VwGH 96/04/0076

VwGH96/04/007621.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Anträge der Stadtgemeinde Hainburg an der Donau, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W,

1) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. Februar 1994, Zl. 63 220/28-VII/A/4/93, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren nach dem Berggesetz, erhobenen Beschwerde,

2) auf Wiederaufnahme des mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1995 abgeschlossenen Verfahrens zu Zl. 95/04/0175 den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §34 Abs2;
VwGG §45 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §45 Abs1 Z4;

 

Spruch:

Gemäß den §§ 45 und 46 VwGG wird den Anträgen nicht stattgegeben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin erhob zur hg. Zl. 95/04/0175 Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. Februar 1994.

Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1995 wurde sie gemäß § 34 Abs. 2 VwGG unter Setzung einer vierwöchigen Frist aufgefordert, die dem Verwaltungsgerichtshof vom Verfassungsgerichtshof nach Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde u.a. durch Anschluß einer weiteren Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde für die mitbeteiligte Partei zu ergänzen. Innerhalb dieser Frist legte die Beschwerdeführerin mit einem Ergänzungsschriftsatz eine Abschrift dieser Beschwerde vor, die aber entgegen dem ursprünglichen Beschwerdeschriftsatz nicht mit der Unterschrift des einschreitenden Rechtsanwaltes versehen war. Der Verwaltungsgerichtshof stellte daher mit Beschluß vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/04/0175-5, das Verfahren ein, weil die Nachreichung des nicht die Unterschrift des einschreitenden Rechtsanwaltes aufweisenden Schriftsatzes nicht als Befolgung des erteilten Mängelbehebungsauftrages angesehen werden konnte.

1.)

Mit dem zur hg. Zl. 96/04/0076 protokollierten Antrag begehrt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung der Mängel der eingangs genannten Beschwerde mit der Begründung, dem Anwalt der Beschwerdeführerin sei von der eine Fotokopie des Schriftsatzes anfertigenden Sekretärin diese als weitere Ausfertigung vorgesehene Kopie nicht mehr zur Unterschrift vorgelegt, sondern lediglich der ergänzende Schriftsatz in die Unterschriftenmappe gelegt worden. Dem Anwalt, der mehrere Unterschriftsmappen zu unterschreiben gehabt habe, sei dies nicht aufgefallen. Die Sekretärin habe dann selbständig bei der Abfertigung und Einkuvertierung die von ihr fotokopierte Beschwerde beigelegt. Die erforderlichen Fotokopien, gleichgültig welcher Schriftstücke, würden stets von den Angestellten der Kanzlei angefertigt. Dieser Vorgang, an dem die Beschwerdeführerin kein Verschulden treffe, stelle für diese ein unvorhersehbares und unabwendbares Ereignis dar.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, wobei ein Verschulden an der Versäumung, welches der Partei zur Last liegt, die Bewilligung der Wiedereinsetzung dann nicht hindert, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat, trifft in diesem Zusammenhang das Verschulden des Parteienvertreters die Partei selbst. Das Versehen einer Kanzleiangestellten ist für einen Rechtsanwalt (und damit für die von ihm vertretene Partei) nur dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, das ohne sein Verschulden die Einhaltung der Frist verhinderte, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber der Kanzleiangestellten nachgekommen ist (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 19. Jänner 1977, Slg. N. F. Nr. 9226/A).

Von dieser Rechtslage ausgehend erweist sich der Antrag schon deshalb als nicht begründet, weil sich darin keinerlei Hinweise darauf finden, wie der Beschwerdeführer dieser ihm obliegenden Überwachungspflicht im konkreten Fall nachgekommen wäre. Im übrigen liegt ein einen minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Rechtsanwaltes schon darin, daß er nicht anläßlich der Unterfertigung des Verbesserungsschriftsatzes auch auf die Vorlage der weiteren Beschwerdeausfertigung zur Unterschrift drang.

Da somit schon das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet ist, diesem zum Erfolg zu führen, war ihm ohne weiteres Verfahren nicht stattzugeben.

2.)

Mit dem zur hg. Zl. 96/04/0077 protokollierten Antrag begehrt die Beschwerdeführerin die Wiederaufnahme des mit Beschluß vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/04/0175-5, eingestellten Verfahrens mit der Begründung, sie habe innerhalb der ihr gesetzten Frist ordnungsgemäß und fristgerecht eine weitere Gleichschrift der Beschwerde vorgelegt, sodaß ihr zu Unrecht eine Versäumung dieser Frist im Einstellungsbeschluß vorgeworfen worden sei. Tatsächlich sei in der mangelnden Unterschrift der fristgerecht vorgelegten Gleichschrift wieder ein Fall des § 34 Abs. 2 VwGG vorgelegen. Die nicht unterschriebene Gleichschrift hätte der Beschwerdeführerin daher unter Setzung einer Frist zur Bereinigung dieses Formmangels durch Unterfertigung seitens des Anwaltes zurückgestellt werden müssen. Das ergebe sich schon daraus, daß ansonsten jede - irrtümlicherweise - nicht unterfertigte Beschwerde nach Ablauf der sechswöchigen Frist die Einstellung des Verfahrens nach sich ziehen müßte. Der Verwaltungsgerichtshof verkenne hier, daß kein Einstellungsgrund, sondern ein entsprechend dem § 34 Abs. 2 VwGG zu sanierendes Gebrechen vorliege.

Gemäß § 45 Abs. 2 Z. 4 VwGG ist die Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis oder Beschluß abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag einer Partei zu bewilligen, wenn im Verfahren vor dem Gerichtshof den Vorschriften über das Parteiengehör nicht entsprochen wurde und anzunehmen ist, daß sonst das Erkenntnis oder der Beschluß anders gelautet hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 21. Oktober 1986, Zl. 86/04/0204, ausgesprochen, daß die Unterlassung eines erforderlichen Mängelbehebungsauftrages eine Verletzung des Parteiengehörs im Sinne der zitierten Bestimmung bildet. Die Beschwerdeführerin irrt allerdings, wenn sie meint, ein solcher Fall (den die Antragstellerin allerdings § 45 Abs. 2 Z. 2 VwGG unterstellt) läge hier vor, weil es der Verwaltungsgerichtshof unterlassen habe, ihr neuerlich einen Auftrag zur Mängelbehebung im Sinne des § 34 Abs. 2 VwGG zwecks Beibringung der Unterschrift des Rechtsanwaltes auf der zusätzlich vorgelegten Beschwerdeausfertigung zu erteilen. Denn die Vorlage des nicht mit der Unterschrift des Rechtsanwaltes versehenen Beschwerdeschriftsatzes bildet entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht etwa eine Erfüllung des ursprünglich erteilten Mängelbehebungsauftrages, die ihrerseits einer Verbesserung allfälliger anhaftender Form- oder Inhaltsmängel zugänglich wäre. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Einstellungsbeschluß vom 19. Dezember 1995, Zl. 95/04/0175-4, dargestellt hat, kann vielmehr dieser Vorgang überhaupt nicht als Befolgung des Mängelbehebungsauftrages angesehen werden, sodaß dadurch die im § 34 Abs. 2 VwGG normierte Fiktion der Zurückziehung der Beschwerde eintrat. War die Beschwerde aber als zurückgezogen anzusehen, war für einen weiteren Mängelbehebungsauftrag kein Raum.

Aus diesem Grund liegt aber auch der von der Beschwerdeführerin angezogene Wiederaufnahmsgrund des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG, wonach die Wiederaufnahme zu bewilligen ist, wenn das Erkenntnis oder der Beschluß auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme der Versäumung einer Frist beruht, keinesfalls vor.

Dem Antrag auf Wiederaufnahme des eingestellten Verfahrens war daher nicht stattzugeben.

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