VwGH 97/18/0453

VwGH97/18/04534.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des N D in Wien, vertreten durch Dr. Marcella Zauner-Grois und Dr. Christof Dunst, Rechtsanwälte in Wien I, Rathausstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. August 1997, Zl. SD 1009/97, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §6 Abs3;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z5;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. August 1997 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und 5 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei bereits im Dezember 1988 vom Jugendgerichtshof Wien wegen der Verbrechen des Einbruchsdiebstahles und des Raubes zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Anläßlich dieser Verurteilung sei der Vater des Beschwerdeführers darauf aufmerksam gemacht worden, daß aufgrund der langen Aufenthaltsdauer und der starken familiären Bindungen des Beschwerdeführers vorerst noch von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes abgesehen werde. Ungeachtet dessen sei der Beschwerdeführer neuerlich straffällig und vom Jugendgerichtshof Wien im September 1991 gemäß §§ 127, 128 Abs. 1 Z. 4 und 129 Z. 1, 15 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie am 25. Jänner 1996 vom Bezirksgericht Wien Innere Stadt wegen des Vergehens der vorsätzlichen Körperverletzung zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden.

Zuletzt sei der Beschwerdeführer am 13. Mai 1997 durch das Landesgericht Eisenstadt wegen des Vergehens der gerichtlich strafbaren Schlepperei gemäß § 81 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 FrG sowie des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Wie aus der Urteilsbegründung hervorgehe, habe der Beschwerdeführer am 13. Oktober 1995 im Gemeindegebiet von Heiligenkreuz mit anderen Mittätern (u.a. seinem Bruder Miroslav D) versucht, 28 jugoslawische Staatsangehörige von Ungarn nach Österreich rechtswidrig zu befördern, am 21. Juni 1996 im Gemeindegebiet von Deutsch-Schützen zusammen mit anderen Mittätern (darunter einem Sasa D) zwei jugoslawische Staatsangehörige von Ungarn nach Österreich rechtswidrig zu befördern, sowie am 30. September 1996 in Wien im Raume Niederstaufen mit anderen Mittätern (darunter einem Stevan D) die rechtswidrige Ausreise von acht jugoslawischen und zwei türkischen Staatsangehörigen von Österreich nach Deutschland zu organisieren.

Bei dieser Sachlage könne nicht der geringste Zweifel bestehen, daß bestimmte Tatsachen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 5 FrG die Annahme rechtfertigten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde und anderen im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Interessen zuwiderlaufe und daß darüber hinaus die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der damit verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG zur Verteidigung eines geordneten Fremdenwesens, weiters zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, zum Schutz der Rechte anderer und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, somit zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, "dringendst" geboten sei.

Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich lebe, im Bundesgebiet zahlreiche Angehörige aufhältig seien, sowie, daß er für drei minderjährige in Österreich lebende Kinder sorgepflichtig sei, sei zweifelsohne von einem schwerwiegenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dies werde jedoch zum einen dadurch, daß einige Familienmitglieder ebenfalls der Schlepperszene angehörten, zum anderen durch den Umstand, daß sowohl der Beschwerdeführer als auch seine drei minderjährigen Kinder lediglich über eine bis 5. Juni 1997 befristete Aufenthaltsbewilligung der "MA 62" verfügt hätten, relativiert. Die soziale Komponente der Integration des Beschwerdeführers sei in Anbetracht der schwerwiegenden Verurteilungen gering zu veranschlagen. Angesichts des zuvor aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, daß vor allem angesichts der Bedeutung, die die Bekämpfung des Schlepperunwesens in letzter Zeit gewonnen habe, die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes besonders schwer wögen und gegenüber, wenn auch ausgeprägten, Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich jedenfalls deutlich überwögen.

Nicht unerwähnt solle auch bleiben, daß bereits in zwei weiteren Ländern, nämlich in Ungarn und der BRD, aufrechte Aufenthaltsverbote gegen den Beschwerdeführer bestünden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesem Grund aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die - zutreffende - Ansicht der belangten Behörde, daß sachverhaltsbezogen zum einen die Tatbestände der Z. 1 und 5 des § 18 Abs. 2 FrG verwirklicht sind und zum anderen die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt ist, unbekämpft.

2.1. Die Beschwerde gesteht das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer zu, hält diese Maßnahme aber dennoch für unzulässig, weil die belangte Behörde die gemäß Art. 8 MRK iVm den §§ 19 und 20 FrG vorgeschriebene Interessenabwägung unrichtig vorgenommen habe. Dies vor allem im Hinblick darauf, daß sie die Tatsache des lebenslangen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nicht ausreichend gewürdigt habe. Zweifellos sei ein Fremder, der sich seit seiner Geburt in Österreich aufhalte, hier seine gesamte Schul- und Berufsausbildung sowie sein gesamtes Leben als Erwachsener verbracht habe, nicht bloß als überdurchschnittlich integriert, sondern auch als Person anzusehen, deren Heimat Österreich sei, auch wenn sie nach wie vor die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes der Eltern innehabe. Diese Wertung habe im übrigen auch der Gesetzgeber nachvollzogen, indem er in § 38 Abs. 1 Z. 4 iVm Abs. 2 FrG 1997 angeordnet habe, daß ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden dürfe, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, d. h. mehr als die Hälfte seines Lebens im Bundesgebiet verbracht hat und zuletzt seit mindestens drei Jahren hier niedergelassen ist. Diese Bestimmungen träfen auf den Beschwerdeführer zu. Die vom österreichischen Gesetzgeber nunmehr nachvollzogene Wertung werde im übrigen seit längerer Zeit vom EGMR judiziert.

Außerdem sei die Auffassung der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer lediglich über eine bis 5. Juni 1997 befristete Aufenthaltsbewilligung verfügt habe, insofern unrichtig, als er für sich wie auch seine Kinder fristgerecht einen Verlängerungsantrag gestellt habe, über den noch nicht entschieden worden sei, was zur Folge habe, daß der Beschwerdeführer im Grunde des § 6 Abs. 3 AufG nach wie vor aufenthaltsberechtigt sei.

2.2. Der Beschwerde ist einzuräumen, daß im Hinblick auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich seit seiner Geburt sowie die Tatsache, daß hier auch seine drei mj. Kinder und weitere Angehörige leben, mit der Verhängung des Aufenthaltsverbotes ein schwerwiegender Eingriff in sein Privat- und Familienleben verbunden ist. Dies hat auch die belangte Behörde so gesehen und dementsprechend den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich großes Gewicht zuerkannt. Sie hat aber ebenso zutreffend das besonders große öffentliche Interesse an der Bekämpfung des - in letzter Zeit immer mehr um sich greifenden - Schlepperunwesens hervorgehoben. Wenn sie diesem Allgemeininteresse trotz stark ausgeprägter persönlicher Interessen des Beschwerdeführers den Vorrang eingeräumt hat, so kann dieses Abwägungsergebnis angesichts der besonderen Umstände des Beschwerdefalles nicht als rechtsirrig erachtet werden.

Der Beschwerdeführer hat nicht nur seit früher Jugend wiederholt strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen und die körperliche Integrität anderer begangen, sondern hat auch und insbesondere die mehrmalige, jeweils in kurzen zeitlichen Abständen aufeinanderfolgende gerichtlich strafbare Schlepperei - und dies in Form gewerbsmäßiger Begebung der Tat - zu verantworten. Den gewerbsmäßig handelnden Täter kennzeichnet eine besonders gefährliche innere Einstellung, eine Neigung zu chronischer Kriminalität. Die Gewerbsmäßigkeit der Tatbegehung ist nach dem StGB von großer Bedeutung, was in deren gesonderter strafrechtlicher Erfassung Niederschlag findet (vgl. dazu Leukauf/Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch3 § 70 Rn 1). Diese für die gerichtlich strafbare Schlepperei in § 81 Abs. 2 FrG sehr klar zum Ausdruck gebrachte strafrechtliche Wertung ist auch im Rahmen der in Ansehung des Tatbestandes des § 18 Abs. 2 Z. 5 FrG nach § 19 und in der Folge nach § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Abwägung von erheblicher Relevanz. Denn wer nicht bloß schlicht um seines Vorteiles willen, sondern darüber hinaus in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Schlepperei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, bildet eine nachhaltige und in ihrer zeitlichen Dimension nicht eingrenzbare Gefahr vor allem für das öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens. Dies trifft auf das Fehlverhalten des Beschwerdeführers zu. Er hat durch seine wiederholte (jeweils gemeinsam mit Familienangehörigen begangene) Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise von insgesamt 40 () Fremden das bezeichnete, hoch zu veranschlagende Interesse der Allgemeinheit, aber auch das öffentliche Interesse an der Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen in massiver Form beeinträchtigt.

Das gehäufte, zudem die Notlage von Fremden hemmungslos ausnützende Fehlverhalten des Beschwerdeführers ist im hier maßgeblichen Kontext des Fremdenrechtes und damit eines Lebensbereiches, der aus der Sicht der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit von eminenter Bedeutung ist, von solchem Gewicht, daß die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Unterbleiben eines Aufenthaltsverbotes jedenfalls nicht höher zu bewerten sind als das im Art. 8 Abs. 2 MRK gründende Allgemeininteresse an der Verhängung dieser Maßnahme.

Ist damit die Zulässigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG von der belangten Behörde in unbedenklicher Weise bejaht worden, so gilt aus dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 FrG nichts anderes. Was im besonderen die in der Beschwerde hervorgehobene Integration des Beschwerdeführers anlangt, wurde von der belangten Behörde zutreffend auf die starke Beeinträchtigung der für eine Integration wesentlichen sozialen Komponente derselben durch das sich über viele Jahre erstreckende schwerwiegende Fehlverhalten des Beschwerdeführers hingewiesen. Angesichts dessen kann von einer - wie die Beschwerde meint - "überdurchschnittlichen" Integration keine Rede sein. Zu der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Sorgepflicht für seine drei Kinder ist anzumerken, daß diese laut Beschwerde schon derzeit von "Verwandten" betreut werden und im übrigen vom Beschwerdeführer nicht dargetan wurde, daß einer gemeinsamen Ausreise mit seinen Kindern unübersteigbare Hindernisse entgegenstünden. Auf der anderen Seite waren die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des dargestellten, in hohem Grad sozialschädlichen Fehlverhaltens des Beschwerdeführers (einschließlich der naheliegenden Wiederholungsgefahr) als besonders schwerwiegend einzustufen. Dazu kommt, daß die den gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers aus den Jahren 1988, 1991 und 1996 zugrunde liegenden Rechtsbrüche das gegen seinen weiteren Aufenthalt in Österreich sprechende öffentliche Interesse in nicht zu vernachlässigender Weise verstärken.

2.3. Die zur Stützung der Ansicht des Beschwerdeführers, daß die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes von der belangten Behörde zu Unrecht bejaht worden sei, ins Treffen geführte Rechtslage nach dem Fremdengesetz 1997 (BGBl. Nr. 75) vermag der Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg zu verhelfen, weil die angesprochenen Bestimmungen des § 38 Abs. 1 Z. 4 und Abs. 2 leg. cit. gemäß § 111 Abs. 1 letzter Satz dieses Gesetzes erst mit 1. Jänner 1998 in Kraft treten und daher auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden sind. Was den Hinweis auf die Judikatur des EGMR anlangt, so ist der Beschwerde entgegenzuhalten, daß auf den jeweils spezifischen Sachverhalt des Einzelfalles abzustellen ist und dieser vorliegend, wie dargetan, so gestaltet ist, daß die - wenngleich gewichtigen - persönlichen Interessen des Beschwerdeführers hinter dem maßgeblichen öffentlichen Interesse zurückzustehen haben.

2.4. Was schließlich die von der Beschwerde als unrichtig gerügte Ansicht der belangten Behörde hinsichtlich der seit 6. Juni 1997 fehlenden Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers (und seiner drei Kinder) betrifft, genügt es, darauf hinzuweisen, daß das diesbezügliche Argument der belangten Behörde im Gesamtzusammenhang der für das Ergebnis der Interessenabwägung gegebenen Bescheidbegründung erkennbar von untergeordneter Bedeutung ist und die belangte Behörde auch dann, wenn sie dieses Begründungselement nicht herangezogen hätte, zu keiner anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Entscheidung gekommen wäre.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Beschwerdeinhalt erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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