VwGH 96/19/2891

VwGH96/19/289114.2.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, 1.) über den Antrag des A in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. Juli 1996, Zl. 102.480/3-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, und 2.) in der Beschwerdesache, den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
ZPO §274 Abs1;
AVG §71 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
ZPO §274 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid sei ihm am 8. August 1996 durch Hinterlegung zugestellt worden. Da er die deutsche Sprache weder in Wort noch in Schrift beherrsche, habe er sich an seinen Quartiergeber, der vor seiner Pensionierung ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe und die deutsche Sprache in Wort und Schrift ausreichend beherrsche, gewendet und sich über den Inhalt des in Rede stehenden Schriftstückes erkundigt. Dieser habe dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß die vorliegende Beschwerde bis spätestens 3. Oktober 1996 eingebracht werden müsse. An diesem Tag habe er den Beschwerdevertreter aufgesucht, wo er habe erfahren müssen, daß die Beschwerdefrist bereits am 19. September 1996 abgelaufen sei.

Zur Bescheinigung seines Vorbringens berief sich der Beschwerdeführer auf seine eigene Einvernahme und auf die seines Quartiergebers.

Über Rechtshilfeersuchen des Verwaltungsgerichtshofes lud das Bezirksgericht Favoriten den Beschwerdeführer und seinen Quartiergeber für den 13. Dezember 1996 und verfügte die Zustellung an der in der Beschwerde angegebenen Adresse. Die Zustellung dieser Ladungen erfolgte jeweils am 11. November 1996 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt.

Diese hinterlegten Sendungen wurden von den Beweispersonen nicht behoben. Letztere sind auch am 13. Dezember 1996 nicht vor dem Bezirksgericht Favoriten erschienen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. e VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

§ 46 Abs. 1 und § 62 Abs. 1 VwGG lauten:

"§ 46. (1) Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

§ 62. (1) Soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt, gilt in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof das AVG."

§ 71 Abs. 1 AVG bestimmt:

"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder

2. die Partei die Berufungsfrist versäumt hat, weil der Bescheid fälschlich die Angabe enthält, daß keine Berufung zulässig sei."

§ 274 Abs. 1 ZPO lautet:

"§ 274. (1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat (Bescheinigung), kann sich hiezu aller Beweismittel mit Ausnahme der eidlichen Vernehmung der Parteien bedienen. Eine Beweisaufnahme, die sich nicht sofort ausführen läßt, eignet sich nicht zum Zwecke der Glaubhaftmachung."

§ 46 VwGG enthält keine Anordnung darüber, nach welchem Beweismaß der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen hat, ob die in dieser Bestimmung umschriebenen Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen, bzw. wie er bei der Beweisaufnahme vorzugehen hat. Damit kommt der Verweis des § 62 Abs. 1 VwGG zum Tragen, wonach in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof - subsidiär - das AVG Anwendung findet.

In Ansehung eines vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Wiedereinsetzungsverfahrens ist dieser Verweis infolge der Vergleichbarkeit der Interessenslagen als solcher auf die Bestimmung des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu verstehen, was zur Folge hat, daß die Partei auch in einem an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Wiedereinsetzungsantrag das Vorliegen der behaupteten Wiedereinsetzungsgründe glaubhaft zu machen hat (vgl. hiezu auch die hg. Beschlüsse vom 26. Mai 1995, Zl. 95/17/0147, und vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/17/0469, mit weiteren Hinweisen auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ua auf den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. NF. Nr. 9226/A).

Das AVG selbst enthält keine Regelungen des Verfahrens zur Glaubhaftmachung von Tatsachen. Es liegt jedoch nahe, daß der Gesetzgeber des AVG den Begriff der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) im Sinne der ZPO verstanden hat, sodaß bei einem Verfahren zur Glaubhaftmachung von Wiedereinsetzungsgründen im Sinne des § 71 AVG und - wie oben ausgeführt - auch im Sinne des § 46 Abs. 1 VwGG nach Verfahrensregeln, wie sie im § 274 Abs. 1 ZPO für das zivilgerichtliche Verfahren normiert wurden, vorzugehen ist.

Daraus folgt, daß der Wiedereinsetzungswerber sich zur Glaubhaftmachung seiner Wiedereinsetzungsgründe im Antrag auch auf die Einvernahme von Beweispersonen berufen kann (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 27. Jänner 1983, Zl. 82/08/0205 = ZfVB 1983/6/2792, dem eine Zeugenvernehmung durch den Berichter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zugrundegelegt wurde), sofern sich die Beweisaufnahme durch deren Einvernahme sofort ausführen läßt.

Da die letztgenannte Voraussetzung im gegenständlichen Fall nicht vorlag, ist dem Beschwerdeführer die Glaubhaftmachung seiner Wiedereinsetzungsgründe nicht gelungen. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war somit gemäß § 46 VwGG nicht Folge zu geben.

Bei diesem Ergebnis erweist sich die Beschwerde als verspätet. Sie war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung durch Beschluß zurückzuweisen. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch des Berichters über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

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