VwGH 91/07/0015

VwGH91/07/001512.3.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der AN und des BN auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ergänzung ihrer Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Juli 1990, Zl. Wa 200665/3-1990/Hz/Hör, betreffend wasserrechtliche Bewilligung im Verfahren zur Zl. 90/07/0130 des Verwaltungsgerichtshofes (mitbeteiligte Partei: Gemeinde X), den Beschluß gefaßt:

Normen

AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 lita;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Dem Antrag wird nicht stattgegeben.

Begründung

Die Beschwerdeführer haben am 14. September 1990 zur Zl. 90/07/0130 eine Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 23. Juli 1990, Zl. Wa 200665/3-1990/Hz/Hör, eingebracht. Vor Einleitung des Vorverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof wurde den Beschwerdeführern die Beschwerde zur Ergänzung binnen einer Woche durch Beibringung zweier weiterer Ausfertigungen für die mitbeteiligte Partei und für den zuständigen Bundesminister zurückgestellt. Wie sich in der Folge - nach Einleitung des Vorverfahrens - herausstellte, wurde dieser Ergänzungsauftrag deshalb nicht ordnungsgemäß erfüllt, weil die beiden nachgebrachten Beschwerdeausfertigungen keine Seite 5, dafür zweimal die Seite 4 enthielten. Diese Verfahrenssituation führte zur Einstellung des Beschwerdeverfahrens mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Dezember 1990, Zl. 90/07/0130-7, weil die darin erkannte Unterlassung der Behebung der aufgezeigten Mängel gemäß § 34 Abs. 2 VwGG zur Folge hatte, daß die Beschwerde als zurückgezogen galt. Dieser Einstellungsbeschluß wurde den Beschwerdeführern zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters am 1. Februar 1991 zugestellt.

Die Beschwerdeführer beantragen nunmehr mit ihrer am 14. Februar 1991 zur Post gegebenen Eingabe die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Mängelbehebung und legen gleichzeitig die zwei fehlenden (kompletten) Beschwerdeausfertigungen vor. Zur Begründung des Antrages wird ausgeführt, die erfahrene und verläßliche Kanzleikraft C habe irrtümlich beim Kopieren zweimal die Seite 4 der Beschwerde kopiert und die Herstellung von Kopien der Seite 5 unterlassen. Es handle sich dabei um ein einmaliges Versehen. Auf Grund der Verläßlichkeit seiner Kanzleileiterin habe es der Rechtsanwalt der Beschwerdeführer für nicht erforderlich erachtet, zu überprüfen, ob tatsächlich alle Seiten der Beschwerde kopiert und abgeschickt worden seien.

Dieses Vorbringen wird seitens der Beschwerdeführer durch Vorlage einer eidesstättigen Erklärung ihres Rechtsanwaltes über den geschilderten Hergang bescheinigt.

Wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Das Verschulden eines Kanzleiangestellten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Anwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist.

Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag zugrunde gelegt, hat der Rechtsanwalt die von ihm mit der Erledigung des Verbesserungsauftrages des Verwaltungsgerichtshofes beauftragte Kanzleiangestellte hiebei nicht kontrolliert. Vielmehr wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es aufgrund der Verläßlichkeit der betreffenden Kanzleikraft für den Rechtsanwalt nicht erforderlich gewesen sei, "zu überprüfen, ob tatsächlich alle Seiten der Beschwerde kopiert und abgeschickt worden sind". Diesem Vorbringen ist insoweit beizupflichten, als der Rechtsanwalt die Postaufgabe der Erledigung allein durch die - verläßliche - Kanzleikraft überlassen durfte. Hingegen vermag der Gerichtshof die Auffassung, es bestünde keine Pflicht zur Kontrolle, ob alle Seiten des Beschwerdeschriftsatzes kopiert worden seien, nicht zu teilen. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ist es mit den rechtsanwaltlichen Pflichten nicht vereinbar, sich überhaupt nicht um die Vollständigkeit eines dem Gerichtshof vorzulegenden Schriftsatzes zu kümmern; in dieser Hinsicht kann der Rechtsanwalt nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden, und zwar auch dann nicht, wenn er mit der Vorbereitung der Erfüllung des Mängelbehebungsauftrages eine (besonders) verläßliche Kanzleikraft betraut hat.

Angesichts des Fehlens jeglicher Überwachungstätigkeit des Rechtsanwaltes kann von einem minderen Grad des Versehens des Rechtsvertreters der Beschwerdeführer - der im übrigen im Wiedereinsetzungsantrag auch nicht behauptet wurde - keine Rede sein.

Da das Verschulden des Parteienvertreters die Partei selbst trifft (vgl. Beschluß eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A), mußte dem Wiedereinsetzungsantrag im Grunde des § 46 Abs. 1 VwGG der Erfolg versagt bleiben.

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