VwGH 96/19/1281

VwGH96/19/128120.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der N in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1996, Zl. 118.297/2-III/11/96, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

ARB1/80 Art6;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;
ARB1/80 Art6;
AufG 1992 §1 Abs3 Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1996 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unter anderem gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufG) und § 10 Abs. 1 Z. 6 Fremdengesetz (FrG) abgewiesen. Begründend nahm die belangte Behörde an, die Antragstellerin sei mit einem Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist und halte sich seither im Bundesgebiet auf.

Die Bewilligung nach dem AufG solle im Anschluß an den Touristensichtvermerk erteilt werden. Es liege der Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG vor, weshalb die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 5 Abs. 1 AufG ausgeschlossen sei. Durch den Aufenthalt der Familie der Beschwerdeführerin bestünden unabsprechbare private und familiäre Beziehungen zu Österreich. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stelle die Versagung eines Sichtvermerks gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG einen zulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 MRK dar, es erübrige sich somit jedes weitere Eingehen darauf.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin tritt der Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach sie mit einem Touristensichtvermerk eingereist sei und ihren damit begonnenen Aufenthalt durch den vorliegenden Antrag auf Aufenthaltsbewilligung verlängern wolle, in der Beschwerde nicht entgegen.

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf Fremden eine Bewilligung nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn dieser zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen soll. Der Sichtvermerksversagungsgrund kommt jedenfalls dann zum Tragen, wenn die Beschwerdeführerin sich sowohl während der Gültigkeitsdauer des erteilten Touristensichtvermerkes als auch daran anschließend in einer an die Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes im Inland gleichzuhaltenden Weise im Bundesgebiet aufhält, anstatt das Verfahren über ihren Antrag im Ausland abzuwarten. Eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen des Fremden kommt bei einer auf diese Bestimmung gestützten Entscheidung nicht in Betracht (vgl. zB. die hg. Erkenntnisse vom 6. Oktober 1994, Zl. 94/18/0640, und vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/1404, sowie das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93, B 445/93).

Die Beschwerdeführerin bekämpft den angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit mit dem Argument, es stehe ihr aufgrund näher dargelegter familiärer Beziehungen ein Rechtsanspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung zu.

Sollte die Beschwerdeführerin damit auf § 3 AufG abzielen, ist ihr zu entgegnen, daß § 3 AufG Angehörigen der in § 3 Abs. 1 Z. 1 und 2 AufG angeführten Personen nur ein subjektives Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung einräumt, wenn dem nicht - wie im Fall der Beschwerdeführerin - ein Ausschließungsgrund nach § 5 Abs. 1 AufG entgegensteht. Andererseits zielt die Beschwerdeführerin auch auf das nach dem Assoziationsabkommen EWG-Türkei behauptete Aufenthaltsrecht in Österreich.

Ihrem Vorbringen ist zu entnehmen, daß sie sich auf die ihr ihrer Ansicht nach zustehenden Rechte nach Art. 6 ff des Assoziationsratsbeschlusses Nr. 1/80 des aufgrund des am 12. September 1963 abgeschlossenen Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei eingerichteten Assoziationsrates stützt. Ob die Beschwerdeführerin aufgrund der von ihr herangezogenen Rechtsvorschriften eine solche AufenthaltsBERECHTIGUNG zukommt, kann aber dahinstehen.

Gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 benötigen Fremde, wenn sie aufgrund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen, keine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz. Träfen die von der Beschwerdeführerin behaupteten Tatsachenvoraussetzungen zu, käme ihr aufgrund der von ihr behaupteten Rechtsgrundlagen ein Aufenthaltsrecht zu, ohne daß es einer Bewilligung im Sinne des Aufenthaltsgesetzes bedürfte. (Es kann dabei nicht zweifelhaft sein, daß unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union nach dem 1. Jänner 1995, aber vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 zum AufG, die den Aufenthalt Fremder in Österreich betreffende Rechtslage unmittelbar beeinflußten (vgl. die EB zur Novelle BGBl. Nr. 351/1995, 125 Blg. NR. XIX. GP, S. 5, die von einer "terminologischen Klarstellung im Hinblick auf den EU-Beitritt" sprechen).)

In dieses Aufenthaltsrecht wäre allerdings durch den bekämpften Bescheid nicht eingegriffen worden. Die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin in Ansehung der ihr - allenfalls - durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Berechtigung zum Aufenthalt ist von der Zugehörigkeit des angefochtenen Bescheides zum Rechtsbestand unabhängig. In Ansehung dieses geltend gemachten Beschwerdepunktes mangelt es an der Rechtsverletzungsmöglichkeit, sodaß die Beschwerde diesbezüglich, hätte sie sich allein darauf gestützt, zurückzuweisen wäre (vgl. zB die hg. Erkenntnisse vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1661, und vom 14. März 1996, Zl. 95/19/0125).

Da die belangte Behörde zu Recht von der Anwendbarkeit des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ausgegangen ist, erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Da der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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