Normen
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4 Abs6 Z2 litc idF 1990/450;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der in X einen Fleisch- und Viehhandel betreibt, wobei das Vieh an Ort und Stelle verkaufsgerecht zubereitet wird, stellte am 13. Oktober 1992 beim Arbeitsamt Amstetten den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den "jugoslawischen" Staatsbürger C.M. als Hilfsarbeiter mit einem monatlichen Bruttolohn von S 12.020,--.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 5. November 1992 ab. In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er benötige C.M. dringend als Ersatz für die Besetzung eines durch das Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 1992 wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG und § 20 Abs. 3 AuslBG iVm § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991 ab. In der Begründung führte die belangte Behörde einleitend aus, sie habe die Berufungseinwendungen genau beachtet, und setzte sich hierauf mit den Voraussetzungen der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG auseinander.
In ihren Ausführungen zu § 4 Abs. 1 AuslBG legte die belangte Behörde dar, zu prüfen sei die Arbeitsmarktlage zum Zeitpunkt der Entscheidung, aber auch deren Entwicklung in einem überschaubaren zukünftigen Zeitraum. Nicht der bei einem Arbeitgeber auftretende individuelle Arbeitskräftebedarf sei allein maßgeblich, sondern es sei insbesondere auch auf konjunkturelle und strukturelle Beschäftigungsprobleme Bedacht zu nehmen. Im folgenden stellte die belangte Behörde ausführlich die "erwiesen ungünstige" Entwicklung des österreichischen Arbeitsmarktes dar. Zielsetzung müsse demnach einerseits die Absenkung der Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen und andererseits die Eindämmung des ungebremsten Zuzuges neu am Arbeitsmarkt auftretender ausländischer Arbeitskräfte sein. Es sei vor allem die Prognose für 1993 eher ungünstig, weshalb der Zuzug neuer ausländischer Arbeitskräfte weiterhin nur auf Ausnahmsfälle begrenzt bleiben müsse. Nur durch die Beschränkung der Zuwanderung aus dem Ausland könne ein wesentlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindert werden. Es sei wohl aus einzelunternehmerischer Sicht verständlich, daß neu eingereisten ausländischen Arbeitskräften Vorrang eingeräumt werde, weil diese meist aus existentiellen Gründen bereit seien, Beschäftigungen zu für Inländer untragbaren Bedingungen anzunehmen. Es sei aber sowohl gesamtwirtschaftlich als auch im öffentlichen Interesse nicht vertretbar, Inländer in erheblichem Maße in die Arbeitslosigkeit abströmen zu lassen, während der Zuwachs an Ausländern offensichtlich Beschäftigung finde.
Zu § 4 Abs. 6 AuslBG stellte die belangte Behörde fest, der Unterausschuß des Vermittlungsausschusses habe im erstinstanzlichen Verfahren keine einhellige Befürwortung des Antrags des Beschwerdeführers ausgesprochen. Die für Niederösterreich für das Jahr 1992 verordnungsmäßig festgesetzte Landeshöchstzahl sei seit Jänner 1992 überschritten. Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, er benötige C.M. als Ersatz für einen ausgeschiedenen ausländischen Arbeitnehmer sei festzustellen, daß der am 25. August 1992 ausgeschiedene Ausländer als Fleischer tätig gewesen sei, C.M. werde aber als Hilfsarbeiter beantragt. Da es sich bei einem Fleischer und einem Hilfsarbeiter um zwei verschiedene Tätigkeiten handle, könne hier § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG nicht zur Anwendung kommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG verletzt erklärt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Beschwerdeführer hat auf die Gegenschrift mit einem weiteren Schriftsatz repliziert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Im Beschwerdefall stützt die belangte Behörde ihre
ablehnende Entscheidung auf § 4 Abs. 1 und auf § 4 Abs. 6 AuslBG idF der Novelle BGBl. Nr. 684/1991.
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde.
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Hinsichtlich der Prüfung der Arbeitsmarktlage im Sinne des § 4 Abs. 1 ist im § 4b AuslBG festgelegt, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zuläßt, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine Personen, die bestimmt genannten begünstigten Gruppen (Inländer, Flüchlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) in der mit der Aufzählung vorgegebenen Reihenfolge angehören, vermittelt werden können.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
- 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
- 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
- a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
- b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
- c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
- d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
- 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
- 4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist somit die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung an zwei Voraussetzungen geknüpft, nämlich
1. daran, daß die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und
2. wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Bei Fehlen auch nur eines dieser beiden Tatbestandselemente ist den Arbeitsämtern die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung verwehrt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter Hinweis auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, beispielsweise das Erkenntnis vom 2. Juli 1987, Zl. 87/09/0051) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.
Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, sowie vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).
Zu all diesen nach der Judikatur relevanten Fragen des konkreten Falles hat die belangte Behörde jedoch offenbar kein Ermittlungsverfahren durchgeführt, sie hat sich vielmehr ohne Auseinandersetzung mit diesen Voraussetzungen im gegebenen Einzelfall mit ganz allgemeinen Ausführungen begnügt, wie sie allenfalls zur Erläuterung der anzuwendenden generellen Gesetzesbestimmungen, nicht aber zur Behandlung eines individuellen Bewilligungsantrages geeignet erscheinen. So ist dem angefochtenen Bescheid weder zu entnehmen, ob dem Beschwerdeführer überhaupt Ersatzkräfte angeboten wurden, und aus welchen Gründen er bejahendenfalls deren Beschäftigung in seinem Betrieb abgelehnt hat. Es ist daher die rechtserhebliche Frage ungeklärt geblieben, ob es überhaupt taugliche Ersatzkräfte zur Deckung des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Arbeitskräftebedarfes gibt und ob deren Einstellung allenfalls aus vom Beschwerdeführer zu vertretenden Gründen unterblieben ist.
Die belangte Behörde hat ihrem Bescheid zugrunde gelegt, daß die Landeshöchstzahl überschritten ist und somit die Voraussetzungen für die Anwendung des erschwerten Verfahrens nach § 4 Abs. 6 AuslBG vorliegen. Dagegen hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Beschwerde etwas vorgebracht; er hat aber bereits in seiner Berufung und erneut - unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG - in seiner Beschwerde darauf hingewiesen, daß er den beantragten Ausländer als dringenden Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes benötige. Der erstmals in der Beschwerde enthaltene Hinweis darauf, C.M. sei auch als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. b AuslBG anzusehen, ist hingegen als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unzulässige Neuerung unbeachtlich.
Dazu hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt, daß der am 25. August 1992 ausgeschiedene Ausländer als Fleischer tätig gewesen sei, während C.M. als Hilfsarbeiter tätig sein solle. Auch diesen Ausführungen liegen keine aktenmäßig nachvollziehbaren Ermittlungsschritte der belangten Behörde zugrunde. Selbst wenn aber der vorangegangene Ausländer tatsächlich am 25. August 1992 ausgeschieden sein sollte, wäre durch die Antragstellung am 13. Oktober 1992 unter der Voraussetzung, daß die frei gewordene Arbeitsstelle in der Zwischenzeit unbesetzt geblieben ist, der erforderliche unmittelbare zeitliche Zusammenhang noch nicht als unterbrochen anzusehen. Im übrigen ist es das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den gesetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1990, Zl. 89/09/0161). Der Verwaltungsgerichtshof vermag nicht zu erkennen, daß dies im Falle der Suche nach einer Ersatzkraft für einen ausgeschiedenen Mitarbeiter anders sein sollte, es wäre denn, die Änderung des Anforderungsprofiles ließe an sich bereits erkennen, daß durch die neue Kraft eine von der freigewordenen gänzlich verschiedene Arbeitsstelle ausgefüllt werden soll. Das in § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c VwGG verwendete Wort "Ersatz" bezeichnet ganz allgemein eine Person, die anstelle einer nicht mehr vorhandenen oder nicht mehr geeigneten Person eingesetzt werden soll (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, Zl. 92/09/0386). Es ist daher auch im Falle des C.M. ohne jedwede Erforschung der tatsächlich gegebenen Umstände nicht zulässig, allein aus der Bezeichnung als "Hilfsarbeiter" abzuleiten, C.M. werde im Betrieb des Beschwerdeführers keinesfalls in jenem Bereich eingesetzt werden, welchen vor ihm ein anderer, als "Fleischer" bezeichneter Ausländer abgedeckt hat. Denkbar ist sowohl, daß der ausgeschiedene Ausländer bereits weitgehend Hilfsarbeitertätigkeiten verrichtet hat, als auch, daß C.M. im Falle nachweislicher Eignung hiefür wie sein Vorgänger bei der Fleischbe- und -verarbeitung eingesetzt werden soll.
Der Sachverhalt bedarf daher sowohl hinsichtlich des Ablehnungsgrundes nach § 4 Abs. 1 als auch hinsichtlich jenes nach § 4 Abs. 6 AuslBG noch in wesentlichen Punkten der Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Bei diesem Ergebnis konnte von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
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