VwGH 92/12/0098

VwGH92/12/009816.12.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Steiner, über die Beschwerden des Dr. J in W, gegen Fortsetzung des BETREFF nach dem TEXT

Normen

AVG §69 Abs1;
DO Wr 1966 §52 Abs2 lita;
DVG 1984 §1 Abs1;
AVG §69 Abs1;
DO Wr 1966 §52 Abs2 lita;
DVG 1984 §1 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Magistratsrat i.R. in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zur Stadt Wien und ist rechtskundig im Sinne des § 24 Abs. 2 VwGG.

Mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989 wurde der 1941 geborene Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 lit. a der Dienstordnung 1966 (DO) wegen Dienstunfähigkeit auf Grund psychischer bzw. habitueller Ursachen (insbesondere wegen mangelnder Einordnungs- und Einsichtsfähigkeit in rechtliche Zusammenhänge, die zu einer Störung des Dienstbetriebes führten) in den Ruhestand versetzt.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene und unter Zl. 89/12/0143 protokollierte Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof am 17. Dezember 1990 als unbegründet abgewiesen.

Zur Vermeidung weiterer Wiederholungen wird im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG auf dieses Erkenntnis und auf die Vielzahl weiterer Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Zusammenhang (vgl. beispielsweise Erkenntnisse vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/12/0202, vom 29. Juli 1992, Zlen. 90/12/0178, 0293 und vom heutigen Tage, Zl. 91/12/0215, Zlen. 92/12/0048, 0099) hingewiesen.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. März 1991, Pr.Z. 628/91, abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahrens betreffend das genannte Ruhestandsversetzungsverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG keine Folge.

Zur Begründung wird nach Darstellung der Vorgeschichte im wesentlichen weiter ausgeführt, der Beschwerdeführer bemängle mit seiner Eingabe vom 16. Juli 1991 nach Akteneinsicht in die beim Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten betreffend das mit Bescheid vom 12. März 1991 abgeschlossene Wiederaufnahmeverfahren die Vorgangsweise bei der Beschlußfassung der belangten Behörde bezüglich des in dieser Sache vorgelegten Bescheidentwufes. Der Forderung, die Behörde umfassend und richtig zu informieren, sei der Magistrat nicht nachgekommen, wobei im Vorlagebericht vom 22. Februar 1991 die Vorlage des Personalaktes für die Erledigung des Wiederaufnahmeantrages als entbehrlich erachtet worden sei, weil eine materielle Prüfung nicht vorzunehmen gewesen sei. Da lediglich die Akten des Wiederaufnahmeverfahrens vorgelegt worden seien, sei das beschließende Kollegialorgan von vornherein auf jenen Sachverhalt eingeengt worden, der von dem mit der Bearbeitung der Eingaben des Beschwerdeführers betrauten Beamten vorgegeben worden sei, um andere Umstände erst gar nicht einbeziehen zu müssen. Die belangte Behörde habe sich auf den Kurzbericht vom 22. Februar 1991 verlassen; wenn dieser Kurzbericht jedoch unvollständig und unrichtig sei, dann sei Irreführungsabsicht anzunehmen und der Tatbestand einer Erschleichung eines Bescheides gegeben.

In der weiteren Begründung des erstangefochtenen Bescheides setzt sich die belangte Behörde dann mit der Frage der Zulässigkeit der Wiederaufnahme eines abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahrens auseinander und bejaht diese.

Zu dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Wiederaufnahmegrund führt die belangte Behörde aus, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Erschleichung des Bescheides des Wiener Stadtsenates vom 12. März 1991 ihrer Art nach nicht geeignet sei, einen Wiederaufnahmegrund überhaupt abzugeben, wie dies der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1992, Zl. 91/12/0296, ausgeführt habe. Nach der in diesem Erkenntnis dargelegten Rechtsauffassung könne eine "Erschleichung" nur von einer Partei oder ihrem Vertreter vorgenommen werden und sei der Tatbestand des Erschleichens nicht auf das Handeln der Behörde anwendbar. Da aber gerade ein solcher Vorwurf den maßgeblichen Inhalt des gegenständlichen Wiederaufnahmeantrages darstelle, habe ihm sohin keine Folge gegeben werden können.

Mit dem zweitangefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Dezember 1991 auf Wiederaufnahme aller bis zum 30. Dezember 1991 mit Bescheiden der belangten Behörde abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahren betreffend das vorher bezeichnete Ruhestandsversetzungsverfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 und 2 AVG keine Folge.

Zur Begründung führt die belangte Behörde nach Darstellung der Vorgeschichte im wesentlichen weiter aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Eingabe vom 30. Dezember 1991 die Wiederaufnahme seiner bereits durch Bescheide der belangten Behörde abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahren bezüglich seines Ruhestandsversetzungsverfahrens auf Grund der angeblich nicht nur jetzt, sondern auch vor seiner Ruhestandsversetzung geübten Praxis dieser Behörde bei der Beschlußfassung über Aktenstücke beantragt. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, daß der Bürgermeister als Vorsitzender des Stadtsenates in seinem Fall besondere Vertraulichkeit angeordnet habe, wenngleich nach § 7 Abs. 2 der Geschäftsordnung der belangten Behörde keine zwingenden Gründe aus seiner Sicht vorgelegen wären. Solche Gründe könnten aber insbesondere nur darin gelegen sein, daß im Pensionierungsakt zum Ausdruck gekommen sei, daß er deshalb pensioniert worden sei, weil er sich eine rechtswidrige durch den Magistratsvizedirektor angeordnete Amtshandlung im Zuge einer Dienstbeurteilung nicht habe gefallen lassen und die Disziplinarbehörde angerufen habe. Ein weiterer Grund könnte darin gelegen sein, daß der Magistratsdirektor rechtswidrige Amtshandlungen geduldet habe. Diese beiden Spitzenbeamten des Magistrates hätten somit ein besonderes Interesse daran gehabt, daß der Ruhestandsversetzungsakt nicht den übrigen kontrollierenden Mitgliedern der belangten Behörde oder den Mitgliedern des kontrollbefugten Gemeinderates zur Kenntnis gelangt sei. Wenn nun der Bürgermeister als Vorsitzender den Gemeinderat uninformiert lasse und die Vorgangsweise des für die Vertraulichkeit verantwortlichen Berichterstatters im Sinne des § 24 der Geschäftsordnung der belangten Behörde dies decke und auch nicht dafür sorge, daß alle Mitglieder der belangten Behörde vom gesamten Akteninhalt Kenntnis erlangen könnten, dann sei dies aus Sicht des Beschwerdeführers Manipulation des Akteninhaltes. Da im Zuge der Wiederaufnahmeverfahren der belangten Behörde der Ruhestandsversetzungakt nie vorgelegt worden sei, hätte dem Bürgermeister bekannt sein müssen, daß damit "ein korrekter Beschluß des Wiener Stadtsentes im Sinne des § 21 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Wiener Stadtsenates nicht fingiert hätte werden können. Es hätte daher von einem korrekten Kollegialbeschluß in Anwendung der Fiktion des § 21 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Wiener Stadtsenates keine Rede sein können, die Mitglieder des Wiener Stadtsenates hätten aber über diese Vorgangsweise nicht sprechen dürfen, da ihnen Vertraulichkeit auferlegt worden sei". Zu diesen Schlußfolgerungen sei der Beschwerdeführer auf Grund eines Artikels in der Tageszeitung "MN" vom 21. Dezember 1991 gelangt, in dem mit "harten Verbalisierungen" wie "Willkürherrschaft und Kontrollverbot" berichtet worden sei. Damit liege aber nun das Eingeständnis vor, daß die bisherige Übung, die Akten des Ruhestandsversetzungsverfahrens den Sitzungen der belangten Behörde nicht beizuziehen und sich auf einen unvollständigen und daher verfälschenden Kurzbericht durch den Magistrat zu stützen, nicht mehr aufrecht zu erhalten wäre und werde diese rechtswidrige Vorgangsweise öffentlich eingestanden. Wenn in einem Kollegialorgan praktisch nur der Berichterstatter und der Vorsitzende entscheiden und außerdem eine Geschäftsordnung es ermögliche, daß wichtige Vorschriften des AVG umgangen werden könnten, dann lägen sogar erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Geschäftsordnung vor, sodaß schon auf Grund dessen die Neuaufrollung der bisherigen Wiederaufnahmeverfahren notwendig wäre.

Da der Beschwerdeführer der ihm nachweislich zugestellten Aufforderung, einige Bescheide zu bezeichnen, auf welche sich sein gegenständlicher Antrag auf Wiederaufnahme von Wiederaufnahmeverfahren bezüglich seines Ruhestandsversetzungsverfahrens beziehe, nicht nachgekommen sei, könne sich die gegenständliche Entscheidung nach der vorliegenden Aktenlage nur mit den bereits zitierten Bescheiden der belangten Behörde vom 15. Mai 1990, vom 12. März 1991 und vom 8. August 1991 befassen. Der auf den Beschluß des Stadtsenates vom 29. Oktober 1991, Pr.Z. 3279/91, gestützten Erledigung der Anträge des Beschwerdeführers vom 27. Dezember und 31. Dezember 1990, vom 21. Jänner, 28. Jänner, 11. April, 22. April, 27. Mai, 4. Juli und 16. Juli 1991, einschließlich der ergänzenden Schreiben, auf Wiederaufnahme des mit Bescheid der belangten Behörde abgeschlossenen Ruhestandsversetzungsverfahrens sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/12/0267, wegen der nicht leserlichen Beifügung des Namens des Genehmigenden die Bescheidqualität abgesprochen worden; es hätten daher diese Anträge hier außer Betracht zu bleiben gehabt.

Abgesehen von dem Umstand, daß die belangte Behörde die Wiederaufnahme eines Wiederaufnahmeverfahrens grundsätzlich für zulässig halte - wie bereits in dem vorher genannten erstangefochtenen Bescheid ausgeführt - weist die belangte Behörde bei Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers bereits eingangs darauf hin, daß dieses zum Teil in sich widersprüchlich und zum Teil einfach nicht nachvollziehbar ist. Wenn nämlich angeblich gar keine gültige Beschlußfassung im Bereich der belangten Behörde wegen mangelnder Akteneinsicht bzw. Aktenvorlage gegeben sei und daher gar kein Bescheid zustande gekommen sei, könne eine solche Erledigung auch nicht mit dem außerordentlichen Rechtsmittel einer Wiederaufnahme beseitigt werden. Darüberhinaus müsse festgehalten werden, daß das Recht auf Akteneinsicht ein Recht der Mitglieder der belangten Behörde darstelle und es sich dabei keineswegs um ein subjektiv-öffentliches Recht des Wiederaufnahmewerbers handle, das dieser in einem behördlichen Verfahren geltend machen könne. Abgesehen davon seien in den zur Prüfung anstehenden Fällen die für die Entscheidung maßgeblichen Aktenbestandteile zur Akteneinsicht vorgelegt worden und hätten die Mitglieder der belangten Behörde durchaus die Beischaffung weiterer Unterlagen verlangen können, wenn ihnen tatsächlich die vorgelegten Erledigungsentwürfe durch die angeschlossenen Akten nicht ausreichend gedeckt erschienen wären. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang immer wieder vorgebrachte Rechtsrüge basiere allerdings auf einer irrigen Auffassung über den tatsächlich maßgeblichen, zu seiner Ruhestandsversetzung führenden Sachverhalt. Für den Umstand der vollkommen ausreichenden Aktenvorlage anläßlich der Beschlußfassung durch den Stadtsenat sei vor allem maßgebend, daß es sich bei zwei der betroffenen Bescheide (15. Mai 1990 und 8. August 1991) zur Gänze und zum Teil auch beim dritten (12. März 1991) nur um Formalentscheidungen (Zurückweisung von Wiederaufnahmeanträgen gemäß § 69 Abs. 2 AVG) gehandelt habe, bei denen sich die maßgeblichen Entscheidungsgründe gar nicht aus dem Ruhestandsversetzungsakt hätten ergeben können. Aber auch was den zweiten Teil des Abspruches des Bescheides der belangten Behörde vom 12. März 1991 anlange, sei hier über die Untauglichkeit einer nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens getätigten gerichtlichen Zeugenaussage, einer gerichtlichen Entscheidung und einer Feststellung der gemeinderätlichen Personalkommission als Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG entschieden worden. Auch dieser Entscheidungsteil nehme keinerlei Bezug auf Fakten aus dem Ruhestandsversetzungsverfahren. Es bleibe sohin auch hier angesichts der geschilderten Grundlagen des Bescheides unerfindlich, welche anderslautende Entscheidung aus der Kenntnis des Ruhestandsversetzungsaktes hätte erfließen sollen. Was weiters den Artikel in der Tageszeitung MN vom 21. Dezember 1991 anlange, gehe aus diesem lediglich eine Kontroverse über die Modalitäten bei der Akteneinsicht hervor. Der Artikel bringe in seinem Inhalt keineswegs zum Ausdruck, daß den Mitgliedern der belangten Behörde die Akteneinsicht verweigert worden wäre. Damit stelle sich aber auch die Frage, welche Aussagekraft diese Artikel überhaupt in bezug auf die vom Wiederaufnahmewerber dargetanen Wiederaufnahmegründe haben sollten. Warum die Zusage des Bürgermeisters in diesem Zusammenhang, die Modalitäten der Akteneinsicht in Zukunft anders zu gestalten, auch ein Eingeständnis einer rechtswidrigen Vorgangsweise in bezug auf die Unterlassung der Vorlage des Ruhestandsversetzungsaktes anläßlich der Beschlußfassung der belangten Behörde über die angeführten Wiederaufnahmebescheide darstellen solle, müsse unverständlich bleiben. Dem Beschwerdeführer sei aber auch zu entgegnen, daß eine angeblich rechtswidrige Vorgangsweise beim bescheidmäßigen Abschluß eines Verwaltungsverfahrens für sich noch keinen Wiederaufnahmegrund abgebe, sondern vor dem Verwaltungsgerichtshof in einer Beschwerde hätte geltend gemacht werden müssen. Für eine Wiederaufnahme wären vielmehr nur die im § 69 Abs. 1 AVG genannten Gründe in Frage gekommen, in deren Richtung der Beschwerdeführer allerdings keine klaren Aussagen treffe. Bei der Bewertung der angegebenen Wiederaufnahmegründe stellten sich diese sicher nicht als neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG dar, welche allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Wiederaufnahmeverfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid in der Wiederaufnahmesache herbeigeführt hätten, sodaß nur der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG übrig bleibe, für den auch die Wortwahl des Beschwerdeführers ("Manipulation eines Akteninhaltes", "unvollständiger und daher verfälschender Kurzbericht" usw.) spreche. In Ansehung dieser Ausführungen des Beschwerdeführers wäre wohl nur eine Überprüfung seines Vorbringes auf Vorliegen einer strafbaren Handlung im Bereich der Behörde im Rahmen des § 302 StGB (Amtsmißbrauch) möglich gewesen. Gerade hinsichtlich der Erfüllung des Tatbildes dieser gerichtlich strafbaren Handlung hätten die vorgetragenen Ausführungen des Beschwerdeführers aber keine nachprüfbaren Anhaltspunkte ergeben, welche im angesprochenen Ruhestandsversetzungsverfahren maßgeblichen Verwaltungsvorschriften in Schädigungsabsicht mißachtet worden sein sollten, zumal der Beschwerdeführer hier eine kausale Verkettung vornehme, die zum Teil überhaupt nicht nachvollziehbar sei. Ein Verstoß gegen die von ihm zitierten Bestimmungen der Geschäftsordnung über den Wiener Stadtsenat könne aus seinen Ausführungen ebenfalls nicht erschlossen werden; seine diesbezügliche Auffassung fuße letztlich nur auf einer sehr eigenwilligen Interpretation dieser Normen. Als Indiz hiefür sei an dieser Stelle nur angeführt, daß die Geschäftsordnung des Wiener Stadtsenates die Einrichtung einer "besonderen Vertraulichkeit", die laut dem Vorbringen des Beschwerdeführers angeordnet worden sein sollte, gar nicht kenne, und auch dem Institut der "Vertraulichkeit" vom Beschwerdeführer eine extensive Bedeutung beigemessen werde, die durch keinerlei Anhaltspunkte gedeckt sei.

Wenn der Beschwerdeführer schließlich die Verfassungsmäßigkeit einzelner Bestimmungen der Geschäftsordnung der belangten Behörde bezweifle, so sei er darauf hinzuweisen, daß die belangte Behörde selbst bei Zutreffen dieser Behauptung gehalten gewesen sei, die kritisierten Regelungen anzuwenden. Dem Beschwerdeführer wäre es aber freigestanden, die Kritik zum Gegenstand einer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof zu machen.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden (I. undatiert, eingelangt am 5. Mai 1992, II. vom 1. Juli 1992), mit denen kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die genannten Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Behandlung verbunden und in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Nach § 69 Abs. 1 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

  1. 1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder
  2. 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahren voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, ....

Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist die Verfügung, ein bereits abgeschlossenes Verfahren neuerlich durchzuführen, weil - aus den im Gesetz genannten besonderen Gründen - die Richtigkeit der Sachentscheidung im ersten Verfahren in Frage gestellt erscheint.

Zutreffend legt die belangte Behörde in der Begründung des erstangefochtenen Bescheides dar, daß die für das außerordentliche Rechtsmittel der Wiederaufnahme maßgebende Bestimmung des § 69 Abs. 1 AVG in ihrem Einleitungssatz lediglich von "einem durch Bescheid abgeschlossenen Verfahren" ohne Anhaltspunkte für irgendeine Einengung der Zulässigkeit dieses außerordentlichen Rechtsmittels nur auf bestimmte Arten von Verwaltungsverfahren spricht. Im Gegensatz zu der Regelung für das außerordentliche Rechtsmittel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im § 71 Abs. 5 AVG, nach dem die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages unzulässig ist, enthalten die §§ 69 und 70 AVG keine vergleichbare Regelung. Die Wiederaufnahme eines mit Bescheid abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahrens ist daher zulässig. Der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund muß sich auf das abgeschlossene Wiederaufnahmeverfahren als solches beziehen; er muß aber - im Hinblick auf die Funktion des Wiederaufnahmeverfahrens als außerordentlicher Rechtsbehelf zur Erlangung einer richtigen Sachentscheidung - den Verfahrensgegenstand des zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren insoweit betreffen, als dadurch zumindest die Möglichkeit gegeben sein muß, die Richtigkeit der Sachentscheidung im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren in Frage zu stellen.

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid als "Beschwerdepunkt" vor:

"Durch die Beschwerde meinerseits vom 1.2.1992 in der Sache Zl. 92/12/0033 ist der Bescheid des Wr. Stadtsenats vom 10.2.1992 (damit auch der vom Spruch erfaßte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens vom 16.7.1991) verfahrensrechtlich verfangen und somit einer Verfügung derart, daß eine fehlende Begründung nunmehr für den Teilantrag vom 16.7.1991 nachgereicht werden könnte, entzogen. Dagegen spricht der Verfahrensgrundsatz "ne bis in idem" (normiert in § 68 Abs. 1 AVG 199)

Über den WA-Antrag vom 16.7.1991 liegen somit zwei Bescheide vor (ersterer vom 10.2.1992 ohne inhaltliche Begründung) der nunmehrige Bescheid vom 28.4.1992 Pr.Z. 1321/92 allerdings mit Begründung.

Unter der Prämissenannahme, daß den Bescheidkonzipienten nunmehr auf Grund meiner Beschwerde zur Zl. 92/12/0033 das Fehlen einer Begründung für die Abweisung des WA-Antrages vom 16.7.1991 aufgefallen war, stellt die nunmehrige Begründung durch den Bescheid vom 28.4.1992 PR.Z. 1321/92 impliziert die Anerkennung meines Beschwerdegrundes in dem Beschwerdeverfahren Zl. 92/12/0033 in Bezug auf den WA-Antrag vom 16.7.1991 dar. Die Begründung des Bescheides vom 28.4.1992, Pr.Z. 1321/92 ist in bezug auf das Beschwerdeverfahren 92/12/0033 eine nachträgliche (unzulässige) Neuerung.

Dies zum Formalen, daß Bescheide von der Behörde bei Erlassung auch zu begründen sind.

Was die Begründung des nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheides anlangt, so ist festzuhalten, daß die Bewertung des Bescheidkonzeptsbeamten der MA 58, die nunmehr vom

Wr. Stadtsenat wiederum unüberprüft übernommen wurde (es hätte auffallen müssen, daß schon mit Bescheid vom 29.10.1991 und mit Bescheid vom 10.2.1992 in der Sache über den Antrag spruchgemäß abgesprochen worden war), wonach der Antrag lediglich auf den Erschleichungstatbestand gestützt worden sei, mit der im WA-Antrag zugrundegelegten Sachverhaltsdarstellung unverträglich ist. Geltend gemacht wurden alle Wiederaufnahmegründe des AVG, § 69 Abs. 1 lit. a und b. Die von mir angeschnittene Frage, die von der belangten Behörde selbstverständlich in parteiischer Hinsicht gelöst wird (wenn sie in anderer Hinsicht Verfahrenspartei vor dem VwGHf ist), läuft daraufhinaus, wie der VwGHf ein aktenkundig feststehendes Verhalten eines Beamten des Wr. Magistrats bewertet, welcher gegenüber dem Wr. Stadtsenat behauptet, den Penisonierungsakt nicht vorlegen zu müssen, daß dieser rechtlich nicht relevant sei, wenn es bloß um die Wiederaufnahme des Pensionierungsverfahrens ginge, (und diese Aussage stammt von einem rechtskundigen Beamten der Dienstklasse IX und wurde von den Spitzenbeamten des Magistrats (Magistratsdirektor und Magistratsvizedirektor) mitgetragen (siehe genehmigenden Unterschriften auf den Vorlageberichten ). Da wurde schon mit der Unkenntnis von Verfahrensvorschriften der Stadtsenatsmitglieder (oder mit deren Überlastung und Unmöglichkeit, selbst den Akt zu prüfen) spekuliert. Dies ist die Schlußziehung aus diesen aktenkundigen Tatsachen und meinem sonstigen Insiderwissen als langjähriger Beamter des Wr. Magistrats."

In der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid bringt der Beschwerdeführer im wesentlichen unter Vorlage von Zeitungsartikeln vor, es sei in ihm die "Vermutung aufgekommen, daß nicht alle Mitglieder vor Beschlußfassung über die erlassenen Bescheide Kenntnis vom umfangreichen Akt erlangt haben können".

Der den Wiederaufnahmeanträgen des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens entscheidene Verfahrensgegenstand des zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens ist die Frage der Dienstfähigkeit des Beschwerdeführers gewesen, die nicht in Einzelfakten, sondern in seiner Haltung gesehen worden ist. Ungeachtet dessen, daß zumindest ein Teil der Wiederaufnahmeverfahren, deren Wiederaufnahme vom Beschwerdeführer begehrt wird, beim Verwaltungsgerichtshof anhängig waren bzw. sind und unvorgreiflich einer Entscheidung in den letztgenannten Verfahren, ist dem nunmehrigen Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen, daß hinsichtlich der den angefochtenen Entscheidungen zugrundeliegenden Wiederaufnahmeverfahren im Rahmen des Verfahrensgegenstandes diesbezüglich eine konkret damit im Zusammenhang stehende strafbare Handlung oder neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen wären (vgl. auch Erkenntnis vom heutigen Tage Zlen. 92/12/0048, 0099).

Da dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht zu entnehmen ist, daß die neuerlichen Wiederaufnahmeanträge mit dem zugrundeliegenden Verfahrensgegenstand in einer solchen Beziehung stehen, daß im Sinne der vorstehenden Ausführungen unter Berücksichtigung der Besonderheit des vorliegenden Falles überhaupt die Möglichkeit besteht, die Richtigkeit der Sachentscheidung im zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren (Wiederaufnahmeverfahren) in Frage zu stellen, ist der Beschwerdeführer durch die von ihm angefochtenen Bescheide nicht in einem Recht verletzt worden und waren die Beschwerden daher gemäß § 35 VwGG iVm § 42 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Fortsetzung des BETREFF

I. den Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 28. April 1992, Pr.Z. 1321/92, betreffend den Antrag vom 16. Juli 1991 auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 12. März 1991, Pr.Z. 628/91, abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahrens betreffend das mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989, Pr.Z. 2013/89 abgeschlossene Ruhestandsversetzungsverfahren, und II. den Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 16. Juni 1992, Pr.Z. 1917/92, betreffend den Antrag des Beschwerdeführers vom 30. Dezember 1991 auf Wiederaufnahme aller bis zum 30. Dezember 1991 mit Bescheiden des Wiener Stadtsenates abgeschlossenen Wiederaufnahmeverfahren betreffend das mit Bescheid des Wiener Stadtsenates vom 11. Juli 1989 abgeschlossene Ruhestandsversetzungsverfahren,

zu Recht erkannt:

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