VwGH 97/19/0770

VwGH97/19/077030.6.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, in der Beschwerdesache der 1975 geborenen OS, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bundesminister für Inneres wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. einer Aufenthaltsbewilligung, den Beschluß gefaßt:

Normen

AufG 1992 §9 Abs3 idF 1995/351;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §41 Abs1;
AufG 1992 §9 Abs3 idF 1995/351;
AVG §73 Abs1;
AVG §73 Abs2;
VwGG §27;
VwGG §41 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit ihrer am 10. April 1997 beim Verwaltungsgerichtshof überreichten Säumnisbeschwerde macht die Beschwerdeführerin die Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung ihrer Berufung gegen einen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. September 1996 geltend. Nach dem Inhalt ihrer Berufung strebt die Beschwerdeführerin die Erteilung einer Bewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem in Österreich lebenden Ehegatten an. Sie bringt vor, die in Rede stehende Berufung sei am 24. September 1996 zur Post gegeben worden und am 25. September 1996 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangt. Diese habe sie an die belangte Behörde weitergeleitet, welche sie spätestens am 6. Oktober 1996 erhalten habe.

Mit Note vom 17. September 1997 teilte die belangte Behörde mit, daß die Höchstzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für das Jahr 1997 für das Bundesland Wien für die Zwecke Familiennachzug und Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige, erreicht worden sei. Es finde daher § 9 Abs. 3 AufG Anwendung und die Entscheidung über anhängige Fälle sei bis zum Inkrafttreten einer neuen Verordnung aufzuschieben.

Über Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes teilte die belangte Behörde mit Note vom 19. Jänner 1998 mit, daß die Höchstzahl der Bewilligungen für das Jahr 1996 für Wien für Erwerbstätige, Schüler, Pensionisten und privat Aufhältige mit 14. Juni 1996 erreicht worden sei.

Über Vorhalt dieser Eingaben der belangten Behörde äußerte sich die Beschwerdeführerin nicht.

Schließlich teilte die belangte Behörde mit Note vom 20. Mai 1998 mit, daß - wie ihr der Landeshauptmann von Wien bekanntgegeben habe - die Quote für 1996 für den Familiennachzug für Wien mit 20. Juni 1996 erschöpft gewesen sei. Dem beiliegenden Schreiben des Landeshauptmannes von Wien vom 11. März 1997 ist weiters zu entnehmen, daß die computertechnische Vergabe dieser Quotenplätze erst an den nächsten Tagen (21. oder 22. Juni) möglich gewesen sei.

Zu diesem Schreiben äußerte sich die Beschwerdeführerin dahingehend, daß ihr diese Quotenerschöpfung nicht bekannt gewesen sei. Das Vorbringen der belangten Behörde verstoße daher gegen das Neuerungsverbot, weshalb hierauf nicht Bedacht zu nehmen sei. Überdies sei der Beschwerdeführerin am 23. Februar 1998 durch den Landeshauptmann von Wien eine bis 10. Jänner 1999 gültige Niederlassungsbewilligung erteilt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:

§ 27 VwGG lautet:

 

"§ 27. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war."

^

§ 9 Abs. 3 AufG in der Fassung der am 19. Mai 1995 ausgegebenen Novelle BGBl. Nr. 351/1995 lautete:

 

"(3) Sobald die gemäß § 2 Abs. 1 festgelegte Anzahl von Bewilligungen für eine in der Verordnung bestimmte Gruppe erreicht ist, dürfen für solche Personen keine weiteren Bewilligungen erteilt werden. Die Entscheidung über die zu diesem Zeitpunkt anhängigen und danach einlangenden Anträge ist bis zum Inkrafttreten einer nachfolgenden Verordnung gemäß § 2 aufzuschieben, die für solche Personen eine neue Zahl von Bewilligungen vorsieht. § 73 AVG und § 27 VwGG sind in diesem Fall nicht anwendbar."

 

Wenn die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, die Vorlage des Schreibens des Landeshauptmannes von Wien vom 11. März 1997 verstoße gegen das Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und sei daher unbeachtlich, ist ihr zu entgegnen, daß das von ihr angesprochene Neuerungsverbot aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleiten ist, wonach der Verwaltungsgerichtshof, soweit er nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde oder wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gegeben findet, den angefochtenen Bescheid aufgrund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu überprüfen hat. Diese Bestimmung ist nach ihrem klaren Wortlaut ausschließlich im Bescheidprüfungsverfahren anzuwenden.

Im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof amtswegig durchzuführenden Prüfung der Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde, wozu auch die Prüfung der Frage zählt, ob die Frist des § 27 VwGG schon verstrichen ist, ist die belangte Behörde während der Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht von der Erstattung eines zur rechtlichen Beurteilung dieser Frage geeigneten Sachvorbringens ausgeschlossen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht im Einklang mit den von der Beschwerdeführerin unbestritten gebliebenen Angaben in dem von der belangten Behörde vorgelegten Schreiben des Landeshauptmannes von Wien vom 11. März 1997 davon aus, daß die für den angestrebten Aufenthaltszweck maßgebliche Höchstzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996 spätestens am 22. Juni 1996 erschöpft war.

Aufgrund dieses Umstandes traf die belangte Behörde nach der Bestimmung des § 9 Abs. 3 AufG in der Zeit vom 25. September 1996, dem Tag des Einlangens der Berufung bei der erstinstanzlichen Behörde, bis zu der mit 1. Jänner 1997 eingetretenen Möglichkeit, aufgrund der nachfolgenden Quotenverordnung (hier: der entsprechenden, am 13. Dezember 1996 im BGBl. Nr. 707/1996 kundgemachten Verordnung über die Anzahl der Bewilligungen im Jahr 1997) Bewilligungen zu Lasten der Quote für 1997 zu erteilen, keine Entscheidungspflicht, zumal die Zeiten der erschöpften Quote auf die Frist des § 27 VwGG nicht anzurechnen waren (vgl. den hg. Beschluß vom 13. Juni 1997, Zl. 96/19/2208).

Die am 10. April 1997 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Säumnisbeschwerde erweist sich daher als verfrüht. Sie war mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

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