VwGH 91/13/0122

VwGH91/13/012215.9.1993

Der VwGH hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des Präsidenten der FLD für Wien, NÖ und Bgld gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 17. 12. 1990, Zl. GZ 6/2 - 2128/88-06, Berufungssenat II, betr Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. 1. der Jahre 1986 und 1987 sowie Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. 1. 1986 und 1987 der mitbet Partei H-AG in W, vertr durch Dr. A, RA in W, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §192;
BAO §252 Abs1;
BAO §295;
BewG 1955 §6 Abs1;
BewG 1955 §64 Abs1;
BewG 1955 §65 Abs1;
BAO §192;
BAO §252 Abs1;
BAO §295;
BewG 1955 §6 Abs1;
BewG 1955 §64 Abs1;
BewG 1955 §65 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen die Bescheide des Finanzamtes betreffend Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner der Jahre 1986 und 1987 sowie Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner 1986 und dem 1. Jänner 1987 statt und änderte diese Bescheide im Sinne des Berufungsbegehrens ab.

Die Berufung der mitbeteiligten Partei hatte im schließlich aufrecht erhaltenen Umfang geltend gemacht, daß das Finanzamt in den Einheitswertbescheiden zu den Stichtagen 1. Jänner 1986 und 1. Jänner 1987 den Einheitswert einer längst veräußerten Liegenschaft zu Unrecht als Vermögenspost angesetzt und im Einheitswertbescheid zum Stichtag 1. Jänner 1986 die Körperschaftsteuer 1985 verfehlterweise unter Berücksichtigung der Tarifermäßigung für Ausschüttungen als Schuldpost angesetzt habe; im Zuge des Berufungsverfahrens hatte die mitbeteiligte Partei darüber hinaus begehrt, die Rückstellung für noch nicht konsumierte Urlaubsansprüche einschließlich der damit verbundenen Lohnnebenkosten zum Stichtag 1. Jänner 1986 mit einem Betrag von S 6,854.291,-- anstatt der in der Bilanz ausgewiesenen Höhe von S 3,423.157,-- und zum Stichtag 1. Jänner 1987 in Höhe von S 7,610.141,-- anstatt von S 4,295.066,-- (richtig wohl: S 4,115.719,--) als Schuldposten anzuerkennen.

Gegen den Berufungsbescheid richtet sich die Beschwerde des Präsidenten mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise jenem infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet und in dieser die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die mitbeteiligte Partei tritt dem beschwerdeführenden Präsidenten zunächst mit dem Hinweis darauf entgegen, daß die Bescheide über die Festsetzung der Vermögensteuer und des Erbschaftssteueräquivalents ab dem 1. Jänner der Jahre 1986 und 1987 als abgeleitete Bescheide anzusehen seien, welche sich einer gesonderten Anfechtung entziehen würden. Dieser Hinweis trifft zu, spricht aber nicht gegen die Zulässigkeit der Präsidentenbeschwerde im aufgezeigten Umfang, sondern für ihre Berechtigung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. September 1987, Zl. 87/13/0003). Daß die belangte Behörde der Berufung der mitbeteiligten Partei gegen die Bescheide des Finanzamtes betreffend Vermögensteuer und Erbschaftssteueräquivalent ab dem 1. Jänner der Jahre 1986 und 1987 aufgrund der lediglich gegen den Feststellungsbescheid betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens zu diesen Stichtagen gerichteten Einwendungen Folge gegeben hat, belastet den angefochtenen Bescheid in diesem Umfang schon aus dem Grunde des § 252 Abs. 1 BAO mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Der beschwerdeführende Präsident wendet sich im Zentrum seiner Beschwerdeausführungen gegen die von der belangten Behörde entschiedene Anerkennung der mit Rückstellungen für nicht verbrauchte Urlaube von Arbeitnehmern verbundenen Lohnnebenkosten als Schuldpost in der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens. Diese, den Hauptstreitpunkt des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildende Frage hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1992, 92/15/0177, ÖStZB 1993, 371, dahin beantwortet, daß solche lohnabhängige Nebenkosten der Verbindlichkeiten aus Urlaubsansprüchen von Arbeitnehmern bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens nicht als Schuldpost zu berücksichtigen seien, weil die Ansprüche der öffentlichen Hand anläßlich der Auszahlung von Urlaubsentgelten - anders als die Verbindlichkeiten aus den Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer selbst - zum Stichtag noch nicht entstanden seien.

Der Verwaltungsgerichtshof verweist gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Gründe dieses Erkenntnisses; er sieht sich weder durch die von der mitbeteiligten Partei ins Treffen geführten Argumente noch durch die im Schrifttum am hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1992, 92/15/0177, ÖStZB 1993, 371, geübte Kritik (Kotschnigg, Lohnnebenkosten bei der Einheitsbewertung nun doch nicht abziehbar, ÖStZ 1993, 123 f) zu einem Abgehen von der in diesem Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht veranlaßt.

Daß die bewertungsrechtliche Beurteilung der vom Streit betroffenen Kosten nicht nach § 64 Abs. 2 BewG 1955, sondern nach der Bestimmung des ersten Absatzes dieses Paragraphen vorzunehmen ist, steht zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Ergebnis zutreffend außer Streit. Die vom beschwerdeführenden Präsidenten in seiner Beschwerdeschrift eingehend dargestellte rechtliche Beurteilung, daß die unter dem Sammelbegriff "Lohnnebenkosten" im einzelnen dem Arbeitgeber erwachsenden Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Urlaubsverbrauch seiner Arbeitnehmer erst nach dem Bewertungsstichtag rechtlich entstehen, ist richtig. Weder Hofians (Steuerliche Behandlung von Urlaubsrückstellungen, ÖStZ 1986, 253 ff, derselbe ebenso auch in WBl 1989, 365 f, Rückstellungen für Urlaubsansprüche im Einheitswert des Betriebsvermögens) noch die oben erwähnte Kritik am hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1992, 92/15/0177, ÖStZB 1993, 371, noch die mitbeteiligte Partei wissen dem Triftiges entgegenzusetzen.

Einer Berücksichtigung der Lohnnebenkosten als Schuldpost aus dem von der mitbeteiligten Partei betonten Akzessorietätscharakter dieser Lasten aber steht das durch § 65 Abs. 1 BewG 1955 normierte Stichtagsprinzip unüberwindbar entgegen. Dürfen gemäß § 6 Abs. 1 BewG 1955 selbst solche Lasten nicht als Schuldpost berücksichtigt werden, deren Entstehung an den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung geknüpft ist, so kommt erst recht die Berücksichtigung noch nicht entstandener und in ihrem Entstehen im einzelnen völlig ungewisser Lasten bewertungrechtlich nicht in Betracht. Um solche ungewisse Lasten handelt es sich bei den Lohnnebenkosten nämlich deswegen, weil der rechtliche Bestand des Urlaubsanspruchs des einzelnen Arbeitnehmers wegen der Ungewißheit des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses zum Stichtag keine Gewähr dafür bietet, daß die zeitnah erst an den Verbrauch des Urlaubes geknüpften Lohnnebenkosten tatsächlich entstehen werden.

Es kommt damit schon den Beschwerdeausführungen Berechtigung zu, welche auf die inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch in seinem Abspruch über die Einheitswertbescheide zum 1. Jänner der Jahre 1986 und 1987 abzielen. Eines Eingehens auf das zur behaupteten Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zufolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erstattete Vorbringen des beschwerdeführenden Präsdidenten bedurfte es nicht mehr.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der von der mitbeteiligten Partei beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand zu nehmen, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen ließen, daß von der mündlichen Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

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