VwGH 95/18/0523

VwGH95/18/052318.5.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden VizepräsidentDr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über den Antrag des V in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 20. Mai 1994, Zl. SD 474/94, betreffend Aufenthaltsverbot, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Mit hg. Verfügung vom 3. November 1994 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgetragen, binnen vier Wochen die vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde in bestimmten näher bezeichneten Punkten zu ergänzen, eine weitere Ausfertigung der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde anzuschließen und den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung vorzulegen.

Innerhalb der gesetzten Frist legte der Beschwerdeführer eine Gleichschrift der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vor, welche jedoch nicht - auch nicht in Kopie - die Unterschrift des Beschwerdevertreters aufwies; ferner drei Exemplare eines Ergänzungsschriftsatzes, die ebenfalls nicht unterfertigt waren.

Mit hg. Beschluß vom 1. Februar 1995 wurde das Verfahren über die oben angeführte, zur Zl. 94/18/0765 protokollierte Bechwerde gemäß § 33 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 VwGG eingestellt (dem Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt am 3. März 1995).

Mit dem vorliegenden, am 17. März 1995 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt der Antragsteller unter gleichzeitiger Vorlage von drei unterfertigten Ausfertigungen der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde und von drei unterfertigten Exemplaren des Mängelbehebungsschriftsatzes die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist.

Zur Fristversäumung sei es - nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag - zufolge eines Versehens der an sich außerordentlich zuverlässigen und im übrigen überaus fleißigen Kanzleikraft gekommen. Der bereits überarbeitete Entwurf des Ergänzungsschriftsatzes sei von der Kanzleikraft dem Beschwerdevertreter vorgelegt und von diesem unterfertigt worden. Kurz nach der Übergabe der bereits unterfertigten Schriftsätze an die Kanzleikraft habe der Beschwerdevertreter dieser den Auftrag erteilt, am Schriftsatz eine geringfügige inhaltliche Verbesserung durchzuführen und sodann den Schriftsatz neuerlich zur Unterfertigung vorzulegen. Die geringfügige Korrektur sei durchgeführt und der Schriftsatz neu ausgedruckt worden. Die Kanzleikraft habe an diesem Abend noch eine Reihe weiterer dringender Geschäftsstücke zu bearbeiten gehabt. Nach Durchführung der Verbesserung sei sie in einem kurzen Moment der Unachtsamkeit der Meinung gewesen, dieser Schriftsatz sei bereits fix und fertig erledigt und versendungsbereit. Sie habe ihn daher nicht nochmals dem Beschwerdevertreter zur Unterfertigung vorgelegt, sondern sofort kuvertiert und in der Folge zur Post gebracht.

Im gegebenen Falle treffe den Beschwerdevertreter, "der die Einhaltung der Frist gewissenhaft überprüft hatte und der darauf vertraute, daß ihm der Schriftsatz gemeinsam mit einer Reihe weiterer Geschäftsstücke zur Unterfertigung vorgelegt werde und sohin als erledigt betrachtete," kein relevantes Überwachungsverschulden.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihn nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den hg. Beschluß vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771).

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Bei Anlegung des bei beruflichen rechtskundigen Parteienvertretern gebotenen strengeren Maßstabes hätte es die dem Vertreter des Antragstellers obliegende Sorgfaltspflicht erfordert, sich von der ordnungsgemäßen Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages zu vergewissern. Nach den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag wurde nach Übergabe der bereits unterfertigten Schriftsätze an die Kanzleikraft dieser der Auftrag erteilt, am Schriftsatz eine geringfügige inhaltliche Verbesserung durchzuführen, die Ausfertigungen davon herzustellen und zur Unterfertigung vorzulegen. Da sich die von der Kanzleikraft vorzunehmenden Tätigkeiten nicht bloß auf den rein technischen Vorgang beim Abfertigen von Schriftstücken beschränkten, hätte sie auch einer verläßlichen Kanzleikraft nicht ohne Kontrolle überlassen werden dürfen (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, Seite 658 angeführte Judikatur). Ein Rechtsanwalt muß die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, daß die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozeßhandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen u.a. dafür vorzusorgen, daß Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Aus dem Vorbringen im gegenständlichen Antrag geht nicht hervor, welche organisatorischen Vorkehrungen in der Kanzlei des Vertreters des Antragstellers zur Unterbindung eines Fehlers, wie er vorliegend der Kanzleikraft unterlaufen ist, getroffen wurden. Dazu kommt, daß das Beschwerdeverfahren auch deswegen eingestellt wurde, weil die weitere Gleichschrift der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde nicht - auch nicht in Kopie - die Unterschrift des Beschwerdevertreters aufwies. Bereits aus diesem Grunde konnte der Beschwerdevertreter ungeachtet seines dargestellten Auftrages (in bezug auf den Mängelbehebungsschriftsatz) keinesfalls den Mängelbehebungsauftrag als "erledigt" betrachten. Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Versehens überschreitendes Verschulden des Vertreters des Antragstellers zu werten.

Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher nicht stattzugeben.

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