VwGH 95/18/1154

VwGH95/18/115430.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 4. Mai 1995, Zl. SD 312/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (belangte Behörde) vom 4. Mai 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, daß die Beschwerdeführerin ausschließlich zu dem Zwecke der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen, wie etwa eines Befreiungsscheines oder einer Aufenthaltsbewilligung, eine Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger eingegangen sei, die in der Folge vom Gericht für nichtig erklärt worden sei. Ein derartiges Verhalten stelle einen evidenten Rechtsmißbrauch dar, der den Schluß rechtfertige, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG gefährde. Die Beschwerdeführerin habe in Österreich zwei Kinder, von denen eines schulpflichtig sei, das Aufenthaltsverbot bewirke daher einen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben. Dieses sei jedoch "zur Erreichung eines geordneten Fremdenwesens, also der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten". Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie seien nicht als so schwerwiegend einzustufen, daß demgegenüber die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in Kauf genommen werden könnten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, daß sie im Jahre 1991 mit einem österreichischen Staatsbürger die Ehe geschlossen habe, daß ihr im Hinblick darauf ein Befreiungsschein sowie Aufenthaltsberechtigungen ausgestellt worden seien und daß diese Ehe gemäß § 23 des Ehegesetzes durch Urteil des Bezirksgerichtes Hernals für nichtig erklärt worden sei. Sowohl sie selbst als auch ihr ehemaliger Ehegatte hätten jedoch immer bestritten, daß die Ehe nur geschlossen worden sei, damit sie problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung erlangen könne. Sie habe anläßlich ihrer Einvernahme bei Gericht jedoch angegeben, daß ihr diese Vorteile nicht unangenehm gewesen seien, was vom Gericht als mitwesentlicher Ehezweck gewürdigt worden sei. Die belangte Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß ihr weiterer Aufenthalt im Bundesgebiete die öffentliche Ordnung im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG gefährde. Zum Zeitpunkt ihrer Eheschließung sei das Eingehen einer Ehe zu anderen Zwecken als zur Erlangung der Staatsbürgerschaft oder des Familiennamens des Ehepartners mit keinerlei rechtlichen Konsequenzen verbunden und auch nach der damaligen Rechtsprechung der Höchstgerichte als erlaubt angesehen gewesen. Auf Grund von Nichtigerklärungen von Ehen durch den Obersten Gerichtshof im Jahre 1994 habe auch der Verwaltungsgerichtshof darin ein zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes führendes Fehlverhalten erblickt. Es widerspreche dem rechtsstaatlichen Prinzip, ein zu einem Zeitpunkt gesetztes Verhalten, zu welchem an dieses keine nachteiligen Rechtsfolgen geknüpft gewesen seien, Jahre später dem Betroffenen anzulasten. Selbst wenn man aber davon ausgehe, daß bereits zum Zeitpunkt der Eheschließung seitens der Beschwerdeführerin eine gewisse "böse Absicht" vorgelegen haben müsse, so könne man doch keineswegs aus der Setzung des damals legalen Verhaltens nunmehr Jahre später den Schluß ziehen, daß nach Auflösung der Ehe seitens der Beschwerdeführerin weitere Rechtsbrüche zu erwarten seien und sie auch in Zukunft die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Bundesgebiet gefährden werde. Das gegen die Beschwerdeführerin erlassene Aufenthaltsverbot sei auch nicht gemäß § 19 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten und auch gemäß § 20 FrG nicht zulässig.

Mit diesen Ausführungen wird keine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt. Zutreffend hat nämlich die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zwecke der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als einen Rechtsmißbrauch qualifiziert, der die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdet und daher die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigt. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die Frage, ob die Ehe zu dem Zeitpunkt, in dem sie geschlossen wurde, mit Nichtigkeit bedroht war, im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz, weil die Beurteilung einer Ehe als rechtsmißbräuchlich eingegangen - da allein zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen - die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraussetzt. Anders als die Beschwerde meint, ist demnach die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine von einem Fremden mit derartiger Zweckbestimmung eingegangene Ehe einen maßgebliche öffentliche Interessen erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstellt, der die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertigt und die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 19 FrG notwenig erscheinen läßt, unabhängig von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Voraussetzungen für die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. November 1995, Zl. 95/18/1333).

Die Beschwerdeführerin bestreitet zwar, die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger ausschließlich zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen zu sein. Sie behauptet jedoch nicht einmal Umstände - etwa daß die Ehe vollzogen worden sei, daß sie mit ihrem Ehegatten im gemeinsamen Haushalt gelebt habe - die an der diesbezüglichen Feststellung der belangten Behörde Zweifel aufkommen lassen würden.

Die Beschwerde hat auch nicht aufgezeigt, daß der angefochtene Bescheid im Lichte der §§ 19 oder 20 FrG rechtswidrig wäre. Die Beschwerdeführerin lebt seit 1991 mit zwei minderjährigen Kindern in Österreich. Ungeachtet dieser privaten und familiären Beziehungen erscheint die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angesichts des von der Beschwerdeführerin gesetzten Fehlverhaltens zur Aufrechterhaltung der Ordnung (hier: auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der Ausländerbeschäftigung) durchaus dringend geboten und somit gemäß § 19 FrG gerechtfertigt. Auch wiegen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Angehörigen nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme, weshalb der angefochtene Bescheid auch im Lichte des § 20 Abs. 1 FrG nicht rechtswidrig erscheint.

Da somit der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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