Normen
11992E177 EGV Art177;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61990CJ0109 Giant VORAB;
61990CJ0200 Dansk Denkavit und Poulsen Trading VORAB;
61997CJ0338 Erna Pelzl VORAB;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §1;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §2;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §3;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §4;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §5;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §6;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §7;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §9;
VwGG §38a;
11992E177 EGV Art177;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
61981CJ0283 CILFIT und Lanificio di Gavardo VORAB;
61988CJ0093 Wisselink VORAB;
61990CJ0109 Giant VORAB;
61990CJ0200 Dansk Denkavit und Poulsen Trading VORAB;
61997CJ0338 Erna Pelzl VORAB;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §1;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §2;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §3;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §4;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §5;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §6;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §7;
FremdenverkehrsabgabeG Krnt 1994 §9;
VwGG §38a;
Spruch:
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: Einheitliche steuerliche Bemessungsgrundlage (77/388/EWG) der Beibehaltung einer Abgabe (wegen ihres Charakters von Umsatzsteuern) entgegen, die in einem Bundesland (Teilstaat) eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften von allen - unmittelbar oder mittelbar - am Fremdenverkehr interessierten Unternehmen, die innerhalb dieses Teilstaates ihren Sitz oder eine Betriebsstätte haben, für jeweils ein Kalenderjahr zu entrichten ist und deren Höhe im wesentlichen proportional zum innerhalb eines Kalenderjahres durch den Unternehmer in diesem Teilstaat erzielten Umsatz ist, jedoch der Beitragssatz je Wirtschaftszweig (Berufsgruppe) nach einem vom Gesetzgeber angenommenen Nutzen aus dem Fremdenverkehr unterschiedlich hoch ist, und die einen Vorsteuerabzug nicht vorsieht?
Begründung
1. Sachverhalt der Ausgangsverfahren
Mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 21. Mai 1997 (hg. Verfahren Zl. 97/17/0224) wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt W vom 17. Juli (richtig:) 1996 als unbegründet abgewiesen. Mit diesem Bescheid hatte der Bürgermeister der Stadt W der beschwerdeführenden Partei eine Fremdenverkehrsabgabe in der Höhe von S 76.235,-- für das Jahr 1996 vorgeschrieben. Dabei ging die Abgabenbehörde erster Instanz davon aus, daß die beschwerdeführende Partei als Bauunternehmer einzustufen sei, und berechnete die Abgabe aus einem sich daraus ergebenden Promillesatz des Umsatzes des Jahres 1994.
Mit dem Bescheid vom 24. Juni 1997 (hg. Verfahren Zl. 97/17/0251) wies die belangte Behörde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt V vom 30. Juli 1996 ab. Mit dem Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz war der beschwerdeführenden Partei eine Fremdenverkehrsabgabe in der Höhe von S 53.740,-- für das Jahr 1996 vorgeschrieben worden. Hier ging die Abgabenbehörde erster Instanz davon aus, daß die beschwerdeführende Partei als "Asphaltierer-Straßenbau" anzusehen sei und berechnete die Abgabe mit einem sich daraus ergebenden Promillesatz des Umsatzes.
In beiden Verfahren stützte die beschwerdeführende Partei ihre Berufungen gegen die Bescheide der Abgabenbehörde erster Instanz darauf, daß das Kärntner Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994 nicht mit Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie zu vereinbaren sei. In beiden Verfahren nahm die belangte Behörde eingehend zu dieser Rechtsansicht Stellung, teilte sie jedoch nicht.
Die beschwerdeführende Partei bekämpft die Bescheide der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes mit der ausführlichen Begründung, das genannte Fremdenverkehrsabgabegesetz des Landes Kärnten verstoße gegen Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtline.
Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und jeweils Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.
2. Einschlägige Vorschriften des nationalen Rechts.
Nach § 1 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1994,
Landesgesetzblatt für Kärnten Nr. 59/1994 (in der Fassung Landesgesetzblatt für Kärnten Nr. 89/1994) ist die Fremdenverkehrsabgabe eine zwischen dem Land und den Gemeinden aufzuteilende gemeinschaftliche Landesabgabe, wobei die Gemeinden zu ihrer Einhebung verpflichtet sind. Die Ertragsanteile der Gemeinden sind gemäß § 2 leg. cit. zur Deckung des Aufwandes, der den Gemeinden aus der örtlichen Förderung des Fremdenverkehrs erwächst, zu verwenden; ein Drittel der Ertragsanteile des Landes ist für die im Interesse des Fremdenverkehrs erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Umwelt, zwei Drittel der Ertragsanteile des Landes sind für die Fremdenverkehrsaufgaben des Landes zu verwenden.
Nach § 3 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1994 unterliegen der Abgabepflicht alle selbständig Erwerbstätigen (natürliche und juristische Personen sowie Personengemeinschaften), die aus dem Fremdenverkehr Nutzen ziehen. Gemäß § 4 wird von einem selbständig Erwerbstätigen vermutet, daß er Nutzen aus dem Fremdenverkehr zieht, wenn er eine in der Anlage aufgezählte oder eine ähnliche Tätigkeit ausübt. Wenn ein selbständig Erwerbstätiger aus dem Fremdenverkehr keinen Nutzen ziehen sollte, so hat er dies gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. glaubhaft zu machen.
Grundlage der Abgabenbemessung ist gemäß § 5 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1994 der abgabepflichtige Umsatz im Sinne des (Bundes)Umsatzsteuergesetzes 1972. § 6 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes 1994 legt Promillesätze für einzelne Abgabegruppen (A bis G) fest und bezieht diese auf den im zweitvorangegangenen Jahr im Lande Kärnten erzielten abgabepflichtigen Umsatz, stellt jedoch einen Mindestbetrag fest. § 7 des Fremdenverkehrsabgabegesetzes zählt Befreiungstatbestände auf, wobei unter anderem der Bund, die Länder, die Gemeinden und Gemeindeverbände von der Abgabepflicht befreit werden. Nach § 9 leg. cit. hat die Einstufung in die in der Anlage angeführten Abgabegruppen durch Abgabenbescheid des Bürgermeisters (Abs. 1) unter Bedachtnahme auf die Gleichartigkeit oder Ähnlichkeit der Tätigkeit des Abgabepflichtigen mit einer der in der Anlage angeführten Tätigkeiten unter Berücksichtigung des ähnlichen Naheverhältnisses zum Fremdenverkehr zu erfolgen (Abs. 2). Abgabepflichtige, für deren Tätigkeit sich eine Ähnlichkeit zu einer der in der Anlage aufgezählten Tätigkeiten nicht finden läßt, sind gemäß § 9 Abs. 3 Fremdenverkehrsabgabegesetz 1994 in die Abgabegruppe G einzustufen.
Die in der Anlage angeführten Abgabegruppen A bis G umfassen Wirtschaftszweige (Berufsgruppen) verschiedenster Art. Erkennbar ist dabei eine typische Ausrichtung an dem Nutzen aus dem Fremdenverkehr. So umfaßt die - mit dem höchsten Beitragssatz einzustufende - Gruppe A etwa Beherbungsbetriebe, Berg- und Fremdenführer, Gast- und Schankgewerbebetriebe in allen Betriebsformen, Schilifte, Schischulen, Seilbahnen, Spielcasinos und Wechselstuben. Die Abgabegruppe C - in die die beschwerdeführende Partei jeweils eingestuft wurde - enthält etwa Apotheker, Banken und Sparkassen, Bauunternehmen, Buchhandlungen, Elektrizitätsunternehmen, Gartengestalter, Goldschmiede, Platten- und Fliesenleger, Steuerberater und Zimmermeister.
3. Voraussetzungen der Vorlage
Dem Verwaltungsgerichtshof ist im Rahmen der Sicherung der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 129 B-VG) auch die Sicherung der Konformität der österreichischen Verwaltung mit dem Gemeinschaftsrecht übertragen (vgl. Jabloner, Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts und Verwaltungsgerichtsbarkeit, ÖJZ 1995, 922). Gemeinschaftsrecht, welchem unmittelbare Anwendbarkeit und Geltung zukommt, ist insofern "Gesetz" im Sinne der "Gesetzmäßigkeit" nach Art. 129 B-VG (vgl. Öhlinger, Unmittelbare Geltung und Vorrang des Gemeinschaftsrechts und die Auswirkungen auf das verfassungsrechtliche Rechtsschutzsystem in FS Rill, Wien 1995, 377).
Der Verwaltungsgerichtshof ist ein Gericht im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EGV, also ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können.
Wie der EuGH im Urteil vom 6. Oktober 1982, RS 283/81, C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 ff, ausgesprochen hat, hat ein Gericht im Sinne des Art. 177 Abs. 3 EGV, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage der Auslegung von Gemeinschaftsrecht stellt, diese dem EuGH vorzulegen, es sei denn, das Gericht hat festgestellt, "daß die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, daß die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechtes derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt". Der EuGH führt zum Fehlen vernünftiger Zweifel aus, das innerstaatliche Gericht dürfe nur dann davon ausgehen, daß ein solcher Fall für das Gericht vorliege, "wenn es überzeugt ist, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde". Eine derartige Gewißheit besteht für den Verwaltungsgerichtshof nicht (s. dazu unten).
4. Erläuterung zu den Vorlagefragen
"Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie lautet wie folgt:
"(1) Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern, sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind".
In seinem Urteil "Wisselink" (13. Juli 1989 - verbundene Rechtssachen 93/88 und 94/88) stellte der EuGH fest, daß bei der Ermittlung der besonderen Bedeutung, die dem Begriff der Umsatzsteuer im Rahmen von Art. 33 zukommt, zu berücksichtigen ist, daß diese Vorschrift verhindern soll, daß das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems durch steuerliche Maßnahmen eines Mitgliedstaates beeinträchtigt wird, die den Waren- und Dienstleistungsverkehr belasten und kommerzielle Umsätze, in der die Mehrwertsteuer kennzeichnenden Art und Weise erfassen. Nach den in diesem Urteil erwähnten Kriterien beeinträchtigt eine Steuer dann das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, wenn sie allgemein, das heißt nicht nur auf bestimmte Warenkategorien angewandt wird, ihr sämtliche Umsätze des Absatzzyklus unterliegen, sie auf der vorangegangenen Stufe abzugsfähig ist, in ihrer Bemessungsgrundlage sämtliche übrige Verbrauchsteuern einbezogen werden und sie vollständig oder teilweise an Stelle der Mehrwertsteuer erhoben wird.
In seinem Urteil in der Rechtssache "Giant NV"
(19. März 1991 - Rechtssache C-109/90 ) hat der Gerichtshof die Kriterien "Globaler Charakter" und "Bemessungsgrundlage" dahingehend erläutert, daß eine Steuer dann nicht die Merkmale einer Umsatzsteuer im Sinne von Art. 33 der Sechsten Mehrwertsteuer-Richtlinie aufweist, wenn sie
a) nicht auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe erhoben wird, sondern jährlich den Gesamtbetrag der Einnahmen der steuerpflichtigen Unternehmer betrifft und
b) wenn sie sich nicht auf den bei jedem Umsatz erzielten Mehrwert bezieht, sondern auf den Bruttobetrag aller Einnahmen, sodaß nicht genau festgestellt werden kann, welcher Anteil der auf jeden Verkauf oder auf jede Dienstleistung erhobenen Steuer als auf den Verbraucher abgewälzt betrachtet werden kann.
In dem weiteren Urteil zur Interpretation des Art. 33 "Denkavit" (31. März 1992 - Rechtssache C-200/90 ) hat der Gerichtshof erläutert, daß selbst dann, wenn eine Steuer neben der Mehrwertsteuer erhoben werde, sie als Umsatzsteuer im Sinne des von Art. 33 der Sechsten Richtlinie angesehen werden könne, wenn sie einen allgemeinen Charakter aufweise und anhand derselben Bemessungsgrundlage wie die Mehrwertsteuer erhoben werde, d.h. in Form eines Prozentsatzes des Wertes der Verkaufsumsätze abzüglich des Wertes der gekauften Gegenstände und Dienstleistungen.
Im Hinblick auf die Fallgestaltung erscheint die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts nicht derart offenkundig, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Auch die Auslegung, die Art. 33 der genannten Richtlinie bisher - soweit überblickbar - durch die Rechtsprechung des EuGH erfahren hat, vermag nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Hinblick auf die konkrete Fallgestaltung keine eindeutige Antwort zu geben, so unterscheidet sich die hier zu beurteilende Fremdenverkehrsabgabe von den bisher durch den EuGH entschiedenen Fällen etwa durch den großen Umfang der einbezogenen Abgabepflichtigen, sodaß von einer allgemeinen Abgabe gesprochen werden könnte.
Gemäß Art. 177 EGV war daher die im Spruch formulierte Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
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