VwGH 94/09/0319

VwGH94/09/031915.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über den Antrag des Alois und der Amalia H in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in F, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des BM für Wissenschaft und Forschung vom 8. 9. 1994, Zl. 16.038/5-III/3-93, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz, den Beschluß gefaßt:

Normen

VwGG §46 Abs1;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer wurde ihnen der im Spruch genannte Bescheid am 28. September 1994 zugestellt; die Beschwerdefrist habe demnach am 9. November 1994 geendet. Nach Einholung eines Privatgutachtens zur beabsichtigten Beschwerdeerhebung sei die Beschwerde noch am 9. November 1994 fertig gestellt und von ihrer Rechtsvertreterin an deren Kanzleiangestellte zwecks Postaufgabe übergeben und dieser der Auftrag erteilt worden, die Postaufgabe auch tatsächlich durchzuführen. Am nächsten Tag, also am 10. November 1994, habe die Kanzleiangestellte festgestellt, daß das Poststück mit der gegenständlichen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zwischen "auf ihrem Schreibtisch befindlichen Akte gerutscht war" und sie daher am Vorabend dieses Poststück nicht zur Post gegeben habe, sodaß die Frist versäumt gewesen sei.

Zur Begründung des nunmehr am 11. November 1994 (zusammen mit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde) eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages wird ausgeführt, daß die Vertreterin der Beschwerdeführer seit 11. Jänner 1993 eine eigene Kanzlei führe. Die Kanzleiangestellte sei seit Beginn bei der Anwältin beschäftigt und es obliege ihr u.a. die Kanzleiverwaltung, wozu der gesamte Postein- und Postausgang gehöre. Die Kanzleiangestellte sei zuvor schon rund zweieinhalb Jahre in einer anderen Rechtsanwaltkanzlei tätig und auch dort mit dem Postein- und Postausgang betraut gewesen. Die Angestellte könne daher als verläßliche Kraft angesehen werden, die über die Wichtigkeit der Einhaltung von Fristen Bescheid wisse und der man die Postaufgabe von "Einschreibebriefen" durchaus übertragen könne. Der Angestellten sei ein derartiges Versehen (Nichtaufgabe eines Poststückes) noch nie unterlaufen, sie erfülle ihre Aufgaben immer gewissenhaft und fristgerecht. Die Vertreterin der Beschwerdeführer habe daher darauf vertrauen können, daß auch das gegenständliche Poststück fristgerecht aufgegeben werde. Die Versäumung der Frist sei lediglich auf einen minderen Grad des Versehens der Kanzleiangestellten zurückzuführen. Eine Kontrolle noch am selben Tag, ob das Poststück tatsächlich aufgegeben worden sei, sei nicht möglich gewesen, weil aus organisatorischen Gründen (in der Kanzlei der Vertreterin der Beschwerdeführer sei derzeit nur diese eine Kanzleikraft beschäftigt) die Postwege immer erst abends (zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr) erledigt würden. Die Vertreterin der Antragsteller mache ihre Angestellte bei fristgebundenen Schriftstücken - bevor die Angestellte zur Post gehe - immer noch auf die erforderliche Postaufgabe am selben Tage aufmerksam; im gegenständlichen Fall habe die Vertreterin der Beschwerdeführer die Kanzlei vor ihrer Angestellten verlassen und beim Weggehen auf die erforderliche Postaufgabe der Beschwerde nochmals hingewiesen. Da die Angestellte - vor dem Einpacken der Poststücke - noch andere Arbeiten erledigt habe, sei das gegenständliche Poststück versehentlich zwischen anderen Akten liegen geblieben. Daß es der immer verläßlichen Kanzleikraft passiert sei, daß es ihr wegen der gerade an diesem Tag zahlreichen Poststücke nicht aufgefallen sei, daß das gegenständliche Poststück mit der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde auf ihrem Schreibtisch zurückgeblieben sei, sei als minderer Grad des Versehens einzustufen und daher nicht "wiedereinsetzungsschädlich".

Dieses Vorbringen haben die Beschwerdeführer durch eidesstattliche Erklärungen ihrer Rechtsvertreterin Dr. B und der Kanzleiangestellten S bescheinigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Anlaß, diesen Erklärungen nicht zu glauben.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch eine unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1993,

92/09/0327, m.w.N.). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann.

Ausgehend von den glaubwürdigen - durch die eidesstattlichen Erklärungen bekräftigten - Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ist die Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung durch die Vertreterin der Beschwerdeführer auf ein für diese unvorhergesehenes Ereignis, nämlich auf ein deren sonstigen Verläßlichkeit widersprechendes Verhalten der Kanzleiangestellten zurückzuführen. Es liegt auch kein Anlaß zur Annahme vor, die Anwältin habe ihre Kontrollpflicht gegenüber ihrer Kanzleiangestellten grob vernachlässigt.

Da auch die versäumte Prozeßhandlung zugleich mit dem rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, war dem Antrag stattzugeben.

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