VwGH 91/19/0342

VwGH91/19/034216.12.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des I in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 1. Oktober 1991, Zl. Frb-4250/91, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
EMRK Art8 Abs2;
AsylG 1968 §5 Abs1;
FrPolG 1954 §3 Abs1 idF 1987/575;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
FrPolG 1954 §3 Abs3 idF 1987/575;
EMRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 1. Oktober 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 31. Dezember 1996 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am 8. August 1990 beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul einen Antrag auf Ausstellung eines Sichtvermerkes mit einer Gültigkeitsdauer von drei Monaten gestellt. Als Reisezweck sei "Besuchsreise" angegeben worden. Der beantragte Sichtvermerk sei erteilt worden. Der Beschwerdeführer sei am 24. August 1990 nach Österreich eingereist und halte sich seither in G auf. Mit Antrag vom 5. April 1991 habe er bei der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch einen Asylantrag gestellt und darin vorgebracht, er sei in den letzten Jahren vor der Matura Mitglied einer verbotenen politischen Studentenverbindung gewesen; unmittelbar vor der Stellung des Asylantrages habe er erfahren, daß es bezüglich der Mitglieder der Studentenverbindung in der Türkei zu einer Verhaftungswelle gekommen sei; im Falle der Rückkehr in die Türkei müsse er mit seiner Verhaftung und Bestrafung rechnen.

Auf Grund der Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftichen Vernehmung vom 22. April 1991 sei festzustellen, daß er anläßlich seines Antrages auf Erteilung eines Sichtvermerkes unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes in Österreich gemacht habe. Er habe von vornherein die Absicht gehabt, nicht mehr in die Türkei zurückzukehren. Dazu komme, daß sich der Beschwerdeführer jedenfalls vom 8. November 1990 bis 5. April 1991 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe und deshalb wegen der Übertretung nach § 14b Abs. 1 Z. 4 Fremdenpolizeigesetz rechtskräftig bestraft worden sei.

Auf Grund der vom Beschwerdeführer gezeigten Verhaltensweisen sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten. Von einer Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet könne im Hinblick auf die Kürze des Aufenthaltes nicht gesprochen werden. Zu berücksichtigen sei zwar, daß sich die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich aufhalten, doch müsse davon ausgegangen werden, daß der volljährige Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat für seinen Lebensunterhalt sorgen könne. Eine berufliche Beeinträchtigung könne durch das Aufenthaltsverbot nicht bewirkt werden, weil für den Beschwerdeführer keine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei. Die Angaben des Beschwerdeführers betreffend seine politische Verfolgung in seiner Heimat seien nicht glaubwürdig, zumal er weder den Namen der Studentenverbindung genannt habe, noch irgendwelche Nachweise betreffend seine Mitgliedschaft bzw. die politische Verfolgung der Mitglieder vorgelegt habe. Der Asylantrag sei eingebracht worden, um eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu erlangen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

  1. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;
  2. 3. die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft die Feststellung der belangten Behörde, er habe gegenüber dem österreichischen Generalkonsulat in Istanbul unrichtige Angaben gemacht, und führt in diesem Zusammenhang aus, er habe damals noch nicht wissen können, "daß es kurze Zeit später zu einer Verhaftungswelle bezüglich der Studentenorganisation kommen würde".

Mit diesen Ausführungen bringt der Beschwerdeführer keine Argumente gegen die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde vor. Diese hat ihre Feststellung auf die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 22. April 1991 gestützt, wonach er bereits im August 1990 gewußt habe, daß er nicht mehr in die Türkei zurückkehren wolle. Daß der Beschwerdeführer - wie er behauptet - erst unmittelbar vor der Einbringung des Asylantrages von einer Verhaftungswelle erfahren habe, schließt nicht aus, daß er im August 1990 gegenüber dem österreichischen Generalkonsulat in Istanbul unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat.

2.2. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid unter anderem deshalb für rechtswidrig, weil über seinen Asylantrag noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Gegen den abweisenden Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 8. Juli 1991 habe er Berufung an den Bundesminister für Inneres erhoben, über die bisher noch nicht entschieden worden sei.

Diesen Ausführungen liegt offenbar die Überlegung zugrunde, daß der Beschwerdeführer mit der Stellung des Asylantrages die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 5 Abs. 1 Asylgesetz erworben habe und diese die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig mache. Der Beschwerdeführer ist mit seiner Ansicht aber schon deshalb nicht im Recht, weil auch dann, wenn - im Gegensatz zu den Feststellungen der belangten Behörde - davon ausgegangen werden müßte, der Beschwerdeführer habe innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem er von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt habe, den Asylantrag gestellt, sodaß ihm die vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz zukomme, die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht rechtswidrig wäre. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nämlich selbst dann zulässig, wenn der Fremde gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz zum vorläufigen Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1991, Zl. 91/19/0240). In diesem Fall kommt ihm die Rechtswohltat des zweiten Halbsatzes des § 5 Abs. 2 Asylgesetz zu.

3. Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, daß die belangte Behörde bei der gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig gehandelt hätte. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ist zu kurz, um zu seinen Gunsten ins Gewicht zu fallen, abgesehen davon, daß jedenfalls ein Teil dieses Aufenthaltes unrechtmäßig war und daher bei der Interessenabwägung außer Betracht zu bleiben hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. April 1991, Zl. 91/19/0011). Damit ist auch das Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers gering anzusetzen, zumal für ihn nach der Aktenlage keine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde. Der Tatsache, daß die Eltern des Beschwerdeführers in Österreich leben, hat die belangte Behörde im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer bis zur Erlangung seiner Volljährigkeit in der Türkei gelebt hat, mit Recht nicht entscheidendes Gewicht beigemessen. Auf Grund der Tatsache, daß der Beschwerdeführer mangels Vorliegens einer Beschäftigungsbewilligung für ihn nach der Aktenlage keinen Beruf ausübt, kann er durch das Aufenthaltsverbot in seinem beruflichen Fortkommen in Österreich nicht beeinträchtigt werden. Daß der Beschwerdeführer in Österreich bessere Fortbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten als in seinem Heimatstaat hat, ist im Rahmen der Interessenabwägung nach § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz nicht von wesentlicher Bedeutung.

4. Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen (zu hg. Zl. AW 91/19/0095 protokollierten) Antrag, der Beschwerde gemäß § 30 Abs. 2 VwGG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte