Normen
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Gemäß § 46 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Mit Berichterverfügung vom 21. Jänner 1992, Zl. 91/08/0193-2, wurde dem Beschwerdeführer eine Frist von drei Wochen zur Behebung näher angeführter Mängel der zur genannten Zahl eingebrachten Beschwerde gesetzt. Diese Verfügung wurde dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 7. Februar 1992 zugestellt.
Innerhalb der somit am 28. Februar 1992 abgelaufenen Frist kam der Beschwerdeführer dem Mängelbehebungsauftrag nicht nach; der diesbezügliche, mit 2. März 1992 datierte Schriftsatz wurde vielmehr erst an diesem Tag zur Post gegeben und langte beim Verwaltungsgerichtshof am 4. März 1992 ein.
Mit dem vorliegenden, am 10. März 1992 zur Post gegebenen Antrag begehrt der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der genannten Frist mit folgender - für die Erledigung des Antrages wesentlicher - Begründung:
Die Kanzleiangestellte des Rechtsvertreters Anna W. habe nach Einlangen der Berichterverfügung am 7. Februar 1992 in der Rechtsanwaltskanzlei das Ende der dreiwöchigen Frist richtig vorgemerkt. Als sie am 28. Februar 1992 den Kalender kontrolliert und die Eintragung der Frist mit der Berichterverfügung verglichen habe, habe sie irrtümlich ihr Augenmerk nicht auf die ausgeschriebene Zahl "3" (in der Wendung "Frist von drei Wochen"), sondern auf die Zahl "4" (in der Wendung "in vierfacher Ausfertigung") gerichtet, die sie schon vorher mit einem Kästchen versehen gehabt habe, damit nicht übersehen werde, die Eingabe vierfach einzubringen. Dies habe in ihr die falsche Vorstellung erweckt, die Frist wäre ohnedies am 28. Februar 1992 noch nicht zu Ende. Sie habe daher die Frist gestrichen und für den 2. März 1992 neuerlich eingetragen. Eine Ausschöpfung der vermeintlichen vierwöchigen Frist sei nicht notwendig gewesen, weil sie aus der Bearbeitung des Posteinlaufes und der Kontrolle gewußt habe, daß die Mandantschaft dem Ersuchen des Rechtsanwaltes vom 10. Februar 1992 (das der Behebung der Mängel gedient habe) bereits nachgekommen gewesen sei. Deshalb habe der Rechtsanwalt den Schriftsatz zur Mängelbehebung erst am 2. März 1992 diktiert und sei dieser Schriftsatz von der Kanzleiangestellten erst an diesem Tag geschrieben und zur Post gegeben worden. Die Kanzleiangestellte Anna W. sei seit 2. Jänner 1982 in der Kanzlei des Rechtsvertreters beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehöre die Kontrolle des Posteinlaufes und die Vormerkung der Fristen. Sie habe bisher ihre Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit wahrgenommen. Es erfolgten regelmäßig stichprobenartige Kontrollen und es habe die Kanzleiangestellte die Fristen jahrelang richtig eingetragen. Die Eintragung erfolge in einen großen Kalender, der täglich kontrolliert werde.
Das Vorbringen des Wiedereinsetzungswerbers wurde durch eine eidesstättige Erklärung der Kanzleiangestellten glaubhaft gemacht.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem den Beschluß vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/12/0238, mit weiteren Judikaturhinweisen) ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht (mit dem im zitierten Beschluß näher umschriebenen Inhalt) jenem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.
Im vorliegenden Fall ist, ausgehend vom glaubhaft gemachten Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag, dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers keine die Versäumung der Frist bewirkende Verletzung der Überwachungspflicht anzulasten. Denn der Rechtsanwalt hätte das (die Versäumung der Frist bewirkende) Fehlverhalten der Kanzleiangestellten nur dann rechtzeitig feststellen können, wenn er noch am 28. Februar 1992 die (korrigierte) Fristeintragung überprüft hätte. Die Unterlassung einer solchen Überprüfung dem Rechtsanwalt als Verschulden anzulasten, liefe darauf hinaus, von ihm zu fordern, jede der einzelnen Eintragungen in den Fristenvormerken auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Dies ist aber einem Rechtsanwalt bei einer bereits 10 Jahre lang als Kanzleibedienstete beschäftigten Angestellten nicht zumutbar.
Dem Wiedereinsetzungsantrag, der die übrigen vom Gesetz gestellten Voraussetzungen erfüllt, war daher stattzugeben.
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