Normen
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §33;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
B-VG Art144 Abs2;
B-VG Art144 Abs3;
VerfGG 1953 §33;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs3;
Spruch:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
Die Beschwerde gegen den Bescheid wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Beschluß vom 20. Juni 1994, B 985/94-4, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen den im Spruch dieses Beschlusses genannten Bescheid (in der Folge nur: Bescheid) gerichteten Beschwerde ab und trat diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Begründung dieses Beschlusses führte der Verfassungsgerichtshof ua aus, er brauche auf die Frage der Rechtzeitigkeit der Beschwerde und auf den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht einzugehen, wobei er in diesem Zusammenhang auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 1992, 88/17/0207, verwies.
Die zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde unbestritten erst am 6. Mai 1994, somit in Ansehung des am 24. März 1994 zugestellten Bescheides um einen Tag verspätet, zur Post gegeben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde am 18. Mai 1994 zur Post gegeben, wobei der Beschwerdeführer behauptet, sein Rechtsanwalt habe am 17. Mai 1994 durch einen Anruf des mit der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof beschäftigten Schriftführers Kenntnis erhalten, die am 6. Mai 1994 zur Post gegebene Beschwerde sei um einen Tag verspätet.
Mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Beschwerdeführer wörtlich gleichlautend wie in der am 6. Mai 1994 zur Post gegebenen Beschwerde die Beschwerde neuerlich ausgeführt.
Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, der beigeschlossenen eidesstättischen Erklärungen sowie der vorgelegten Bescheinigungsmittel ergibt sich hinsichtlich des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand folgender, vom Verwaltungsgerichtshof als bescheinigt angesehener Sachverhalt:
Am Vormittag des 25. März 1994 habe die hochbetagte Ehegattin des Beschwerdeführers, der ebenfalls hochbetagt und überdies bettlägrig sei, den Bescheid in die Kanzlei seines Rechtsanwaltes gebracht und diesen der Kanzleileiterin AP übergeben. Auf Grund der Erklärung der Ehegattin des Beschwerdeführers, der Bescheid sei "heute" zugestellt worden, habe die Kanzleileiterin einen Aktenvermerk, in dem dessen Zustellung mit 25. März 1994 festgehalten worden sei, verfaßt und sodann die sechswöchige Beschwerdefrist im Kanzleikalender eingetragen. In der Folge seien der Kanzleileiterin Bedenken gekommen, ob der Bescheid tatsächlich erst am 25. März 1994 zugestellt worden sei, weil ihr dieser bereits am Vormittag dieses Tages übergeben worden sei. Sie habe daraufhin - vermutlich am 26. März 1994 - mit der Ehegattin des Beschwerdeführers telefoniert und hiebei erfahren, daß der Bescheid tatsächlich am Tag vor ihrem Erscheinen in der Kanzlei zugestellt worden sei. Dementsprechend habe die Kanzleileiterin den am 25. März 1994 verfaßten Aktenvermerk über die Zustellung des Bescheides auf 24. März 1994 ausgebessert. Hiebei habe sie es jedoch unterlassen, auch das Ende der sechswöchigen Beschwerdefrist im Kanzleikalender auszubessern. Sein Rechtsanwalt habe die Beschwerde am 6. Mai 1994 verfaßt. Diesem sei trotz des mit 24. März 1994 angegebenen Zustelldatums des Bescheides der Ablauf der Beschwerdefrist nicht aufgefallen. Selbst wenn seinem Rechtsanwalt bei Verfassung der Beschwerde am 6. Mai 1994 auffallen hätte müssen, daß die Beschwerdefrist bereits versäumt sei, so hätte dies ebenfalls nur zum selben Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand führen können, welcher sowohl damals wie auch jetzt fristgerecht wäre. Der Umstand, daß seinem Rechtsanwalt nicht schon am 6. Mai 1994 die Fristversäumung aufgefallen sei, sei somit nicht kausal. AP sei seit dem Jahr 1975 als Kanzleileiterin bei seinem Rechtsanwalt tätig. Seit damals sei sie für die Fristevidenzhaltung verantwortlich. Sein Rechtsanwalt habe die eingetragenen Fristen fallweise überprüft, ohne daß es dabei jemals zu Beanstandungen gekommen wäre. Da von seinem Rechtsanwalt bereits sehr viele (zB in den Jahren 1990 und 1991 allein 46) Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts erhoben worden seien, sei der Kanzleileiterin die sechswöchige Beschwerdefrist sehr wohl bekannt und habe es bei der von ihr wahrzunehmenden Fristvormerkung und Überwachung bisher keine Anstände gegeben. Die einmalige Versäumung der Kanzleileiterin bei der Fristvormerkung sei insofern entschuldbar, als diese im März 1994 einer psychischen Belastung ausgesetzt gewesen sei, von der sein Rechtsanwalt nichts gewußt habe. Im Oktober 1993 sei die Kanzleileiterin zur Abklärung von Lähmungserscheinungen in der linken Gesichtshälfte, welche zu einer gänzlichen Taubheit und zu Schluckbeschwerden geführt hätten, in stationärer Behandlung gewesen. Hiebei habe jedoch die Ursache dieser Erkrankung nicht festgestellt werden können. In der Folge sei die Krankheit wieder aufgetreten. Da mit der Schulmedizin keine Ursache und keine Heilung für die Krankheit der Kanzleileiterin gefunden habe werden können, sei sie vom 22. Dezember 1993 bis 21. März 1994 in Akupunkturbehandlung gestanden. Durch diese Behandlung habe sich aber auch keine Besserung des Leidens ergeben. Das ergebnislose Ende der Akupunkturbehandlung am 21. März 1994 habe zu einer besonderen psychischen Belastung der Kanzleileiterin geführt, weil ihr von der behandelnden Ärztin erklärt worden sei, daß zunächst eine Verschlimmerung des Zustandes, welche tatsächlich eingetreten sei, hingegen am Ende eine Besserung eintreten würde. Tatsächlich sei die Akupunkturbehandlung erfolglos gewesen, was auf Grund der vorherigen Erwartungshaltung zu der bereits erwähnten psychischen Belastung der Kanzleileiterin geführt habe. Bei dem einmaligen Versehen der Kanzleileiterin handle es sich um einen minderen Grad der Fahrlässigkeit, welcher einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegenstehe. Daß sein Rechtsanwalt selbst am 6. Mai 1994 die Fristversäumung nicht bemerkt habe, sei - wie bereits ausgeführt - nicht kausal und stelle darüber hinaus ebenfalls nur einen minderen Grad des Versehens dar, weil das Überschreiten einer Frist um bloß einen Tag nicht auffallen müsse.
Dem Beschwerdeführer ist folgendes entgegenzuhalten:
Nach § 46 Abs 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorgesehenes oder unabwendbares Ereignis .... eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Im Sinn des § 46 Abs 3 VwGG ist der Antrag .... binnen
zwei Wochen nach Aufhören des Hindernisses .... zu stellen. Die
versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde zu Recht beim Verfassungsgerichtshof gestellt. Wie der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits vom Verfassungsgerichtshof zitierten Beschluß vom 26. Juni 1992, 88/17/0207, ausgeführt hat, hat über einen derartigen Antrag der Verwaltungsgerichtshof ebenso wie über die Frage der Rechtzeitigkeit einer Beschwerde dann zu entscheiden, wenn der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ablehnt und diese antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtritt. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist hatte daher der Verwaltungsgerichtshof unter Bedachtnahme auf das an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Vorbringen und dem im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof relevanten Fristenlauf zu entscheiden.
Dem Beschwerdeführer ist zunächst zuzustimmen, daß die im § 46 Abs 3 VwGG normierte Frist von zwei Wochen gewahrt ist. Die verspätete Beschwerde wurde am 6. Mai 1994, der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 18. Mai 1994 zur Post gegeben. Da das Ereignis, durch das der Beschwerdeführer bzw sein Rechtsanwalt die Beschwerdefrist versäumt hat, nicht vor dem 6. Mai 1994 eingetreten ist, ist die zweiwöchige Notfrist jedenfalls gewahrt. Es erübrigte sich daher darauf einzugehen, ob der Umstand, daß dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers schon am 6. Mai 1994 die Fristversäumung auffallen hätte müssen, als kausal anzusehen ist oder nicht.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise den hg Beschluß vom 17. Dezember 1993, 93/15/0202, 0203, mwA), gibt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann ab, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorgesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Ein Verschulden des Rechtsanwaltes, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grad des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit iSd § 1332 ABGB zu verstehen. Das Verschulden eines Kanzleibediensteten stellt für den Rechtsanwalt dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis iSd obigen Ausführungen dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleibediensteten nachgekommen ist. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen der Partei innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgegeben wird.
Der Beschwerdeführer meint, die einmalige Versäumung der Kanzleileiterin seines Rechtsanwaltes stelle auf Grund ihrer psychischen Belastung im März 1994 bloß einen minderen Grad des Versehens dar. Dem kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen. Wenn eine mit der Wahrnehmung von Fristen betraute versierte Kanzleikraft (hier: die seit dem Jahr 1975 als Kanzleileiterin des Rechtsanwaltes ohne Beanstandungen tätige AP) die Mitteilung erhält, eine Zustellung sei früher als ursprünglich angegeben erfolgt, und in diesem Zusammenhang eine bereits erfolgte Vormerkung der Beschwerdefrist nicht entsprechend korrigiert, so kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden. Dazu kommt, daß im vorliegenden Fall im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht behauptet wird, die Kanzleileiterin sei im Zeitpunkt des Erhaltes der Mitteilung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis daran gehindert worden, die erforderliche Berichtigung im Kanzleikalender vorzunehmen. Insoweit der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf den Gesundheitszustand der Kanzleileiterin Bezug nimmt, ist darauf zu verweisen, daß sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers ergibt, daß die Kanzleileiterin am betreffenden Tag jedenfalls in der Lage gewesen ist, sich über die Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zustellung des Bescheides Gedanken zu machen, mit ihr sodann zu telefonieren und den über die Zustellung des Bescheides verfaßten Aktenvermerk zu korrigieren. Daraus ergibt sich, daß die Kanzleileiterin Ende März 1994 keinesfalls in ihrer Dispositionsfähigkeit derart beeinträchtigt gewesen wäre, daß dadurch die erforderliche Änderung im Kanzleikalender verhindert worden wäre (vgl beispielsweise den hg Beschluß vom 27. Jänner 1994, 93/15/0219, mwA).
Aus dem Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch nicht erkennbar, welche wirksamen Kontrollsysteme der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers vorgesehen hat, die im Fall des Versagens der Kanzleileiterin Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind. Die bloße Behauptung, die Fristen würden fallweise überprüft, reicht nicht aus, um wirksame Kontrollsysteme als gegeben anzunehmen (vgl beispielsweise den hg Beschluß vom 14. Mai 1991, 91/14/0061, mwA).
Schließlich steht auch das Vorbringen im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die Kanzleileiterin habe sofort - somit ohne Mitwirkung des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers - die sechswöchige Beschwerdefrist im Kanzleikalender eingetragen sowie, die FRISTVORMERKUNG für Beschwerden an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts sei in hunderten Fällen durch die Kanzleileiterin klaglos vorgenommen worden, einer Bewilligung des Antrages entgegen. Diesem Vorbringen ist nämlich zu entnehmen, daß der Kanzleileiterin vom Rechtsanwalt des Beschwerdeführers nicht nur die Eintragungen im Kanzleikalender entsprechend der im Einzelfall gegebenen Weisung des Rechtsanwaltes überlassen worden sind, sondern die Berechnung der Beschwerdefrist selbst an Hand der der Kanzleileiterin geläufigen Bestimmungen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat (vgl beispielsweise den zuletzt erwähnten hg Beschluß vom 14. Mai 1991), darf der Rechtsanwalt die Festsetzung von Fristen nicht völlig der Kanzleileiterin überlassen und sich lediglich auf stichprobenartige Kontrollen beschränken. Für die richtige Beachtung von Fristen ist in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Rechtsanwalt verantwortlich. Nur er selbst hat die Fristen zu setzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kanzleikalender im Rahmen der gebotenen Aufsichtspflicht zu überwachen. Dies auch dann, wenn die Kanzleileiterin überdurchschnittlich qualifiziert und deshalb mit der selbständigen Besorgung bestimmter Kanzleiarbeiten, so auch der Führung des Kanzleikalenders, betraut worden ist und es bisher zu keinen Beanstandungen gekommen sein sollte.
Da somit die behauptete Dispositionsunfähigkeit der Kanzleileiterin nicht vorgelegen ist, der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers über nicht ausreichende Stichproben hinaus keine wirksamen Kontrollsysteme vorgesehen und überdies der Kanzleileiterin die Festsetzung von Fristen überlassen hat, fällt dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers ein Verschulden an der Versäumung der Beschwerdefrist zur Last, das einen minderen Grad des Versehens im Sinn des § 46 Abs 1 VwGG übersteigt, weswegen der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abzuweisen war.
Die mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand neuerlich ausgeführte Beschwerde gegen den Bescheid war somit mangels Bewilligung des Antrages wegen Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 34 Abs 1 VwGG zurückzuweisen.
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