VwGH 96/18/0469

VwGH96/18/046914.11.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Neumair, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 13. August 1996, Zl. SD 913/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Normen

Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs1 Z2;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §17 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994 §1 Abs1;
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1996/299 §1 Abs1 Z2;
AufG 1992 §12;
FrG 1993 §17 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 13. August 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein bosnischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Unbestritten sei, daß der zuletzt am 1. August 1995 eingereiste Beschwerdeführer weder über einen Sichtvermerk noch über eine Aufenthaltsbewilligung verfüge. Ebensowenig könne er sich auf ein vorläufiges Aufenthaltsrecht i.S. der zu § 12 AufG ergangenen Verordnung (zuletzt BGBl. Nr. 299/1996) berufen. Wie er selbst anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11. April 1996 vor der Erstbehörde angegeben habe, sei er bereits im Jahr 1994 nach Österreich gekommen und habe bei der bosnischen Botschaft in Wien die Ausstellung eines Reisepasses beantragt. Danach habe er das Bundesgebiet verlassen und sich bis zu seiner neuerlichen Einreise - also etwa ein Jahr - in Kroatien aufgehalten. Demnach habe der Beschwerdeführer bereits in diesem Staat Schutz gefunden, sodaß schon allein aus diesem Grund die Voraussetzungen der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 nicht gegeben seien.

Was die Zulässigkeit der Ausweisung im Grunde des § 19 FrG betreffe, so liege angesichts des kurzen und zudem illegalen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ein mit dieser Maßnahme verbundener Eingriff in sein Privatleben nicht vor. Der in Wien lebende Bruder des Beschwerdeführers wäre nur dann vom Schutzbereich des § 19 leg. cit. erfaßt, wenn er mit dem Beschwerdeführer in einem gemeinsamen Haushalt leben würde, was jedoch nicht der Fall sei. Die Ausweisung bewirke daher auch keinen Eingriff in das Familienleben des Beschwerdeführers. In einem solchen Fall bedürfe es keiner Prüfung, ob die Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 8. Oktober 1996, B 3090/96).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht der Beschwerdeführer "unrichtige rechtliche Beurteilung" geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bekämpft die Ansicht der belangten Behörde, daß er sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Er vertritt die Meinung, daß er "als Kriegsflüchtling ein von der Bundesregierung zugesichertes, befristetes Aufenthaltsrecht bis zum 31.08.1997 eingeräumt habe". Er habe sein Heimatland zu Beginn des Krieges sofort verlassen und sei bereits 1994 nach Österreich eingereist. Er sei, um "nicht in Konflikt mit den österreichischen Rechtsvorschriften" zu geraten - daß er schon im Jahr 1994 ein befristetes Aufenthaltsrecht erlangt habe, sei ihm nicht bewußt gewesen -, wieder ausgereist und habe sich sodann in Kroatien aufgehalten. Die Ansicht der Behörde, daß dies für ihn ein sicheres Drittland gewesen sei, sei unrichtig, weil er dort als "U-Boot" gelebt habe.

1.2. Dieses Vorbringen zeigt keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach der vom Beschwerdeführer erkennbar angesprochenen Regelung des § 1 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung der Bundesregierung BGBl. Nr. 299/1996 haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina und deren Ehegatten und minderjährige Kinder, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten und anderweitig keinen Schutz fanden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, wenn sie bei Vorliegen bestimmter weiterer (hier nicht interessierender) Voraussetzungen nach dem 1. Juli 1993, aber vor dem 15. Dezember 1995 eingereist sind. Es kann dahinstehen, ob der Beschwerdeführer nach seiner erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 1994 im Grunde der damals in Kraft gestandenen Verordnung BGBl. Nr. 368/1994 ein vorläufiges Aufenthaltsrecht erlangt hatte, denn für die im Beschwerdefall maßgebende Frage, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung, also gemäß der genannten, mit 29. Juni 1996 in Kraft getretenen Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 2 der Verordnung BGBl. Nr. 299/1996 vorübergehend aufenthaltsberechtigt war, ist allein dessen zuletzt, am 1. August 1995, erfolgte Einreise nach Österreich entscheidend. Bezogen auf diese Einreise kann aber nicht davon gesprochen werden, daß dem Beschwerdeführer ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zukommt, fehlt es doch im Hinblick auf seinen der Einreise am 1. August 1995 unbestritten vorausgegangenen ca. einjährigen Aufenthalt in Kroatien an der nach Wortlaut und Zweck der vorzitierten Verordnungsregelung erforderlichen unmittelbaren zeitlichen Abfolge des Verlassens der Heimat (Bosnien-Herzegowina) und der Einreise in Österreich.

1.3. Da somit der Beschwerdeführer rechtens nicht in der Lage ist, sich auf ein ihm zukommendes vorübergehendes Aufenthaltsrecht für kriegsvertriebene Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina zu berufen und er im übrigen nach der unwidersprochen gebliebenen Feststellung der belangten Behörde weder über einen Sichtvermerk noch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfügt, war - vorbehaltlich der Zulässigkeit nach § 19 FrG - gegen ihn gemäß § 17 Abs. 1 leg. cit. die Ausweisung zu verfügen.

2.1. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde erblickt der Beschwerdeführer in der Ausweisung einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben und verweist dazu auf den Aufenthalt seines Bruders in Österreich und weiters darauf, daß er über "keinerlei soziale Kontakte zu meinem ehemaligen Heimatland Bosnien verfüge".

2.2. Auch dieser Einwand führt die Beschwerde nicht zum Erfolg. Der Gerichtshof pflichtet der Ansicht der belangten Behörde bei, daß angesichts des kurzen und überdies zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich von einem Eingriff in das Privatleben i.S. des § 19 FrG nicht die Rede sein könne. Gleiches gilt in bezug auf das Familienleben, hat doch die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, daß die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem hier aufhältigen Bruder - mit dem zusammenzuleben er nicht behauptet - nicht vom Begriff des "Familienlebens" nach § 19 leg. cit. erfaßt ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 24. März 1994, Zl. 94/18/0026). Was das Fehlen sozialer Kontakte zu seinem Heimatland anlangt, so entbehrt dieser Umstand im gegebenen Zusammenhang der Relevanz, weil mit der Ausweisung keine Aussage verbunden ist, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen hat oder daß er (allenfalls) abgeschoben wird (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 1996, Zl. 96/18/0415).

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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