VwGH 94/18/1077

VwGH94/18/107723.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat 1. über den Antrag der G in E, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1994, Zl. 107.590/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (Zl. 95/18/0472), und 2. über die Beschwerde derselben Partei gegen den vorgenannten Bescheid (Zl. 94/18/1077), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.

Begründung

I.

1. Mit hg. Verfügung vom 30. Dezember 1994 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2 VwGG aufgefordert, den Tag, an dem der angefochtene Bescheid zugestellt worden war, anzugeben (§ 28 Abs. 1 Z. 7 VwGG). Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, die unter einem zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen Beilage, d.h. des angefochtenen Bescheides) auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht werde. Die Versäumung der Frist gelte als Zurückziehung der Beschwerde.

Innerhalb der ihr eingräumten Frist von einer Woche gab die Beschwerdeführerin zwar mit einem (dreifach eingebrachten) ergänzenden Schriftsatz den Tag der Zustellung des angefochtenen Bescheides bekannt, unterließ es jedoch, die ihr mit dem Mängelbehebungsauftrag zurückgestellten Ausfertigungen der Beschwerde und den angefochtenen Bescheid wieder vorzulegen.

2. Mit dem vorliegenden, am 1. März 1995 zur Post gegebenen Schriftsatz begehrt die Antragstellerin unter gleichzeitiger Vorlage der ihr mit hg. Verfügung vom 30. Dezember 1994 zurückgestellten drei Ausfertigungen der Beschwerde und des angefochtenen Bescheides die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Mängelbehebungsfrist.

Zur Fristversäumung sei es - nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag (einschließlich der eidesstättigen Erklärungen) - zufolge eines Versehens der Sekretärin des Vertreters der Antragstellerin gekommen. Der Vertreter habe den Fristvormerk betreffend den Verbesserungsauftrag kontrolliert und sich vor Ablauf der Frist davon überzeugt, "ob der Schriftsatz expediert wurde". Da der Schriftsatz zwar expediert worden sei, nicht jedoch die Beschwerde und die Beilagen retourniert worden seien "und dies aus einem Versehen der Angestellten geschah, versagte auch in diesem Fall die Kontrolle, ob die Frist eingehalten wurde". Erst anläßlich eines Telefongespräches des Vertreters mit einer (namentlich genannten) Sachbearbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Baden am 23. Februar 1995 in der Angelegenheit Aufenthaltsberechtigung der Antragstellerin habe dieser nach Einsichtnahme in den Akt festgestellt, daß die Beschwerde samt Beilage nicht mit dem ergänzenden Schriftsatz an den Verwaltungsgerichtshof rückgemittelt worden sei. Bei diesem Versäumnis habe es sich um ein einmaliges Versehen der ansonsten sehr zuverlässigen Kanzleiangestellten gehandelt; es liege nur ein minderer Grad des Versehens vor, der die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindere.

II.

1. Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juli 1994, Zlen. 94/18/0359, 0360, mwN).

2. Auf dem Boden dieser Rechtslage ist das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht geeignet, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darzutun. Es macht vielmehr deutlich, daß gerade das, was die dem Vertreter der Antragstellerin obliegende Sorgfaltspflicht erfordert hätte, nicht geschehen ist, nämlich die anläßlich der Unterfertigung des Verbesserungsschriftsatzes gebotene Überprüfung der Mängelbehebung auf ihre Vollständigkeit hin. Wäre der Vertreter dieser seiner Verpflichtung nachgekommen, so hätte ihm das Fehlen der vom Verwaltungsgerichtshof rückzumittelnden Beschwerdeausfertigungen und des angefochtenen Bescheides auffallen müssen. Das Außerachtlassen der im gegebenen Fall erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt ist als ein den Grad minderen Vergehens überschreitendes Verschulden des Vertreters der Antragstellerin zu werten.

An dieser rechtlichen Beurteilung ändert sich auch dann nichts, wenn man der eidesstättigen Erklärung der besagten Kanzleiangestellten folgt, wonach ihr der Vertreter aufgetragen habe, dem Mängelbehebungsschriftsatz die vom Verwaltungsgerichtshof retournierten Urkunden, "Beschwerde samt Beilagen", anzuschließen, sie diesem Auftrag jedoch versehentlich nicht nachgekommen sei. Denn diesfalls gebot die Sorgfaltspflicht des Vertreters die Kontrolle der Kanzleikraft dahin, ob sie seinem Auftrag entsprochen hat, reduzierte sich doch hier deren Tätigkeit nicht bloß auf den rein technischen Vorgang des Abfertigens von Schriftstücken (vgl. dazu den hg. Beschluß vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0771).

3. Da nach dem Gesagten eine wesentliche Voraussetzung des § 46 Abs. 1 VwGG nicht erfüllt ist, war dem vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag der Erfolg zu versagen.

III.

Unter Zugrundelegung des oben I.1. dargestellten Sachverhaltes war das Beschwerdeverfahren im Hinblick darauf, daß auch eine nur teilweise Erfüllung des Verbesserungsauftrages die Fiktion der Zurückziehung der Beschwerde begründet (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 523 angeführte Judikatur), gemäß § 33 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 VwGG einzustellen.

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