Normen
B-VG Art131 Abs1 Z1;
StVG §120 Abs1;
StVG §93 Abs1;
StVG §93 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
StVG §120 Abs1;
StVG §93 Abs1;
StVG §93 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Justiz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer befand sich seit 14. Juni 1995 in der Justizanstalt des Landesgerichtes Salzburg in Untersuchungshaft. Mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 9. Juni 1998, bestätigt mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 9. Juli 1998, wurde der Beschwerdeführer enthaftet. Das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren ist nach wie vor anhängig.
Am 5. August 1996 langte beim Leiter des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Salzburg der Antrag des Beschwerdeführers ein, ihm "kontinuierlich" sogenannte "Tischbesuche" seiner Lebensgefährtin Annemarie S. zu gestatten. Dieses Ansuchen wurde vom Anstaltsleiter mit Entscheidung vom 8. August 1996, dem Beschwerdeführer kundgemacht am 14. August 1996 unter Hinweis auf dienstliche und organisatorische Gründe abgewiesen. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen die negative, auf § 93 StVG gestützte Entscheidung des Anstaltsleiters gerichtete (Administrativ-)Beschwerde im wesentlichen mit der Begründung ab, der Hinweis auf § 93 Abs. 2 StVG könne nicht zum gewünschten Ergebnis führen, weil die in dieser Bestimmung angeführten geeigneten Räumlichkeiten nicht zur Verfügung stünden und das Besuchsrecht - von den Mindesterfordernissen abgesehen - grundsätzlich nur insoweit zustehe, als dessen Abwicklung in vertretbarem Aufwande gewährleistet werden könne. Diese Bedachtnahme bei der Besuchsausübung auf organisatorische Gesichtspunkte entspreche auch dem Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 17. März 1995, wonach die Besuchszeiten auf das gesetzliche Mindestmaß zurückzuführen seien. Eine generelle Verlängerung der Besuchszeit widerspreche den in diesem Erlaß zum Ausdruck gebrachten Sparbestrebungen. Im übrigen sei dem Beschwerdeführer ohnedies eine über das gesetzliche Mindestmaß hinausgehende Besuchsmöglichkeit eingeräumt worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ergab sich aus den hiezu von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingeholten Stellungnahmen, daß die Durchführung der gemäß § 188 Abs. 1 StPO grundsätzlich vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes bewilligten Tischbesuche im Beschwerdefall in der beantragten konkreten Ausgestaltung durch die auf organisatorische Aspekte gegründete Entscheidung des Leiters der Justizanstalt Salzburg versagt wurde und (wie es in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 30. Dezember 1997 heißt) der Versuch, "eine einvernehmliche Lösung zu bewerkstelligen", aus diesen Gründen "gescheitert" sei.
Nach Einleitung des Vorverfahrens über die gegenständliche Beschwerde gelangte es dem Verwaltungsgerichtshof zur Kenntnis, daß der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei, was auf Sachverhaltsebene von den Parteien bestätigt wurde.
Über Anfrage im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG äußerte sich der Beschwerdeführer jedoch im wesentlichen dahingehend, die Untersuchungshaft sei lediglich unter Anwendung gelinderer Mittel nach § 180 Abs. 5 StPO (Leistung der Gelöbnisse nach Z. 1 und 2, Weisungen nach Z. 3 und 4, Abnahme der Reisepapiere und der zur Führung eines Fahrzeugs nötigen Papiere nach Z. 5 sowie Erlag einer Kaution in Höhe von S 2 Mio. nach Z. 7 leg. cit) aufgehoben worden. Im gegenständlichen Fall sei daher nicht ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wieder inhaftiert werde, sodaß dessen Rechtsstellung durch die erwartete Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes berührt werden könne. Er halte daher - auch aus Kostengründen - die Beschwerde aufrecht.
Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist eine Beschwerde mit Beschluß als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, daß der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.
Bei einer Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs. 1 und § 56 erster Satz VwGG nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides - im besonderen durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof - eingetreten ist (vgl. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A).
§ 33 Abs. 1 VwGG ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht nur auf die Fälle der formellen Klaglosstellung beschränkt. Ein Einstellungsfall liegt insbesondere auch dann vor, wenn der Beschwerdeführer kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung des Gerichtshofes hat (vgl. die hg. Beschlüsse vom 10. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.322/A, vom 23. Mai 1985, Zl. 84/08/0080 = ZfVB 1986/2/749, vom 23. Mai 1989, Zl. 84/08/0189 = ZfVB 1990/3/1282, vom 16. Dezember 1991, Zl. 91/10/0006 = ZfVB 1992/6/2166, und vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0026). Ob in letzterem Sinne das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers weggefallen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof nach objektiven Kriterien zu prüfen. Er ist dabei nicht an die Erklärungen der Parteien gebunden. Insbesondere kann das (bloß wirtschaftliche) Interesse am Ausspruch über die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein rechtliches Interessen an der Sachentscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht substituieren.
Da im Hinblick auf die zwischenzeitig erfolgte Enthaftung des Beschwerdeführers die Frage der Abhaltung von "Tischbesuchen" derzeit nur noch theoretische Bedeutung haben kann, ist ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers an einer Sacherledigung durch den Verwaltungsgerichtshof in der vorliegenden Beschwerdesache nicht mehr erkennbar. Eine neuerliche Inhaftierung des Beschwerdeführers würde einen Gelöbnisbruch oder eine Änderung der strafrechtlichen Sachlage voraussetzen, für deren Annahme keine Anhaltspunkte bestehen. Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Hinblick auf die nicht durch Klaglosstellung, sondern durch den nachträglichen Wegfall des rechtlichen Interesses eingetretene Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auf § 58 Abs. 2 VwGG.
Die Begründung des angefochtenen Bescheides erweist sich als zutreffend. Liegt eine - positive - Entscheidung über die grundsätzliche Ausübung des begehrten erweiterten Besuchsrechtes des Untersuchungsgefangenen durch das zuständige gerichtliche Organ (Untersuchungsrichter, Vorsitzender des Schöffen- bzw. Geschworenengerichtes) im Sinne des § 188 Abs. 1 StPO vor - wovon sachverhaltsbezogen im Beschwerdefall auszugehen ist -, so richtet sich die weitere Ausgestaltung dieses Besuchsrechtes nach den Anordnungen und Entscheidungen des zuständigen Anstaltsleiters (§ 188 Abs. 3 StPO). Gemäß § 93 Abs. 1 des gemäß § 183 Abs. 1 StPO anzuwendenden StVG dürfen Strafgefangene Besuche innerhalb der festgesetzten Besuchszeiten so oft und in dem zeitlichen Ausmaß empfangen, als deren Abwicklung mit vertretbarem Aufwand gewährleistet werden kann. Nach Abs. 2 leg. cit. ist den Strafgefangenen zur Regelung wichtiger persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Angelegenheiten, die weder schriftlich erledigt noch bis zur Entlassung aufgeschoben werden können, sowie zur Aufrechterhaltung familiärer und sonstiger persönlicher Bindungen in geeigneten Räumlichkeiten Gelegenheit zum Empfang von Besuchen in hiefür angemessener Häufigkeit und Dauer, erforderlichenfalls auch außerhalb der Besuchszeiten, zu geben. Die belangte Behörde hat die Ablehnung der beantragten "Tischbesuche" mit dem Nichtvorhandensein der hiezu erforderlichen Räumlichkeiten im Sinne des § 93 Abs. 2 StVG begründet. Ein dem Beschwerdeführer grundsätzlich zustehendes subjektives Recht auf Gewährung des Besuchsrechtes im Sinne des § 93 StVG ist aber durch die dort genannten Voraussetzungen begrenzt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 97/20/0151, und die dort wiedergegebene Judikatur zur Frage der subjektiven Rechte). Willkürliche Verweigerung des von ihm beantragten erweiterten Besuchsrechtes im konkreten Fall hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber auch nicht zu erkennen, daß der belangten Behörde bei der Anwendung des § 93 Abs. 2 StVG und der Auslegung der dort enthaltenen unbestimmten
Gesetzesbegriffe ("in geeigneten Räumlichkeiten ... in angemessener
Häufigkeit und Dauer") in Zusammenhalt mit § 93 Abs. 1 StVG ("mit vertretbarem Aufwand") eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit unterlaufen wäre, wenn sie die Nichtgewährung des beantragten erweiterten Besuchsrechtes (generelle Verlängerung, Verzicht auf Überwachung, Lockerung der Besuchsgestaltung) unter Bedachtnahme auf die organisatorischen Möglichkeiten mit dem Mangel an geeigneten Räumlichkeiten begründete. Der Beschwerdeführer wäre da mit seiner Beschwerde unterlegen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 29. Oktober 1998
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