung der Unterbrechung der Verbesserungsfrist nicht mehr aufrecht zu erhalten. Die Verbesserungsfrist begann daher mit Einlangen des zuletzt erwähnten Schriftsatzes am 14. Jänner 1998 neu zu laufen und ist mittlerweile verstrichen, ohne daß eine Verbesserung des Schriftsatzes erfolgt wäre.
Es war daher gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG wie im Spruch angeführt zu verfahren, zumal die vom Beschwerdeführer gegen § 24 Abs. 2 VwGG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 88/1997 vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt werden:
Jedenfalls im Verfahren vor Rechtsmittelgerichten verstößt der Anwaltszwang nicht gegen Art. 6 MRK (vgl. hiezu Frohwein-Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention2 Rz 60 und 68 mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des EGMR). Diese Auffassung vertreten auch der Verfassungsgerichtshof (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1976, Slg. Nr. 7.756, mit weiteren Hinweisen auf die Vorjudikatur) und der Oberste Gerichtshof (vgl. den Beschluß des Obersten Gerichtshofs vom 24. März 1998, Zl. 1 Ob 45/98). Gegenteiliges ist - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - auch aus den Beschlüssen des Verfassungsgerichtshofes vom 25. November 1996, B 3130/96, und vom 30. September 1997, B 2077/97, nicht zu entnehmen.
Die für die Anwaltspflicht angestellten Erwägungen haben auch für die in § 24 Abs. 2 VwGG vorgesehene Vidierung der Beschwerde durch einen Rechtsanwalt Gültigkeit.
Es mag zutreffen, daß - wie der Beschwerdeführer meint - die Anwaltspflicht (oder auch die Vidierung der Beschwerde gemäß § 24 Abs. 2 VwGG) der Zielsetzung zu dienen hat, der Partei die Assistenz durch eine rechtskundige Person, die mit den Techniken eines bestimmten Rechtsschutzverfahrens vertraut ist, zu gewährleisten. Daraus ist allerdings nicht die vom Beschwerdeführer offenbar vertretene Auffassung abzuleiten, daß bei einer - von der fehlenden Anwaltsunterschrift abgesehen - formell mängelfreien Beschwerde die Erteilung eines Verbesserungsauftrages durch Beibringung einer Anwaltsunterschrift mit Art. 6 MRK nicht im Einklang stünde, weil es dem Gesetzgeber freisteht, Eingaben vom Erfordernis dieser Vidierung in typisierender Betrachtungsweise zu erfassen, ohne daß dabei auf die Übereinstimmung einer konkreten Eingabe mit den gesetzlichen Formerfordernissen abgestellt werden müßte. Im übrigen dient die anwaltliche Beratung in diesem Zusammenhang nicht ausschließlich der Vermeidung von Formmängeln, sondern auch der Vollständigkeit und Zweckmäßigkeit der inhaltlichen Ausformulierung der Beschwerde, ebenso wie der Abschätzung ihrer Erfolgsaussichten zur Vermeidung des mit einer Abweisung verbundenen Prozeßkostenrisikos.
Dieser Zielsetzung des Formerfordernisses des § 24 Abs. 2 VwGG dient aber auch die Ausdehnung desselben auf rechtskundige Bedienstete des Bundes, soweit es sich nicht um eine dienst-, besoldungs- oder personalvertretungsrechtliche Angelegenheit handelt, durch die VwGG-Novelle BGBl. Nr. 88/1997, zumal der Ausbildungsstand eines rechtskundigen Beamten des Bundes sich von dem eines Rechtsanwaltes insbesondere dadurch unterscheidet, daß ersterem jedenfalls bei typisierter Betrachtung die spezifische Erfahrung in der Verfassung von Rechtsmittelschriften und Beschwerdeschriftsätzen, also der Techniken des in Rede stehenden Rechtsschutzverfahrens, fehlt.
Maßgebend ist in diesem Zusammenhang ausschließlich die objektive Rechtfertigung dieser gesetzgeberischen Maßnahme vor dem Hintergrund des Art. 6 MRK. Auf die vom Beschwerdeführer aus Wortmeldungen abgeleiteten Motive einzelner Abgeordneter für ihre Zustimmung zu der in Rede stehenden Novelle des VwGG (Hintanhaltung von Beschwerden Rechtskundiger "quasi als Sport") kommt es demgegenüber nicht an. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob das in Rede stehende Formerfordernis auch derartigen Zwecken dienen dürfte.
Wien, am 11. September 1998
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