VwGH 96/11/0208

VwGH96/11/02081.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 31. Mai 1996, Zl. Ib-277-58/96, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

KFG 1967 §66 Abs2 litf idF 1994/654;
KFG 1967 §66 Abs2 litf idF 1994/654;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem ihr angeschlossenen angefochtenen Bescheid ergibt sich: Mit diesem im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 iVm § 73 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G vorübergehend für die Dauer von fünf Monaten entzogen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Laut Begründung nahm die belangte Behörde aufgrund der Gendarmerieanzeige, der im Akt erliegenden Lichtbilder und des rechtskräftigen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 1. Dezember 1995 folgenden Sachverhalt als erwiesen an: Der Beschwerdeführer habe am 12. November 1995 ein dem Kennzeichen nach bestimmtes Motorrad auf der L-Straße in K in Richtung L gelenkt. Auf Höhe des Gasthauses "H" bei Kilometer 3,3 habe er unmittelbar auf dem Schutzweg zwei in dieselbe Richtung fahrende PKW"s überholt. Auf Höhe Kilometer 4,9 in L habe er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h (Freiland) um 50 km/h überschritten. Ebenso am Ortsanfang von L habe er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 51 km/h überschritten. Bei Kilometer 9,6 habe seine Fahrgeschwindigkeit 123 km/h betragen, dies entspreche einer Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Ortsgebiet um 63 km/h. An derselben Stelle habe er unmittelbar vor einer Fahrbahnkuppe und trotz Gegenverkehrs einen in dieselbe Richtung fahrenden PKW überholt, wobei er den entgegenkommenden PKW-Lenker zum Abbremsen seines Fahrzeuges genötigt habe, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Weiters habe der Beschwerdeführer bei Kilometer 9,9 die dort angebrachte Sperrlinie überfahren und schließlich bei Kilometer 10,6 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h neuerlich um 55 km/h überschritten. Im Überschreiten der im Ortsgebiet zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 63 km/h und dem gleichzeitigen Überholen eines PKW"s vor einer Fahrbahnkuppe und trotz Gegenverkehrs, wobei der entgegenkommende PKW-Lenker zur Vermeidung eines Zusammenstoßes sein Fahrzeug habe abbremsen müssen, erblickte die belangte Behörde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967. Der Beschwerdeführer habe nämlich unter besonders gefährlichen Verhältnissen und mit besonderer Rücksichtslosigkeit überholt. Der Beschwerdeführer sei deshalb auch gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 bestraft worden, und zwar mit einer Geldstrafe in Höhe von S 8.000,--. Bei der Wertung der bestimmten Tatsache berücksichtigte die belangte Behörde ferner, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1995 drei weitere erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen habe, deretwegen er auch rechtskräftig bestraft worden sei (mit S 1.600,--, S 1.800,-- und S 2.200,--). Darüber hinaus weise er insgesamt 23 Vormerkungen wegen Verstößen gegen die Bestimmungen der StVO 1960 und des KFG 1967 auf.

Der Beschwerdeführer bringt im Zusammenhang mit dem Hinweis der belangten Behörde auf die Rechtskraft des Straferkenntnisses vom 1. Dezember 1995 vor, er habe am 15. Februar 1996 dagegen Berufung in Verbindung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingebracht. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe aber über das Rechtsmittel bisher noch nicht entschieden.

Der Beschwerdeführer zeigt damit nichts auf, was die Annahme der Rechtskraft dieses Straferkenntnisses in Frage stellen könnte. Daß die Behörde dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 6 AVG aufschiebende Wirkung zuerkannt hätte, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die verspätete Berufung konnte an der mit dem ungenützten Verstreichen der Berufungsfrist eingetretenen Rechtskraft des Straferkenntnisses nichts ändern (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, zu § 68 Abs. 1 AVG unter E 2 wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Erst mit Bewilligung der Wiedereinsetzung könnte nicht mehr von der Rechtskraft des besagten Straferkenntnisses ausgegangen werden, weil mit dieser Bewilligung das Strafverfahren gemäß § 72 Abs. 1 AVG in den Stand zurückträte, in dem es sich vor dem Eintritt der Versäumung der Berufungsfrist befunden hat.

Der Beschwerdeführer bringt weiters vor, er habe die in der Anzeige vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitungen durchgehend bestritten. Die von ihm tatsächlich eingehaltene Geschwindigkeit habe von den Meldungslegern wegen der rasch wechselnden Geschwindigkeit nicht mit der für das Strafverfahren notwendigen Sicherheit festgestellt werden können. Die Geschwindigkeitsangaben der Beamten beruhten - wie sie selbst angäben - auf reinen Schätzungen; diese seien überdies falsch. Außerdem habe er sich durch den in knappem Abstand hinterherfahrenden Zivilstreifebeamten gefährdet gefühlt. Der Fahrstil der Meldungsleger erinnere an die Vorgangsweise eines "agents provocateur". Es sei nur zu verständlich, daß der Beschwerdeführer angesichts dessen die "Flucht nach vorne" ergriffen habe. Es liege daher strafbefreiender Notstand im Sinne des § 6 VStG vor.

Dieses Vorbringen ist aufgrund der rechtskräftigen Bestrafung des Beschwerdeführers nicht zielführend. Mit der Bestrafung gemäß § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 stand für die belangte Behörde bindend fest, daß der Beschwerdeführer am 12. November 1995 die seiner Bestrafung zugrundeliegenden Übertretungen (einschließlich der Geschwindigkeitsüberschreitungen) begangen hat, sondern insbesondere auch, daß er unter besonders gefährlichen Verhältnissen bzw. mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegenüber anderen Straßenbenützern gegen die Vorschriften der StVO 1960 verstoßen hat (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung einer derartigen Bestrafung sein Erkenntnis vom 22. September 1989, Slg. Nr. 13.002/A, mit weiterem Judikaturhinweis). Damit hatte die belangte Behörde jedenfalls auch vom Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der hier anzuwendenden Fassung der 17. Kraftfahrgesetz-Novelle auszugehen. Eine solche Tatsache liegt nämlich bereits dann vor, wenn jemand als Lenker eines Kraftfahrzeuges durch Übertretung der maßgebenden Verkehrsvorschriften ein Verhalten setzt, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen, oder mit besonderer Rücksichtslosigkeit gegen die für das Lenken eines Kraftfahrzeuges maßgebenden Verkehrsvorschriften verstoßen hat (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/11/0290). Es kommt daher im gegebenen Zusammenhang nicht mehr darauf an, ob der Beschwerdeführer die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit exakt in dem im angefochtenen Bescheid genannten Ausmaß überschritten hat. Im Hinblick auf die besagte Bindung muß auch die Notstandseinrede des Beschwerdeführers versagen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

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