VwGH 91/15/0069

VwGH91/15/006914.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Lebloch, über die Beschwerde der X-GmbH in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 18. April 1991, Zlen. 6/2-2035/90-03, 6/2-2085/88-03, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1984 bis 1987, zu Recht erkannt:

Normen

UStG 1972 §10 Abs2 Z13 lita;
UStG 1972 §10 Abs2 Z18;
VwRallg;
UStG 1972 §10 Abs2 Z13 lita;
UStG 1972 §10 Abs2 Z18;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und aus dem ihr in Ablichtung angeschlossenen angefochtenen Bescheid geht hervor, daß im Beschwerdefall einzig die Rechtsfrage strittig ist, ob auf die Umsätze der Beschwerdeführerin im Streitzeitraum insoweit der ermäßigte Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z. 13 lit. a bzw. Z. 18 UStG 1972 anzuwenden ist, als die Beschwerdeführerin "Peep Shows" bzw. gleichartige Darbietungen zur Betrachtung in "Solokabinen" veranstaltet.

Die belangte Behörde hat diese Umsätze im angefochtenen Bescheid dem Normalsteuersatz unterzogen und dies im wesentlichen wie folgt begründet:

1. ZU § 10 ABS 2 Z. 13 LIT A USTG 1972:

Diese Gesetzesstelle begünstige neben Theateraufführungen im engeren Sinn auch Varietes, Kleinkunst- und Kabarettheater, Studiobühnen, Heimatbühnen, Vorführungen von pantomimischen Werken und Werken der Tanzkunst sowie Puppen- und Marionettenspiele, Schattenspiele und dergleichen. Auch wenn der Begriff "Theatervorführungen" nach Sinn und Zweck der Begünstigungsvorschrift extensiv auszulegen sei, dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß für die Schaffung der Begünstigungsbestimmungen des § 10 Abs. 2 Z. 13 bis 18 UStG 1972, also für verschiedene Leistungen des Kultur- und Unterhaltungsbereiches, primär bildungs- und kulturpolitische Gründe maßgeblich gewesen seien (vgl. zu allen diesen Fragen Kranich/Siegl/Waba, Kommentar zur Mehrwertsteuer, § 10, Tz. 258 und 260). Es sei daher davon auszugehen, daß es sich bei den nach § 10 Abs. 2 Z. 13 lit. a UStG 1972 begünstigten Leistungen um solche handeln müsse, die im Nahbereich jener Leistungen angesiedelt seien, die von Theatern üblicherweise erbracht würden. Allen genannten Veranstaltungen sei gemeinsam, daß deren Darbietungen geeignet seien, zusammenhängende Handlungen bzw. szenische Inhalte wiederzugeben oder Gedankeninhalte durch Mimik oder Bewegung optisch darzustellen. Die beschwerdegegenständlichen Leistungen einer "Peep Show", gleichgültig, ob hiezu eine Drehbühne verwendet werde oder nicht, seien aber ungeeignet, derartige Inhalte zu vermitteln. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem zum Wiener Veranstaltungsgesetz ergangenen Erkenntnis vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/01/0187, ausgeführt habe, verfolgten die Darbietungen lediglich den Zweck, durch "eine Abfolge von Auftritten unbekleideter Laientänzerinnen vor einem auf geschlossene Kabinen aufgeteilten Publikum durch bewegte Darstellungen den Betrachter sexuell zu animieren". Schon aus dem allgemeinen Sprachgebrauch des Wortes "Peep Show" könne unzweifelhaft abgeleitet werden, daß diese mit einem (begünstigten) Variete nichts gemein habe. Daraus sei auch der Schluß abzuleiten, daß die Darbietungen der "Laientänzerinnen" schon vom umschriebenen Wesen der "Peep Show" her eine Bewertung als Tanzvorführungen nicht zuließen. Dies umsomehr, als es sich bei den Vorführungen offensichtlich um einfache, von jedem körperlich einigermaßen Tüchtigen erlernbare Bewegungsabläufe handle, die auch mit der Darstellung pantomimischer Werke nicht auf eine Stufe gestellt werden könnten. Die als Tänzerinnen bezeichneten Frauen benötigten nämlich keinerlei Ausbildung und verfügten fraglos nicht über die von einer Tänzerin geforderten Fähigkeiten, was schon dadurch erhärtet werde, daß die Beschwerdeführerin anläßlich einer Anfrage betreffend die steuerliche Behandlung der "Peep Girls" ausgeführt habe, diese seien durch Zeitungs-Inserate angeworben worden und in der Folge unter einem anonymen Künstlernamen aufgetreten, wobei die branchenübliche Beschäftigungsdauer sechs Tage nicht überschreite. Eine derartige Fluktuation spreche aber keinesfalls für einen höheren Ausbildungsgrad der Akteurinnen und schon gar nicht für die Möglichkeit, sich während dieser Zeit mehr als nur ein paar eindeutige Körperbewegungen anzueignen. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß bei diesen Shows sehr wohl thematische Inhalte bzw. szenische Abläufe dargestellt würden, die auch nach dem herkömmlichen Schema (Beginn - Steigerung bis zum Höhepunkt - Ende) gestaltet seien, und daß es in der modernen Form der Darstellung immer mehr auf das persönliche Agieren und Wirken des Darstellers ankomme, sodaß auf herkömmliche Bühnenbildgestaltung gänzlich verzichtet werden könne, damit der Darsteller alleine im Mittelpunkt des Geschehens stehe, um so den Eindruck zu erwecken, die Erwartungen jedes einzelnen Zusehers nur für diesen allein zu erfüllen, sei in dieser Allgemeinheit in keiner Weise dazu geeignet, die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 2 Z. 13 lit. a UStG 1972 zu erweisen.

2. ZU § 10 ABS. 2 Z. 18 USTG 1972:

Die Veranstaltungen der Beschwerdeführerin stellten weder Zirkusvorführungen noch auch Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller dar. Bei den Schaustellern handle es sich nach dem Sprachgebrauch um Personen, die gewerbsmäßig Jahrmärkte und Volksfeste mit ihrem der Unterhaltung und Belustigung dienenden Unternehmen beschickten. Obwohl derartige Gewerbe meist im Umherziehen ausgeübt würden, könne die Zuerkennung des begünstigten Steuersatzes nicht allein deshalb verweigert werden, weil das Schaustellergewerbe in einer ortsgebundenen festen Anlage ausgeübt werde. Allerdings sei es für den Fall des ortsgebundenen Schaustellergewerbes erforderlich, daß dieses zusammen mit einer Vielzahl verschiedener anderer Belustigungsunternehmen betrieben werde, sozusagen im Rahmen eines ständigen Jahrmarktes. Dies ergebe sich auch aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. September 1985, Zl. 84/15/0073.

Eine derartige, für jegliche ortsgebundene Tätigkeit als Schausteller zu fordernde Vielfalt von Schaustellungen sei aber im vorliegenden Fall nicht gegeben. Bei den "Peep Shows" handle es sich nämlich um Darbietungen, die von einem Gewerbebetrieb erbracht würden, der keinerlei Verbund mit anderen Beteiligungsunternehmen aufweise, weshalb auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, diese Tätigkeiten seien jenen der Schausteller gleichzuhalten, einer hinlänglichen Begründung entbehre. An dieser Beurteilung ändere auch die Tatsache nichts, daß jeder Besucher jeweils bei Betreten des Geschäftslokales zwischen dem Besuch der "Peep Show", einer gleichartigen Darbietung in einer Solokabine und dem Besuch einer Videokabine - Leistungen der letztgenannten Art sind im Beschwerdefall nicht streitgegenständlich - auswählen könne, denn von einer Vielfalt der Tätigkeiten in der oben umschriebenen Art könne in diesem Fall nicht die Rede sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. ZU § 10 ABS. 2 Z. 13 LIT. a USTG 1972:

Die Beschwerdeführerin vertritt die Rechtsansicht, der Begriff "Theatervorführungen" sei nach Sinn und Zweck so weit auszulegen, daß die Veranstaltungen "Peep Show" und "Solokabine" ebenfalls davon umfaßt seien. Die genannten Veranstaltungen seien dem Unterhaltungsbereich zuzuordnen. Der jeweilige Betrachter werde durch "Tänzerinnen" unterhalten, die sich nicht bloß entkleideten und einfachste Bewegungsabläufe ausführten, sondern den Betrachtern Unterhaltung "durch rhythmische Bewegungen und durch die Darstellung von Praktiken und Verhaltensweisen aus dem Gebiet der zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere der geschlechtlichen Beziehungen in szenischer Abfolge", böten. Die Darstellung derartiger Beziehungen sei auch im Theater keineswegs unüblich. Die konzentrierte, auf Unterhaltung ausgerichtete Darstellung in den "Peep Shows" und in den Solokabinen durch die "Tänzerinnen" liege daher jedenfalls im "Nahbereich" des Theaters. Auch die vergleichsweise große Fluktuation der "Tänzerinnen" und ihre vergleichsweise nur kurze Ausbildung spräche nicht gegen diese Beurteilung, zumal bei der Auswahl der "Tänzerinnen" aus der Vielzahl von Bewerberinnen jeweils das natürliche Bewegungs- und Darstellungstalent berücksichtigt werde.

Dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 10 Abs. 2 Z. 13 lit. a UStG 1972 unterliegen Leistungen, die regelmäßig mit dem Betrieb eines Theaters verbunden sind. Das gleiche gilt sinngemäß für Veranstaltungen von Theateraufführungen durch andere Unternehmer.

Ob die in Rede stehenden Veranstaltungen der Beschwerdeführerin gemäß dieser Gesetzesstelle begünstigt sind, hängt von der Reichweite des Begriffes "Theater" ab. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet dieser Begriff die Gesamtheit der darstellenden Künste (Schauspiel, Oper, Operette, Ballett) sowie das Gebäude für die Vorführung (Der Große Brockhaus16); Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 23, definiert den Begriff in erster Linie als szenische Darstellung eines äußeren oder inneren Geschehens auf einer Bühne, wobei diese Darstellung sowohl mit Hilfe künstlicher Figuren (Puppenspiel, Schattenspiel) als auch durch Menschen (professionelle Schauspieler, Sänger, Tänzer und Alleindarsteller) erfolgen kann. Zur letzteren Form gehören sowohl die wortlose Pantomime, lebende Bilder, das Ballett, das gesprochene Schauspiel, musikalische Spielformen (Oper, Operette, Singspiel, Musical, Musiktheater), nichtliterarische Formen wie der Mimus und das Stegreifspiel sowie die verschiedenen Formen des Laientheaters (Laienspiel).

Daß die Durchführung einer "Peep Show" keine "Theateraufführung" darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 10. Dezember 1986, Zl. 85/01/0187, zum Ausdruck gebracht. In jenem Erkenntnis hat der Gerichtshof, ausgehend von der allgemein-sprachlichen Bedeutung des Ausdruckes "Peep Show" - zitiert nach Duden, Das Fremdwörterbuch, 1982, S. 574: "eine als sexuell stimulierend gedachte Form des Sich-nackt-zur-Schau-Stellens von Frauen (seltener jüngeren Männern), die jeweils einzeln in einem Raum durch Gucklöcher von mehreren Personen (Männern) gleichzeitig aus verschiedenen Einzelkabinen (meist zur Masturbation) betrachtet werden, wobei durch Einwurf von Münzen o.ä. für eine bestimmte Zeit das Guckloch geöffnet wird" -, die Rechtsansicht der damaligen Beschwerdeführerin abgelehnt, daß eine solche Show als "Varietevorführung oder als varieteartige Veranstaltung" zu qualifizieren ist. Von dieser Bedeutung des Wortes "Peep Show" ging der Verwaltungsgerichtshof auch in seinem zum Wiener Vergnügungssteuergesetz ergangenen Erkenntnis vom 5. Juni 1991, Zl. 88/17/0155, aus.

Auf Grund dieser Rechtsprechung, von der abzugehen der vorliegende Beschwerdefall keinen Anlaß bietet, sind daher die in Rede stehenden Umsätze der Beschwerdeführerin nicht gemäß § 10 Abs. 2 Z. 13 lit. a UStG 1972 begünstigt.

2. ZU § 10 ABS. 2 Z. 18 USTG 1972:

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin wird von ihr deswegen eine Vielfalt von Schaustellungen und Belustigungen geboten, weil "jeder Besucher bei Betreten des Geschäftslokales zwischen unterschiedlichen Belustigungsmöglichkeiten in der Peep Show, den Solokabinen und dem Besuch von Videokabinen auswählen kann".

Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 18 UStG 1972 gilt für Zirkusvorführungen sowie für die Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller der begünstigte Steuersatz.

Eine Zirkusvorführung liegt im Beschwerdefall keinesfalls vor. Da aber die gegenständlichen Darbietungen nicht der Unterhaltung bzw. Belustigung, sondern zumindest überwiegend der sexuellen Stimulation der Zuseher dienen, scheidet nach Ansicht des Gerichtshofes auch eine Wertung als Schaustellerei aus. Die in Rede stehenden Leistungen der Beschwerdeführerin sind daher auch nicht gemäß § 10 Abs. 2 Z. 18 UStG 1972 begünstigt.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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