VwGH 96/06/0188

VwGH96/06/01883.10.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des R in T, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 4. Juni 1996, Zl. UVS-4/445,6/68,6/67,9/87/6-1996, betreffend die Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde (weitere Partei: Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §67a Abs1 Z2;
BauPolG Slbg 1973 §20 Abs4;
BauPolG Slbg 1973 §20 Abs8;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
AVG §67a Abs1 Z2;
BauPolG Slbg 1973 §20 Abs4;
BauPolG Slbg 1973 §20 Abs8;
B-VG Art129a Abs1 Z2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See als Wasserrechtsbehörde vom 28. Februar 1996 wurde dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 98 und 138 Abs. 1 lit. a Wasserrechtsgesetz 1959 zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes im öffentlichen Interesse zum Schutz der Gewässer, auf seine Kosten aufgetragen, bis längstens 8. März 1996, 12.00 Uhr, auf seiner ehemaligen gewerblichen Betriebsanlage in T auf dem Grundstück Nr. 186/6, KG T, die unterlassene Arbeit im Sinne des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft vom 23. Februar 1989, Spruchabschnitt I, Punkt 4, nachzuholen. In diesem Bescheid werden in der Folge jene Maßnahmen, die zu erfüllen sind, angeführt, insbesondere, daß der Beschwerdeführer sämtliche Autowracks, Wrackteile und Fahrzeuge, die über keine aufrechte Begutachtungsplakette verfügen und sich daher in einem für die Zulassung nicht geeigneten bzw. bestimmungsgemäßen Zustand befinden, schadlos zu beseitigen bzw. zu einem befugten Schrotthändler abzuführen.

Die Bezirkshauptmannschaft Zell am See führte weiters am 27. Februar 1996 als Gewerbe- und Baubehörde erster Instanz eine mündliche Verhandlung in T durch, anläßlich derer der Verhandlungsleiter folgendes anordnete:

"I. Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber bei Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Zif. 3 mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern.

...

II. Gemäß § 20 Abs. 4 BauPolG hat die Baubehörde bei Feststellung eines Baugebrechens an einer baulichen Anlage den Eigentümer unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Behebung dieser Gebrechen zu verhalten. Dem Grundeigentümer wird aufgetragen:

  1. 1. Das gesamte Gebäude darf nur zur Räumung und Instandsetzung bzw. zur Überprüfung der E-Installationen betreten werden. Dabei ist durch entsprechende Ausrüstung der Personen (Schutzhelm, Sicherheitsgurte, Sicherheitsschuhe etc.) darauf zu achten, daß diese nicht gefährdet werden.
  2. 2. In einem Abstand von ca. 5 m von der nördlichen Hausfront ist eine Absperrung anzubringen."

Der Beschwerdeführer erhob u.a. gegen die Anordnung gemäß § 20 Abs. 4 BauPolG eine Maßnahmenbeschwerde gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde u. a. diese Maßnahmenbeschwerde als unzulässig zurückgewiesen. Gemäß § 20 Abs. 4 Salzburger BauPolG habe die Baubehörde, wenn sie an einer baulichen Anlage Baugebrechen feststelle, den Eigentümer unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Behebung dieser Gebrechen zu verhalten. Derartige Aufträge seien in Bescheidform zu erlassen. In der dieser Sache abgeführten mündlichen Verhandlung habe die erstinstanzliche Behörde einen solchen Auftrag in Form einer von ihr so bezeichneten "Verfahrensanordnung" erlassen. Es könne dahinstehen, ob dieser "Verfahrensanordnung" Bescheidcharakter zukomme oder nicht, weil in beiden Fällen eine Maßnahmenbeschwerde unzulässig sei: Handle es sich tatsächlich nur um eine Verfahrensanordnung, so komme ihr - ungeachtet einer eingeräumten kurzen Durchführungsfrist - bei Nichterfüllung keinerlei Rechtswirkung zu, weswegen der Beschwerdeführer durch die bloße Anordnung auch in keinem Recht verletzt worden sein könne. Handle es sich aber um eine Entscheidung der Behörde mit Bescheidcharakter, so stehe dagegen das Rechtsmittel der Berufung nach dem Salzburger Baupolizeigesetz offen, weswegen für die Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG ebenfalls kein Raum bleibe.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 4 Salzburger Baupolizeigesetz, LGBl. Nr. 117/1973 (im folgenden: BauPolG), hat die Baubehörde den Eigentümer unter Festsetzung einer angemessenen Frist zur Behebung von Baugebrechen zu verhalten, wenn die Baubehörde an einer baulichen Anlage derartige Gebrechen feststellt. Sind die festgestellten Baugebrechen solcherart, daß eine Gefährdung von Personen oder Sachen unmittelbar zu gewärtigen ist, so hat die Baubehörde die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen, nötigenfalls auch die Räumung eines Baues zu verfügen. Gemäß § 20 Abs. 8 leg. cit. in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 100/1992 kann die Baubehörde bei Gefahr im Verzug u.a. die gemäß § 20 Abs. 4 zweiter Satz notwendigen Sicherheitsmaßnahmen durch unmittelbaren Verwaltungszwang (Art. II Abs. 6 Z. 5 EGVG) auf Gefahr und Kosten des Eigentümers setzen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die belangte Behörde als Baubehörde eine unzutreffende Bestimmung anführe. Er sei mit der vorliegenden Anordnung nicht zur Behebung von Baugebrechen unter Festsetzung einer angemessenen Frist aufgefordert worden, es seien vielmehr Sicherungsmaßnahmen mittels sofortigen Polizeizwanges angeordnet worden. Für diese Auslegung spreche, daß die Behörde Sicherungsmaßnahmen in Bescheidform unter Festsetzung einer möglichst kurzen Erfüllungsfrist sowie unter Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer eventuellen Berufung gegen diesen Bescheid festzusetzen habe. Der Beschwerdeführer verweist dabei auf Hauer, Salzburger Baurecht2, 147. Die in der Niederschrift vom 27. Februar 1996 dokumentierten Anordnungen könnten aufgrund ihres zwingenden Charakters nur als notstandspolizeiliche Maßnahmen im Sinne des § 20 Abs. 8 BauPolG gewertet werden. Die Auffassung, die vorliegende baupolizeiliche Anordnung hätte keine Rechtswirkungen, sei nicht stichhältig, weil die Einräumung einer Frist in den Punkten II.1. und 2. überhaupt unterblieben sei und andererseits dieses Argument bei jeder faktischen Amtshandlung im Sinne des § 20 Abs. 8 BauPolG unter den gleichen Voraussetzungen wie im Beschwerdefall denkmöglich ins Treffen geführt werden könnte.

Es ist zunächst zutreffend, daß die belangte Behörde zu Unrecht § 20 Abs. 4 erster Satz BauPolG angeführt hat. Die belangte Behörde hat aber offensichtlich § 20 Abs. 4 ZWEITER SATZ BauPolG gemeint, der vorsieht, daß die Behörde, wenn durch festgestellte Baugebrechen eine Gefährdung von Personen oder Sachen unmittelbar zu gewärtigen ist, die notwenigen Sicherheitsmaßnahmen, nötigenfalls auch die Räumung eines Baues ZU VERFÜGEN HAT. Dies muß daraus abgeleitet werden, daß sie dem Beschwerdeführer Sicherungsmaßnahmen aufgetragen hat und nicht - wie es § 20 Abs. 8 leg. cit. in Bezug auf dieselben Sicherheitsmaßnahmen gemäß Abs. 4 bei Gefahr in Verzug vorsieht - diese Maßnahmen (durch unmittelbaren Verwaltungszwang) GESETZT HAT. Eine bloße Anordnung (ein Befehl) kann zwar auch die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen, nämlich dann, wenn der Adressat einer solchen Anordnung bei ihrer Nichtbefolgung mit deren zwangsweiser Realisierung zu rechnen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Jänner 1995, Zl. 93/07/0126, und die dort angeführte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes). Dem Befehlsadressaten einer solchen Anordnung muß eine bei Nichtbefolgung der Anordnung unverzüglich einsetzende physische Sanktion bevorstehen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 22. November 1985, Slg. Nr. 10.662). Dieses Kriterium ist bei der verfahrensgegenständlichen Anordnung nicht erfüllt, da dem Beschwerdeführer im Zusammenhang damit keine bei Nichtbefolgung unverzüglich einsetzende physische Sanktion der Behörde - wie dies etwa in dem zitierten Beschwerdefall zu Zl. 93/07/0126 gegeben war - angedroht wurde.

Liegt aber keine faktische Amtshandlung vor, dann erweist sich die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde betreffend die Anordnung gemäß § 20 Abs. 4 zweiter Satz BauPolG mangels tauglichem Gegenstandes als rechtmäßig, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Bei diesem Ergebnis erübrigte sich eine Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

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