VwGH 97/07/0219

VwGH97/07/021915.1.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofmann, über die Beschwerde der Agrargemeinschaft G, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in Wien XIII, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 4. April 1997, Zl. LAS-323/31-1997, betreffend Bestellung von Ausschußmitgliedern, zu Recht erkannt:

Normen

FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Slbg 1973 §37 Abs2;
FlVfLG Slbg 1973 §40 Abs5;
FlVfLG Slbg 1973 §83;
EMRK Art6;
VwGG §35 Abs1;
VwGG §39 Abs1;
VwGG §39 Abs2;
FlVfGG §36 Abs1;
FlVfLG Slbg 1973 §37 Abs2;
FlVfLG Slbg 1973 §40 Abs5;
FlVfLG Slbg 1973 §83;
EMRK Art6;
VwGG §35 Abs1;
VwGG §39 Abs1;
VwGG §39 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Bescheid vom 2. April 1993 stellte die Agrarbehörde Salzburg (AB) unter Spruchpunkt 4 über Antrag der Marktgemeinde H. fest, daß die gemäß Punkt IV der Verwaltungsordnung des Regulierungsplanes der beschwerdeführenden Partei von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde H. in den Ausschuß zu bestellenden Mitglieder nicht Mitglieder der beschwerdeführenden Partei sein müssen.

Die beschwerdeführende Partei berief. Sie vertrat die gegenteilige Auffassung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 4. April 1997 wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, nahm aber eine Neuformulierung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend vor, daß dieser nunmehr lautet:

"Gemäß § 1 Agrarverfahrensgesetz in Verbindung mit § 40 Abs. 1 und 5 FLG 1973 und den Punkten IV und VII der im Regulierungsplan, Zahl: 2233/25, enthaltenen Verwaltungsordnung wird über die Streitigkeit zwischen der Marktgemeinde H. und den Teilgenossen hinsichtlich der Bestellung der zwei Mitglieder durch die Marktgemeinde H. in den Ausschuß der Agrargemeinschaft G. dahingehend entschieden, daß die gemäß Punkt IV der Verwaltungsordnung des vorangeführten Regulierungsplanes von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde H. in den Ausschuß zu bestellenden zwei Mitglieder nicht Mitglieder der Agrargemeinschaft sein müssen."

In der Begründung wird ausgeführt, gemäß Punkt VII der Verwaltungsordnung schlichte Streitigkeiten von Teilgenossen die Marktgemeinde H., Streitigkeiten zwischen dieser und den Teilgenossen die Aufsichtsbehörde.

Gemäß Punkt IV der Verwaltungsordnung bestehe der Ausschuß aus einem Obmann, dessen Stellvertreter, dem Schriftführer, Rechnungsführer, zwei weiteren Mitgliedern und dem jeweiligen Bürgermeister der Marktgemeinde H. Die Teilhaberversammlung entsende durch Wahl vier Mitglieder in den Ausschuß, zwei Mitglieder würden von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde H. bestellt. Der Ausschuß werde für die Funktionsperiode der Gemeindevertretung gewählt bzw. bestellt. Derselbe führe im Auftrag und im Einvernehmen mit der Marktgemeinde H. die ordentliche Verwaltung des B.-Berges. Er wähle aus seiner Mitte den Obmann und die anderen Funktionäre, veranlasse und beaufsichtige die Schlägerungen und die Verteilung des geschlägerten Holzes und führe die Holzabrechnung; ihm obliege die Aufsicht über den Wald und die Weide, die Rechnungsführung, die Einbringung des Voranschlages und die Antragstellung bezüglich Brand- und Elementarholzaushilfen. Für die Regelung der Weideausübung stünden dem Ausschuß zwei Weideobmänner zur Seite, die von jeweils auftreibenden Teilgenossen gewählt würden.

Am 1. Juni 1990 habe die Marktgemeinde H. bei der AB Beschwerde über die derzeitige Handhabung durch die beschwerdeführende Partei bei der Bestellung der zwei Vertreter der Gemeinde im Ausschuß erhoben. Es liege eine Streitigkeit zwischen der Marktgemeinde H. und der beschwerdeführenden Partei über die konkrete Handhabung des Punktes IV der Verwaltungsordnung vor, über welche die AB zu entscheiden gehabt habe.

Wie aus dem Wortlaut des Punktes IV der Verwaltungsordnung hervorgehe, bestehe der Ausschuß aus insgesamt sieben Mitgliedern. Von diesen sieben Mitgliedern sei ad personam auf jeden Fall der jeweilige Bürgermeister der Marktgemeinde H. bestellt. Somit verblieben sechs Mitglieder des Ausschusses, die ernannt werden müßten. Von diesen sechs Mitgliedern habe die Teilhaberversammlung vier Mitglieder zu entsenden. Zwei Mitglieder würden von der Gemeindevertretung bestellt, also nicht von der Teilhaberversammlung entsendet und gewählt. Die Interpretation dieser Bestimmung lasse keinen zwingenden Schluß darauf zu, daß diese zwei Mitglieder aus der Teilhaberversammlung bestellt werden müßten. Für die Urkundeninterpretation sei der gesamte Wortlaut der Urkunde zu verwenden. In diesem Zusammenhang sei die Feststellung wichtig, die in der Regulierungsurkunde verankert sei, daß das Gemeinschaftsgebiet 432 ha umfasse und daß dieses Gebiet im Eigentum der Marktgemeinde H. als Gemeindegut im Sinne des § 64 der Gemeindeordnung vom 2. Mai 1864, LGBl. Nr. 7, stehe. Unabhängig davon, daß in einem weiteren Berufungsverfahren diesbezüglich allfällig noch gesondert abzusprechen sei, sei vom gesamten Wortlaut des Regulierungsplanes auszugehen, um die strittige Bestimmung richtig interpretieren zu können. Der Urkundenverfasser sei also davon ausgegangen, daß es sich um Gemeindegut handle. Damit aber werde verständlich, daß neben der Sonderstellung des Bürgermeisters der Marktgemeinde H. auch ein Bestellungsrecht für die Marktgemeinde für zwei Mitglieder fixiert worden sei. Offensichtlich sei es Absicht des Urkundenverfassers gewesen, der Gemeinde hinsichtlich der Verwaltung des Gemeindegutes eine Sonderstellung im Ausschuß einzuräumen. Dies gehe auch eindeutig aus der Bestimmung des Punktes IV hervor, wonach der Ausschuß im Auftrag und im Einvernehmen mit der Marktgemeinde die ordentliche Verwaltung des B.-Berges durchzuführen habe. Wenn man somit die gesamte Urkunde betrachte, gehe die Sonderstellung der Marktgemeinde in der Verwaltung der Agrargemeinschaft eindeutig hervor. Es wäre daher der Intention des Urkundenverfassers geradezu kontraproduktiv, wenn diese Sonderstellung der Gemeinde dadurch wieder eingeschränkt würde, daß man das Bestellungsrecht der Gemeinde ausschließlich auf die Mitglieder der Agrargemeinschaft eingeschränkt regeln wollte. Gerade dadurch, daß diesbezüglich keine genaue Bestimmung fixiert worden sei, daß diese Personen aus der Teilhaberversammlung bzw. aus der Gemeindevertretung zu bestellen seien, ergebe sich eindeutig, daß der Urkundenverfasser hier der Gemeinde freie Hand habe lassen wollen, ob sie nun zwei Mitglieder aus der Agrargemeinschaft oder allfällige Nichtmitglieder aus der Gemeindevertretung bestellen wolle. Auch sei diese Interpretation im verfassungsrechtlichen Kontext zu sehen. Es könne nicht Sinn einer Bestimmung sein, das Recht der Gemeinde auf Verwaltung des Gemeindegutes derart einzuengen, daß das Bestellungsrecht der Gemeinde sich nur auf die Mitglieder dieser Agrargemeinschaft beziehen könnte. Es müsse in der Dispositionsfähigkeit der Gemeinde gelegen sein, frei zu bestimmen, wer die Gemeinde im entsprechenden Ausschuß vertreten könne. Auch der Hinweis auf die Fachkunde der Mitglieder der Agrargemeinschaft vermöge an der vorgenommenen Interpretation nichts zu ändern. Eine spezifische Fachkunde sei nicht Bestellungsvoraussetzung und es könne auch dahingestellt bleiben, ob die Vertreter der Gemeinde dann weniger Fachkunde hätten, wenn sie nicht aus dem Mitgliederkreis der Agrargemeinschaft bestellt würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die beschwerdeführende Partei bringt vor, die belangte Behörde sei zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht zuständig gewesen, weil keine Streitigkeit zwischen der Marktgemeinde und den Teilgenossen, sondern eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Marktgemeinde und der AB bzw. der gesamten Agrargemeinschaft vorliege. Aber auch bei Annahme der Zuständigkeit der belangten Behörde sei die angefochtene Entscheidung rechtswidrig. Aus dem Wortlaut des Punktes IV der Verwaltungsordnung ergebe sich, daß es sich bei den von der Gemeinde in den Ausschuß zu entsendenden Mitgliedern um Mitglieder der Agrargemeinschaft handeln müsse. Wenn diese Verwaltungsordnung von "Mitgliedern" spreche, dann meine sie Personen aus dem Kreis der Teilhaber, sonst hätte der historische Verfasser der Verwaltungsordnung nicht von Mitgliedern gesprochen. Die belangte Behörde befinde sich auch in einem Irrtum, wenn sie glaube, "daß das Gemeindegut in dieser Organisationsnorm für den Ausschuß wesentlich zur Lösung der Interpretationsschwierigkeit heranzuziehen wäre". Es liege kein Gemeindegut vor.

Auch die logische Interpretation lasse nur den Schluß zu, daß nur Mitglieder der Agrargemeinschaft in den Ausschuß entsandt werden könnten, sei doch nicht vorstellbar, wie ein aus "Laien" zusammengesetzter Ausschuß funktionieren solle.

Die belangte Behörde übersehe auch, daß die Sonderstellung der Marktgemeinde nicht zu Schwierigkeiten bei der Verwaltung, sondern zur Wahrung der Rechte des Obereigentümers führen solle.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 40 Abs. 5 des Salzburger Flurverfassungs-Landesgesetzes 1973, LGBl. Nr. 1 (FLG 1973), entscheidet über Streitigkeiten, die zwischen den Mitgliedern einer Agrargemeinschaft oder zwischen den Mitgliedern einer körperschaftlich eingerichteten Agrargemeinschaft und dieser oder ihren Organen aus dem Mitgliedschaftsverhältnis entstehen, die Agrarbehörde.

Im Beschwerdefall geht es um die Frage, ob die Marktgemeinde H., welche Mitglied der beschwerdeführenden Partei ist, nur solche Personen in den Ausschuß der beschwerdeführenden Partei entsenden darf, welche Mitglieder der beschwerdeführenden Partei sind, oder ob sie auch andere Personen entsenden darf. Eine solche Streitigkeit stellt eine Streitigkeit aus dem Mitgliedschaftsverhältnis dar.

Die Verwaltungsordnung bestimmt in ihrem Punkt IV, daß der Ausschuß aus einem Obmann, dessen Stellvertreter, dem Schriftführer, Rechnungsführer, zwei weiteren Mitgliedern und dem jeweiligen Bürgermeister der Marktgemeinde H. besteht. Die Teilhaberversammlung entsendet durch Wahl vier Mitglieder in den Ausschuß, zwei Mitglieder werden von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde H. bestellt. Der Ausschuß wird für die Funktionsperiode der Gemeindevertretung gewählt bzw. bestellt. Derselbe führt im Auftrag und im Einvernehmen mit der Marktgemeinde H. die ordentliche Verwaltung des B.-Berges.

Dieser Bestimmung ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die Marktgemeinde nur solche Personen in den Ausschuß der Agrargemeinschaft entsenden darf, die gleichzeitig Mitglieder der Agrargemeinschaft sind. Das Wort "Mitglieder" bezieht sich nicht auf die Teilhaberversammlung, sondern auf den Ausschuß. Aus der Verwendung dieses Wortes ist daher nicht zu schließen, daß es sich bei den in den Ausschuß zu entsendenden Personen um Mitglieder der Teilhaberversammlung und damit um Mitglieder der Agrargemeinschaft handeln muß. Die Auffassung, die Marktgemeinde H. könne nur solche Personen in den Ausschuß entsenden, die gleichzeitig Mitglieder der Agrargemeinschaft seien, liefe dem Sinn des Entsenderechtes der Gemeinde zuwider. Die Verwaltungsordnung räumt der Marktgemeinde H. im Rahmen der Agrargemeinschaft eine Sonderstellung ein. Dies äußert sich darin, daß der Ausschuß bei der ordentlichen Verwaltung des B.-Berges im Einvernehmen mit der Marktgemeinde H. vorzugehen hat und daß der Marktgemeinde das Recht eingeräumt wird, zwei Mitglieder des Ausschusses zu entsenden, auf deren Bestellung die anderen Agrargemeinschaftsmitglieder - anders als bei der durch Wahl vorzunehmenden Bestellung der übrigen Ausschußmitglieder - keinen Einfluß haben. Der Gemeinde soll damit die Möglichkeit eröffnet werden, Mitglieder in den Ausschuß zu entsenden, die dem Einfluß der übrigen Agrargemeinschaftsmitglieder entzogen sind. Der Gemeinde soll damit eine von anderen unbeeinflußte Wahrnehmung ihrer Interessen in der Agrargemeinschaft ermöglicht werden. Dieser Interessenwahrnehmung und nicht der Einbringung von Fachkunde auf dem Gebiet der Verwaltung von Agrargemeinschaften dient in erster Linie das Entsendungsrecht der Marktgemeinde. Dieser Absicht der Verwaltungsordnung, der Gemeinde zwecks Wahrnehmung ihrer Interessen die von den anderen Agrargemeinschaftsmitgliedern unbeeinflußte Bestellung zweier Mitglieder des Ausschusses zu ermöglichen, liefe die Annahme zuwider, die Marktgemeinde müßte diese zwei Mitglieder aus der Zahl der übrigen Agrargemeinschaftsmitglieder entnehmen, aus jenem Personenkreis also, der aufgrund seiner Nutzungsinteressen am Gemeinschaftsgut in einen Gegensatz zur Gemeinde geraten kann.

Es erweist sich somit die Auffassung der belangten Behörde, die Marktgemeinde müsse bei der Entsendung von Mitgliedern in den Ausschuß der mitbeteiligten Partei nicht auf Mitglieder der Agrargemeinschaft zurückgreifen, als zutreffend.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der beschwerdeführenden Partei behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden. Art. 6 MRK steht dem nicht entgegen, weil eine Streitigkeit zwischen einer Agrargemeinschaft und einem ihrer Mitglieder über die Frage, ob die von diesem Mitglied in den Ausschuß der Agrargemeinschaft zu entsendenden Mitglieder auch Mitglieder der Agrargemeinschaft sein müssen oder nicht, keine Angelegenheit ist, die civil rights berührt. Abgesehen davon stammt die angefochtene Entscheidung vom Landesagrarsenat, einem Tribunal im Sinne des Art. 6 MRK (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1987, VfSlg. 11.569, und die dort angeführte Judikatur des EGMR), dessen Verhandlungen öffentlich sind (§ 9 Abs. 1 des Agrarverfahrensgesetzes 1950). Eine Bindung an einen Antrag des Beschwerdeführers auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung besteht in jenen Fällen, in denen der Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde nach § 35 Abs. 1 VwGG abweist, nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1996, 96/07/0078).

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