Normen
StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §5 Abs4 idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1994/518;
StVO 1960 §5 Abs2 idF 1994/518;
StVO 1960 §5 Abs4 idF 1994/518;
StVO 1960 §99 Abs1 litb idF 1994/518;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 22. März 1995 wurde der Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens für schuldig befunden, er habe am 7. Jänner 1995 über einen Zeitraum von ca. 04.15 bis zumindest 06.40 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf dem öffentlichen Parkplatz eines örtlich umschriebenen Gasthauses in Betrieb genommen, indem er zum Zwecke der Beheizung des Fahrgastraumes den Motor am Stand laufen gelassen habe; um 07.00 Uhr habe sich der Mitbeteiligte am Gendarmerieposten F. gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, einem Gendarmeriebeamten, geweigert, seine Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl auf Grund von Alkoholisierungsmerkmalen habe vermutet werden können, dass er sich während der Inbetriebnahme seines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Der Mitbeteiligte habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 1 lit. b StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Der vom Mitbeteiligten dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Mai 1995 Folge, behob dieses Straferkenntnis und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG ein.
Als für die Entscheidung relevanter Sachverhalt wurde festgestellt: Zufolge eines anonymen Anrufes, wonach der Lenker eines dem Kennzeichen bestimmten Pkws seit 04.15 Uhr mit laufendem Motor auf dem verfahrensgegenständlichen Gasthausparkplatz stehe, hätten Gendarmeriebeamte den Mitbeteiligten um etwa 06.50 Uhr im bezeichneten Fahrzeug schlafend vorgefunden. Der Pkw sei etwas abseits mit laufendem Motor gestanden, welcher eine überhöhte Drehzahl aufgewiesen habe; die Motorhaube sei heiß gewesen. Der Mitbeteiligte habe sich auf dem Fahrersitz befunden und einen Pullover über den Kopf gezogen gehabt. Im Rahmen einer Amtshandlung sei er von den Gendarmeriebeamten um 06.50 Uhr an Ort und Stelle zum Alkotest aufgefordert und zur Vornahme dieses Alkotestes zum Gendarmerieposten F. verbracht worden. Dort habe der Mitbeteiligte um 07.00 Uhr ohne Angabe von Gründen den Alkotest verweigert. In der Anzeige des Gendarmeriepostens M. sei nicht die Rede davon, dass der Mitbeteiligte von den Gendarmeriebeamten verdächtigt worden wäre, das Fahrzeug in einem alkoholisierten Zustand "gelenkt" zu haben.
In rechtlicher Erwägung dieses Sachverhaltes gelangte die belangte Behörde zur Auffassung, dass das dem Mitbeteiligte vorgeworfene Verhalten keine Verwaltungsübertretung bilde: Im Gegensatz zur Rechtslage vor dem Inkrafttreten der 19. StVO-Novelle dürften nämlich nach dem zweiten Satz des § 5 Abs. 2 StVO lediglich Personen zum Alkotest aufgefordert werden, die verdächtig seien, alkoholisiert ein Fahrzeug "gelenkt" zu haben. Daraus sei abzuleiten, dass bei einer bloßen Inbetriebnahme eine Atemluftuntersuchung nicht durchgeführt werden dürfe, es sei denn, die Prüfung der Atemluft sei an Ort und Stelle (§ 5 Abs. 2 erster Satz) möglich. Stehe ein Alkomat jedoch nicht zur Verfügung, sei eine Verbringung dieser Person zur nächsten Dienststelle unzulässig, weil nicht gelenkt worden sei. Mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut der zitierten Gesetzesbestimmung - welche in Entsprechung des Grundsatzes "nullum crimen sine lege" im vorliegenden Fall eine subtile Gesetzesauslegung verbiete - sowie unter Berücksichtigung des systematischen Hinweises auf Abs. 4 letzter Halbsatz, wo gleichfalls nur auf die Zeit des Lenkens abgestellt werde, verbiete sich die Annahme einer Gesetzeslücke (vgl. auch Stolzlechner, Hauptpunkte der 19. StVO-Novelle, ZVR, Heft 12, S. 355). Im Hinblick auf die dargelegte Rechtslage seien sohin die Gendarmeriebeamten nicht berechtigt gewesen, den Mitbeteiligten auf den bloßen Verdacht der Inbetriebnahme hin zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt aufzufordern und es stelle somit die verfahrensgegenständliche Verweigerung keine Verwaltungsübertretung dar. Ein Verdacht, dass der Mitbeteiligte sein Fahrzeug in alkoholisiertem Zustand gelenkt haben könnte, sei weder von den Meldungslegern geäußert noch seien solche Umstände im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens hervorgekommen bzw. vorgeworfen worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten in seiner Gegenschrift ergibt sich kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass die Beschwerde außerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 Z. 2 VwGG erhoben wurde. Darauf, ob der beschwerdeführende Bundesminister von der bekämpften Erledigung allenfalls durch deren Publikation (in einer Fachzeitschrift) schon früher als behauptet Kenntnis erlangt haben könnte, kommt es für den Beginn der Beschwerdefrist nicht an.
§ 5 Abs. 2 und 4 StVO in der Fassung der 19. StVO-Novelle lauten:
"(2) Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Sie sind außerdem berechtigt, die Atemluft von Personen, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand
- 1. ein Fahrzeug gelenkt zu haben oder
- 2. als Fußgänger einen Verkehrsunfall verursacht zu haben,
auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Wer zu einer Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen.
(4) Die Organe der Straßenaufsicht sind berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs. 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben."
Auszugehen ist zunächst davon, dass - was die belangte Behörde, aber auch Stolzlechner, a.a.O. nicht bedenken - nach Abs. 4 des § 5 StVO nicht nur solche Personen, von denen vermutet werden kann, dass sie sich zur Zeit des "Lenkens" in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden haben, zum Zweck der Atemluftuntersuchung zur bezeichneten Dienststelle gebracht werden können, sondern auch solche, bei denen vermutet werden kann, dass sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand "befinden", sofern es sich um eine Person im Sinne des Abs. 2 handelt.
Es trifft zwar zu, dass im zweiten Satz des Abs. 2 nicht von Personen die Rede ist, die verdächtig sind, in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug "in Betrieb genommen" zu haben. Allerdings bezieht sich die Berechtigung zur Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt nach dem ersten Satz dieser Bestimmung auch auf Personen, die ein Fahrzeug "in Betrieb nehmen".
Kann daher vermutet werden, dass sich eine Person in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, und hat sie ein Fahrzeug in Betrieb genommen, so ist die Strafbestimmung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO anzuwenden, wonach jemand eine Verwaltungsübertretung begeht, der sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.
Im vorliegenden Beschwerdefall ging die belangte Behörde nicht davon aus, dass die im erstinstanzlichen Straferkenntnis im Spruch dargelegte Vermutung, der Mitbeteiligte habe sich zum Zeitpunkt der Amtshandlung auf dem in Rede stehenden Gasthausparkplatz in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden, unzutreffend wäre. Von einem "bloßen Verdacht" der Inbetriebnahme des Fahrzeuges durch den Mitbeteiligten war jedoch aus folgenden Erwägungen nicht auszugehen:
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa schon das hg. Erkenntnis vom 7. November 1963, Slg. Nr. 6143/A) ist unter dem "Inbetriebnehmen" eines Fahrzeuges eine Tätigkeit zu verstehen, die der Lenkung desselben vorausgeht. Weiters hat der Gerichtshof bereits im Erkenntnis vom 4. Juli 1957, Zl. 904/56, zum Begriff des "Inbetriebnehmens" ausgeführt, dazu gehörten Handlungen, die notwendig seien, "um durch Einwirkung der motorischen Kräfte das Fahrzeug zur Fortbewegung zu verwenden, vor allem die Ingangsetzung des Verbrennungsmotors".
Davon ausgehend vertritt der Verwaltungsgerichtshof den Standpunkt, dass derjenige, welcher bei laufendem Motor den Fahrersitz einnimmt, das Fahrzeug "in Betrieb genommen" hat. Unerheblich ist daher, ob diese Person selbst oder eine andere den Motor in Gang gesetzt hat.
Damit konnte die belangte Behörde bei dem von ihr festgestellten, oben dargestellten Sachverhalt nicht davon ausgehen, dass der Mitbeteiligte "beim Einschreiten der Gendarmeriebeamten" auf dem gegenständlichen Gasthausparkplatz im "bloßen Verdacht" der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges gestanden sei. Daraus folgt aber auch, dass die Vorführung des Mitbeteiligten zum Gendarmerieposten zwecks Vornahme des Alkotests in § 5 Abs. 4 StVO seine Rechtsgrundlage fand und nach dem ersten Satz des § 5 Abs. 2 StVO auch die Berechtigung gegeben war, die Atemluft des Mitbeteiligten auf Alkoholgehalt zu untersuchen. Die Verweigerung dieser Untersuchung stellte - wie oben dargestellt - eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO dar.
Ausgehend davon erweist sich der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung führt.
Wien, am 26. Jänner 2001
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